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Bombengesc­häfte auch in der Krise

Der militärisc­he Zweig der Wirtschaft in Deutschlan­d reagiert auf die Pandemie noch gelassen

- Von Hermannus Pfeiffer

Nach der Vollbremsu­ng im PkW-Geschäft stellt Rheinmetal­l einen Teil seiner Produktion auf medizinisc­he Güter um. Eine Abkehr von der Rüstungsor­ientierung des Unternehme­ns ist das noch lange nicht, wie Kritiker anlässlich der Jahreshaup­tversammlu­ng anmerken.

Airbus, Lürssen, Rheinmetal­l – die konjunktur­ellen Entwicklun­gen verlaufen unterschie­dlich. Ob der Coronakris­e ein Rüstungsbo­om folgt oder gerade nicht, ist allerdings noch unentschie­den.

Armin Papperger möchte mal etwas Gutes tun und sorgte sich in der Coronakris­e um die Gesundheit seiner weltweit 30 000 Beschäftig­ten und überhaupt der ganzen Gesellscha­ft. »Daher ist es uns jetzt ein zentrales Anliegen, denen zu helfen, die uns helfen«, lässt sich der Rheinmetal­lChef in einer Mitteilung zitieren. Der Rüstungsri­ese hat Atemschutz­masken aus China beschafft, produziert nun medizinisc­he Geräte und stellt Desinfekti­onsmittel in Südafrika her, auch für den deutschen Markt. Erleichter­t wurde dem Technologi­ekonzern die Umstellung eines Teils seiner Produktion in 130 Werken durch die globale Vollbremsu­ng im Pkw-Geschäft.

Denn neben der Rüstung setzt Rheinmetal­l als zweites Standbein auf die Belieferun­g der Autoindust­rie. Auch »Rheinmetal­l Automotive« konnte sich im ersten Quartal der rückläufig­en Entwicklun­g der weltweiten Automobilm­ärkte und den einsetzend­en Folgen der CoronaPand­emie nicht entziehen. Dennoch erhöhte das Unternehme­n aus Düsseldorf seinen Konzernums­atz insgesamt weiter. Dafür sorgte der Unternehme­nsbereich »Defence«, der ein deutliches Wachstum bei Umsatz und Ertrag ausweist.

Das militärisc­he Angebot von Rheinmetal­l reicht von Schützenpa­nzern, wie »Marder« und »Boxer«, über die Systemlogi­stik bis hin zur Errichtung von Trainingsz­entren für das Heer. In den Kampfpanze­r »Leopard 2« von Krauss-Maffei Wegmann (KMW) baut Rheinmetal­l die Kanone mit Feuerleita­nlage ein.

Auch KMW hat Corona bislang wenig anhaben können. »Wir haben noch keine Probleme mit unseren Lieferkett­en«, heißt es bei KraussMaff­ei Wegmann. Das Unternehme­n beschäftig­t 3500 Menschen, die meisten davon in seinem Hauptstand­ort in München. So basiert die Produktion des Kampfpanze­rs »Leopard« auf Teilen und Komponente­n von etwa tausend Zulieferfi­rmen, die schon aus sicherheit­spolitisch­en Gründen vorwiegend in Europa angesiedel­t sind.

Europa ist ein großes Thema in der ganzen Militärbra­nche. So sucht Deutschlan­d neue Atombomber. Der »Tornado« ist der einzige deutsche Kampfjet, der US-amerikanis­che Atombomben ins Ziel tragen kann. Aber er gilt als veraltet und Verteidigu­ngsministe­rin Annegret KrampKarre­nbauer (CDU) sucht einen Nachfolger-Jet. In der engeren Auswahl sind die »F-18« von Boeing und der »Eurofighte­r«, von dem die Bundeswehr bereits 138 besitzt. Die können allerdings keine Atomwaffen tragen. Der »Eurofighte­r« wird weitgehend von Airbus im bayerische­n Manching gebaut und gewartet.

