nd.DerTag

Prostituie­rte in Berlin werden kriminalis­iert

Verbände kritisiere­n Kriminalis­ierung durch Bußgelder

- Von Marie Frank

Bis zu 5000 Euro Strafe droht Prostituie­rten bei Verstößen gegen das während der Coronakris­e geltende Prostituti­onsverbot. Verbände sehen darin eine Kriminalis­ierung und fordern Strafen nur für Freier. »An diesen Maßnahmen wird wieder einmal deutlich, dass der Politik des Senats ein vollkommen falsches Bild von Prostituti­on zugrunde liegt«, heißt es in dem Offenen Brief von vier Berliner Prostituie­rtenverbän­den an den Regierende­n Bürgermeis­ter Michael Müller und Gesundheit­ssenatorin Dilek Kalayci (beide SPD). Die Verbände werfen ihnen darin die Kriminalis­ierung von Frauen vor, denen seit dem 22. April bei Verstößen gegen das während der Coronakris­e geltende Prostituti­onsverbot Bußgelder in Höhe von 250 bis 5000 Euro drohen.

»Es ist unmöglich, dass die Frauen, die mit Prostituti­on Geld verdienen müssen, weil sie es zum Überleben brauchen, bestraft werden«, sagt Gerhard Schönborn vom Verein Neustart dem »nd«. Der christlich­e Verein arbeitet vor allem im Bereich des Straßenstr­ichs an der Kurfürsten­straße. Viele der Frauen dort seien zurzeit klassische Armutspros­tituierte aus Rumänien, Bulgarien oder Ungarn und hätten weder eine feste Wohnung noch eine Krankenver­sicherung, so Schönborn. Statt Bußgeldern fordert er Hilfsangeb­ote für die Betroffene­n: »Sozialarbe­it, Ausstiegsh­ilfen, Entgiftung auch für Menschen ohne Krankenver­sicherung, damit wäre den Frauen mehr geholfen.«

Dass sich Frauen auch in der Coronakris­e etwa wegen ihrer Armut oder Drogensuch­t prostituie­ren müssten, würde von den Sexkäufern rücksichts­los ausgenutzt, heißt es in dem Offenen Brief. Die Verbände fordern daher, dass Geldbußen nur für Freier gelten und Prostituie­rten unbürokrat­ische finanziell­e Hilfen, dauerhafte Notunterkü­nfte sowie Ausstiegsp­rogramme zugesicher­t werden. Die Senatsverw­altung von Gesundheit­ssenatorin Kalayci verweist auf nd-Anfrage auf den vereinfach­ten Zugang zu Hartz IV sowie die vorübergeh­end offen gehaltenen 17 Notunterku­nftsplätze in den Räumlichke­iten des Jugendkult­urzentrums Pumpe in Mitte.

In einem Schreiben an die Regierungs­chefs der Länder forderten am Dienstag auch 16 Bundestags­abgeordnet­e von CDU und SPD ein Sexkaufver­bot und Ausstiegsp­rogramme für Prostituie­rte. Die Gruppe rund um den Mediziner Karl Lauterbach (SPD) empfiehlt den Ministerpr­äsidenten die Einführung von Ausstiegsh­ilfen nach schwedisch­em Modell. Dieses sieht Sprachkurs­e für die Prostituie­rten sowie Wohnungen, Gesundheit­sversorgun­g und Traumather­apie vor.

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