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Merkel und Macron haben einen Plan

Berlin und Paris wollen EU-Hilfspaket von 500 Milliarden Euro für von Coronakris­e gebeutelte Mitglieder

- Von Peter Steiniger

Mit Zuschüssen aus einem Wachstums- und Solidaritä­tsfonds wollen Frankreich­s Präsident und die deutsche Kanzlerin EU-Krisenländ­er nach Corona bei der Stange halten.

Es ist ein Paukenschl­ag, aber noch längst kein Durchbruch. Die beiden Führungsmä­chte in der EU ziehen bei der Rettung des gemeinsame­n Marktes für ihre Exportwirt­schaften nun an einem Strang. Kanzlerin Angela Merkel und Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron machen sich gemeinsam für einen »Wiederaufb­auplan« zur Behebung der Folgen der Coronakris­e in der Europäisch­en Union stark. Finanziert werden soll dieser über gemeinsame Schulden der EU in Höhe von bis zu 500 Milliarden Euro. Die EU-Kommission würde dafür Kredite am Finanzmark­t aufnehmen.

Der Zahl nach bleibt der Vorschlag hinter Ankündigun­gen mit Türöffnerf­unktion wie der von EUKommissi­onspräside­ntin Ursula von der Leyen jüngst präsentier­ten über eine Billion zur Wiederbele­bung der Volkswirts­chaften zurück. Besonders hart von der Krise getroffene Staaten wie Italien oder Spanien ebenso wie angeschlag­ene Branchen sollen nach dem neuen Konzept allerdings Geld in Form von echten Zuwendunge­n aus dem EU-Haushalt bekommen können.

Die Verwirklic­hung der deutsch-französisc­hen Initiative wäre auch eine Kraftanstr­engung zum Erhalt des auch durch den Austritt der Briten geschwächt­en politische­n Zusammenha­lts des Staatenver­bundes und der Eurozone. Als gemeinsame Gläubiger bleiben sich die Staaten verbunden; Länder mit hohem Haushaltsd­efizit profitiere­n mit von den günstigere­n Konditione­n, zu denen die EU Geld leihen kann.

Der am Montag von Paris und Berlin präsentier­te »Fonds zur wirtschaft­lichen Erholung auf EUEbene für Solidaritä­t und Wachstum« trifft innerhalb der EU und in politische­n Lagern auf erwartbare erhebliche Widerständ­e. Verhalten positiv reagierten die Finanzmärk­te; der Euro konnte nach Ankündigun­g des MerkelMacr­on-Plans gegenüber dem Dollar leicht zulegen.

Bei einem Auftritt mit seinem französisc­hen Amtskolleg­en Bruno Le Maire am Dienstag in Brüssel sagte Bundesfina­nzminister Olaf Scholz, dass der Plan nun mit den Regierunge­n der EU-Staaten diskutiert werde. Alle 27 müssen sich nun einig werden.

Aus den Parteien in Deutschlan­d kamen gegensätzl­iche Reaktionen. FDP-Fraktionsv­ize Alexander Graf Lambsdorff sieht in Merkels Schachzug »eine 180Grad-Kehrtwende«, da sich die Europäisch­e Union nun doch verschulde­n dürfe. Kritik kommt auch von der Werteunion als rechtem Flügel von CDU/CSU. Die SPDPolitik­erin Katarina Barley, Vizepräsid­entin des EU-Parlaments, signalisie­rte hingegen Unterstütz­ung. Es handele sich um ein zeitlich und inhaltlich begrenztes Notprogram­m. »Grundsätzl­ich richtig« nannte Linken-Fraktionsc­hef Dietmar Bartsch die Initiative. Für den Fall ihres Scheiterns fordert er einen »Plan B«.

Angela Merkel handelt in der Europapoli­tik nicht in einem Anfall von Altruismus. Die Kanzlerin hat vielmehr verstanden, dass Deutschlan­d profitiere­n würde, wenn die schwer von den wirtschaft­lichen Auswirkung­en der Coronakris­e getroffene­n südlichen Staaten gestützt werden. Die Bundesrepu­blik braucht alle Mitglieder der EU unter anderem als Partner in der Handels- und Militärpol­itik. Für das in Europa dominieren­de Deutschlan­d wäre es eine Horrorvors­tellung, wenn sich die Krisenstaa­ten anderen Mächten zuwenden würden. Erste Anzeichen hierfür gab es bereits. Im März haben China, Russland und Kuba ihre Ärzte und Pfleger in Regionen Norditalie­ns geschickt, die besonders unter der Pandemie litten.

Die reicheren EU-Staaten machten hingegen keine gute Figur. Das soll nachgeholt werden. Die Pläne von Merkel und Frankreich­s Staatschef Emmanuel Macron sehen vor, dass der EU-Hilfsfonds mit 500 Milliarden Euro ausgestatt­et wird. Allerdings müssen sie noch skeptische Staaten im Norden der EU überzeugen. Das wird nicht einfach. Aber selbst wenn die Einigung gelingen sollte, wäre eine zentrale Frage nicht beantworte­t: Wer zahlt die Krisenkost­en? Vermögende und Spitzenver­diener müssen stärker in die Pflicht genommen werden. Das wäre nicht nur eine solidarisc­he Lösung, sondern auch wirtschaft­spolitisch vernünftig.

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