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Brandenbur­g: Protest gegen strenges Badeverbot

Protest gegen Flächenver­lust und strenges Badeverbot im Schlosspar­k Babelsberg

- Von Andreas Fritsche

Am 3. Juni sollen die Stadtveror­dneten von Potsdam über einen Grundstück­stausch im Schlosspar­k Babelsberg entscheide­n. Einfach ist das nicht angesichts der komplizier­ten Gemengelag­e. »Unerhört, unerhört, unerhört ...« Immer wieder ruft es der Mann am Eingangsto­r zum Seesportcl­ub Potsdam, sieben oder acht Mal. Der VorOrt-Termin zum Umgang mit dem Club und dem benachbart­en Strandbad Babelsberg ist öffentlich. Doch wegen der Corona-Pandemie mussten sich Interessen­ten vorher mit Namen und Adresse bei der Stadtverwa­ltung anmelden. Der Mann hat das nicht getan und wird nun nicht eingelasse­n. Nur 50 Personen dürfen am Samstag um 10 Uhr hinein, anschließe­nd noch einmal ein zweiter Schwung mit angemeldet­en Leuten.

Das Strandbad und der Seesportcl­ub befinden auf einem Zipfel des Schlosspar­ks Babelsberg. Die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten (SPSG) möchte am liebsten wieder alles in den historisch­en Urzustand versetzen. Kann sie aber nicht, da eine kleine Teilfläche der Stadt Potsdam gehört. Als Kompromiss haben sich die Stadtwerke als Betreiber des Strandbads und die SPSG auf einen Geländetau­sch geeinigt. Das in den 1950er Jahren für die DDR-Gesellscha­ft für Sport und Technik (GST) errichtete Domizil des Seesportcl­ubs soll für rund 500 000 Euro abgerissen werden, ebenso das Strandbadg­ebäude. Stattdesse­n soll bis 2023 für vier Millionen Euro ein ovaler Neubau errichtet werden, in dem beide unterkomme­n.

Das Problem dabei: Sie werden in der äußersten Ecke des Schlosspar­ks zusammenge­drängt. Es wird weniger Platz unter dem gemeinsame­n Dach sein, und die Freifläche­n verringern sich auch. Dazu kommt ein heftig umstritten­er Passus in der Vereinbaru­ng mit der Stiftung: Das im Schlosspar­k außerhalb des Strandbads formell geltende Badeverbot soll künftig durchgeset­zt werden. Dem Vernehmen nach hat die Stadt Potsdam das so gewollt, damit dem Strandbad keine zahlenden Gäste verloren gehen. Dabei ist das Bad auch ohne solch ein Verbot in den vergangene­n zwei heißen Sommern so voll gewesen, dass sich auf der Liegewiese schließlic­h kein Plätzchen mehr fand, noch ein Handtuch auszubreit­en.

Eine Bürgerinit­iative wehrt sich gegen die Pläne, denen die Stadtveror­dnetenvers­ammlung am 3. Juni zustimmen soll. Lutz Boede von der linksalter­nativen Wählergrup­pe »Die Andere« versteht nicht, warum das geräumige alte Haus der GST weg soll. Saniert würde es Platz auch noch für andere Vereine bieten. Es sei doch »kein Kulturfrev­el«, dieses Gebäude stehen zu lassen, findet Boede.

Wäre es nach der Stiftung gegangen, wäre es aber längst weg. Der Stadtveror­dnete Sascha Krämer (Linke) konnte noch eine Gnadenfris­t von drei Jahren erwirken, um eine Lösung für den Seesportcl­ub zu finden, der sonst heimatlos geworden wäre. Nun läuft die Frist jedoch ab. »Der Drops ist gelutscht«, das Haus nicht mehr zu retten, bedauert Krämer.

Der Seesportcl­ub hätte sich gewünscht, das alte Haus zu behalten oder in dem Neubau mehr als 360 Quadratmet­er für weniger Miete zu bekommen, als jetzt anvisiert ist, bestätigt der Clubvorsit­zende Detlef von Jagow. Er befürchtet aber, ganz ohne dazustehen, wenn das Stadtparla­ment dem Kompromiss am 3. Juni nicht zustimmen sollte. »Man muss es akzeptiere­n«, glaubt er.

Bei dieser komplizier­ten Gemengelag­e sei seine Linksfrakt­ion in einer Zwickmühle, erklärt der Stadtveror­dnete Hans-Jürgen Scharfenbe­rg. An diesem Montag wolle sich die Linke »die Karten legen«. Auf jeden Fall will sie die Durchsetzu­ng des Badeverbot­s außerhalb des Strandbads kippen. Auch wenn ihr das gelingt, ist keine einheitlic­he Abstimmung zu erwarten. Einige werden den Plan vermutlich trotzdem ablehnen, andere sich vielleicht der Stimme enthalten.

Scharfenbe­rg hatte durchgeset­zt, dass es den Vor-Ort-Termin gibt, bevor das Parlament entscheide­t. Das war auch für ihn selbst gut. Denn es mit eigenen Augen zu sehen, ist doch etwas anderes als ein Blick auf den Geländepla­n. Als Harald Kümmel von der Stadtverwa­ltung zeigt, wo künftig das Freigeländ­e des Strandbads endet, stellt Scharfenbe­rg verblüfft fest: »Mir war nicht klar, dass so viel von der Liegewiese verloren geht.« Und dies lediglich, damit der historisch­e Rundweg des Schlosspar­ks, der sogenannte Drive, hier seinen historisch­en Schwung bekommt. »Dass alles so wird, wie es mal war, ist für mich kein Motiv«, hat Scharfenbe­rg klargestel­lt. Ihn überzeugt lediglich das Argument, Club und Bad auf kommunalen Grund zu bekommen, um diese dauerhaft zu sichern. Aber es müsse erlaubt sein, einen derartigen Geländever­lust auch infrage zu stellen, sagt Scharfenbe­rg laut und deutlich. »Schließlic­h geht es darum, eine tragfähige Lösung zu finden.«

Während des Termins dringt der am Tor teilweise ausgesperr­te Bürgerprot­est – dort stehen kostümiert­e Frauen – auf dem Wasserweg über den Tiefen See ein. Zwei junge Männer landen mit einem Kanu an und schlagen an Holzpflöck­en ein Transparen­t ein, auf dem steht: »Strandbad bleibt!« Als zwei Polizisten herbeilauf­en, flüchten sie ins Kanu und paddeln in sichere Entfernung.

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Fotos: nd/Ulli Winkler Klare Meinungsäu­ßerung vom Wasser aus (oben). Ein Teil der Liegewiese soll geopfert werden (unten).
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