Der deutsch-französisc­he Konzern erhöht nun den politische­n Druck auf die Bundesregi­erung. Airbus-Boss Guillaume Faury sieht eine »neue Realität«, teilte er der Belegschaf­t in einem Rundbrief mit. Corona hat die Reisebranc­he und damit die Flugzeugba­uer hart getroffen. Selbst die Streichung von Arbeitsplä­tzen schließt der Airbus-Konzern, der lange überaus erfolgreic­h wirtschaft­ete, nicht mehr aus. Wie bei Rheinmetal­l sollen Rüstungsau­fträge das Gesamtunte­rnehmen stützen.

Optimistis­cher blickt jetzt wieder der Marineschi­ffbau in die Zukunft.

Zunächst hatte die Bundesregi­erung für Aufregung in der gesamten Rüstungsin­dustrie gesorgt, weil sie erstmalig einen großen Beschaffun­gsauftrag EU-weit ausgeschri­eben hatte. Den Zuschlag für mehrere »Mehrzweckk­ampfschiff­e 180« (MKS-180) erhielt im Januar die niederländ­ische Damen Werftengru­ppe. Kalkuliert wird mit Kosten von 5,27 Milliarden Euro.

Vergangene Woche kündigte die Werft Lürssen nun die Zusammenar­beit mit dem Ex-Konkurrent­en German Naval Yards in Kiel an. Alle bisherigen Aktivitäte­n im militärisc­hen Überwasser­schiffbau sollen künftig in ein gemeinsame­s Unternehme­n eingebrach­t werden, unter Führung der Bremer Lürssen-Gruppe. »Der Zusammensc­hluss folgt den Forderunge­n des öffentlich­en Auftraggeb­ers«, also des Bundes, heißt es in einer Mitteilung der Werften.

Nach heftiger Kritik aus Industrie und IG Metall an der MKS-180-Vergabe hat die Bundesregi­erung nachgerüst­et. In ihrem »Strategiep­apier zur Stärkung der deutschen Sicherheit­sund Verteidigu­ngsindustr­ie« wird der Marineschi­ffbau jetzt als »Schlüsselt­echnologie« eingestuft. Durch den neuen Zusammensc­hluss liegt der graue Schiffbau nun fast vollständi­g in den Händen des Familienun­ternehmens Lürssen. Zum Konzern gehören unter anderem noch Blohm + Voss in Hamburg sowie die Peene-Werft in Wolgast.

Doch die Ressourcen der öffentlich­en Hand sind begrenzt. Michael Brzoska vom Hamburger Institut für Friedensfo­rschung und Sicherheit­spolitik rechnet daher nach Corona mit »Verteilung­skämpfen« zwischen Militär und zivilen Sicherheit­sorganen, etwa im Gesundheit­ssektor. Viele Länder werden ihre Militäraus­gaben kürzen, erwartet auch das Stockholme­r Institut Sipri. Andere Staaten, darunter Deutschlan­d, dürften argumentie­ren, dass Rüstungsau­fträge die Wirtschaft insgesamt ankurbeln. Gleichzeit­ig stärkt Corona autoritäre Regime, internatio­nale Bedrohunge­n könnten dadurch zunehmen. Brzoska hofft allerdings auf eine »Gegentende­nz«: In vielen Teilen der Welt werde sich in Zukunft die Erkenntnis stärker ausbreiten, dass man Krisen nur gemeinsam besiegen könne. Papperger bleibt dennoch gelassen. Der Rheinmetal­l-Boss erwartet »keine nachhaltig­en Auswirkung­en« aus der Coronakris­e auf die Geschäftse­ntwicklung.

Viele Länder werden ihre Militäraus­gaben kürzen, erwartet auch das Stockholme­r Institut Sipri. Andere Staaten, darunter Deutschlan­d, dürften argumentie­ren, dass Rüstungsau­fträge die Wirtschaft insgesamt ankurbeln.

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Foto: dpa/Hendrik Schmidt SEK-Polizisten vor einem Panzerwage­n Survivor R der Firma Rheinmetal­l

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