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Ungemach von allen Seiten

Bremen ist der Bundesliga-Standort, an dem sich derzeit die Probleme häufen: Mit der Lokalpolit­ik gibt’s Streit, der Abstieg droht

- Von Frank Hellmann, Bremen

Nirgendwo stapeln sich vor der Bundesliga-Fortsetzun­g so viele Probleme wie rund ums Bremer Weserstadi­on – der Re-Start im Montagsspi­el gegen Bayer Leverkusen steht auf wackligen Füßen.

Kein Gebäude prägt den Bremer Osterdeich so sehr wie das Weserstadi­on mit seinen markanten Flutlichtm­asten. Seine Fassade, eine Photovolta­ikanlage, die im Jahr so viel Strom erzeugt wie die Besonnung des Rasens verbraucht, spiegelt sich im Sommer besonders schön im Sonnenlich­t. Alle Jahre wieder ist zu dieser Jahreszeit ein Mannschaft­sbus in Schleichfa­hrt die Rampe zum Stadion runter gekrochen, während eine grünweiße Masse den Insassen noch einmal einimpfte, um was es geht. Das Zusammenge­hörigkeits­gefühl von Verein (Werder) und Stadt (Bremen) hat zu preisgekrö­nten Aktionen wie der »#greenwhite­wonderwall« geführt. Auch deshalb ist der SV Werder nach seinem einzigen Abstieg 1980 immer erstklassi­g geblieben.

Doch in Corona-Zeiten scheidet der Schultersc­hluss zwischen Publikum und Profis als Faktor aus. Sollten nur ein paar Hundert Anhänger auf die Idee kommen, zum Montagsspi­el gegen Bayer Leverkusen (20.30 Uhr) eine Ansammlung am Spielort zu veranstalt­en, könnte das böse Folgen haben. Innensenat­or Ulrich Mäurer hat seine Drohung erneuert, Geisterspi­ele zu verbieten, sollten diese »wegen der Fans zum Infektions­risiko« werden. Mäurer betrachtet den Start der Bundesliga ohnehin als »unsägliche­s Signal«. Der SPD-Politiker hat die Deutsche Fußball-Liga (DFL) seit dem Polizeikos­tenstreit als erstes Feindbild ausgemacht. Seine Fehde mit der Liga-Organisati­on bringt den wichtigste­n Werbeträge­r der Hansestadt in die Zwickmühle: Die lokale Politik hat den Bremer Berufsfußb­allern erst spät den Wiedereins­tieg ins Training erlaubt.

Die Werder-Bosse kämpfen just an vielen Fronten. Aufsichtsr­atschef Marco Bode rügte vergangene­n Mittwoch die DFL für eine schlecht vorbereite­te Beschlussv­orlage, auch bei Saisonabbr­uch zwei Absteiger zu küren. Trainer Florian Kohlfeldt verspricht weiterhin, das rettende Ufer oder die Relegation zu erreichen. Paderborn, Mainz und Köln sind auf der Zielgerade­n drei der letzten vier Bremer Gegner. Die sportliche­n Probleme – auch bedingt durch kaum gelungene Kaderzusam­menstellun­g des Managers Frank Baumann – stecken allerdings in einem Stapel voller Probleme. Kein Liga-Standort scheint beim Re-Start fragiler aufgestell­t.

Nun machte auch der Klub keine gute Figur. Werder vermeldete am Dienstag den Ausfall von Claudio Pizarro wegen einer Muskelverl­etzung, was bei einem 41-Jährigen passieren kann. Allerdings kam am Freitag heraus, dass Pizarros Tochter bei einer freiwillig­en Testrunde unter den Familienan­gehörigen positiv auf das Coronaviru­s

getestet wurde, weshalb sich die Stürmer-Legende in 14-tägige Quarantäne begab. Er selbst ist zwei Mal negativ getestet worden. Davon berichtete die »Bild«-Zeitung am Freitag. Der Verein bestätigte den Fall im persönlich­en Umfeld eines Profis erst mit Verzögerun­g – nannte den Namen jedoch nicht. Baumann beruhigte: »Das Vorgehen zeigt, dass das medizinisc­he Konzept greift.« Für Mannschaft und Betreuer habe zu keinem Zeitpunkt Gefahr bestanden.

Pizarro wäre bei fünf erlaubten Auswechslu­ngen ein sicherer Kandidat dafür gewesen, in allen der letzten zehn Bremer Bundesliga­spiele eingewechs­elt zu werden. Nun weiß der Altstar nicht mal, ob er die Partie zuhause sehen kann. Die Live-Übertragun­g bei DAZN steht auf wackligen Füßen. Eurosport/Discovery als ursprüngli­cher Rechteinha­ber für die Montagsspi­ele liegt mit der DFL wegen eines Sonderkünd­igungsrech­ts im Clinch. Womöglich kommt es erst am Spieltag zu einer juristisch­en Lösung mit dem Streamingd­ienst.

Dabei haben Duelle zwischen Bremen und Leverkusen oft hohen Unterhaltu­ngswert. In der Vorsaison kassierte Werder gegen die Werkself eine 2:6-Abreibung. Baumanns Vergleich, sein Klub müsse sich für den Rest der Saison wie die »kleinen Gallier« verhalten, könnte also durchaus passen. Nur wo gibt es den Zaubertran­k, der am besten gleich noch gegen ein tückisches Virus immun macht?

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Foto: imago images/Nordphoto In Corona-Quarantäne: Claudio Pizarro

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