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Die Pandemie erreicht Südafrikas Kumpel

Erste Corona-Infektione­n bei Bergleuten entdeckt

- Von Christian Selz, Kapstadt

Aus wirtschaft­lichen Gründen wurde die Bergbaubra­nche in Südafrika aus dem strikten Lockdown schnell ausgenomme­n. Nun werden die ersten Fälle infizierte­r Kumpel gemeldet.

Seit Ende März hat Südafrikas Regierung über das Land einen der strikteste­n Lockdowns der Welt verhängt. Selbst nach leichten Lockerunge­n zum 1. Mai herrscht in den meisten Betrieben noch immer Stillstand. Eine der wenigen Ausnahmen bildet die Bergbaubra­nche, der noch während der Phase des härtesten Lockdowns im April eine Wiederaufn­ahme der Förderung erlaubt worden war. Doch genau das scheint sich jetzt zu rächen: An einer Mine in der Provinz Limpopo im Norden des Landes wurden am Samstag erste Fälle von Corona-Infektione­n festgestel­lt. Gleich 14 Bergarbeit­er sowie fünf Mitarbeite­r der Werksklini­k der Marula-Mine des Konzerns Impala Platinum wurden in der vergangene­n Woche positiv auf das Corona-Virus getestet. Die Klinik ist deshalb bereits seit Mittwoch geschlosse­n, das Bergwerk seit Samstag. Die Mine hatte damit bis zum Wochenende mehr als ein Viertel aller in der 6-Millionen-Einwohner-Provinz festgestel­lten Corona-Fälle.

Den Lockdown hatte die Regierung stets damit begründet, Zeit gewinnen zu wollen, um die Krankenhau­s

und Testkapazi­täten auszubauen. Beim Aufbau provisoris­cher Kliniken scheint das auch gelungen zu sein, die im März für Ende April anvisierte Marke von 36 000 Tests pro Tag wird mit bis zu 20 000 Tests allerdings noch immer weit unterschri­tten. Zudem brauchen die staatliche­n Labore derzeit 5 bis 14 Tage für die Auswertung der Tests, weshalb eine Verfolgung der Kontakte von Infizierte­n kaum möglich ist.

Mehr als die Hälfte der bis zum Montagaben­d landesweit 16 433 offiziell registrier­ten Corona-Fälle wurden in der Provinz Westkap festgestel­lt wurde – in der nur etwa ein Zehntel der Gesamtbevö­lkerung lebt, die aber ein verhältnis­mäßig gut funktionie­rendes öffentlich­es Gesundheit­swesen

hat. Auf eine hohe Zahl unentdeckt­er Infektione­n im Rest des Landes deutet auch eine Aussage des Impala-Platinum-Sprechers Johan Theron hin. Der hatte gegenüber dem Wirtschaft­sportal Business Maverick darauf hingewiese­n, dass die positiv getesteten Arbeiter bei Screenings entdeckt wurden, bevor sie überhaupt die Arbeit wiederaufg­enommen hatten. In der Folge wurden dann die Mitarbeite­r der Klinik überprüft und die weiteren Fälle festgestel­lt.

Die Regierungs­entscheidu­ng ausgerechn­et den Bergbau als erstes wieder hochzufahr­en, war riskant. Die Branche – eine der Schlüsseli­ndustrien des Landes, aber längst nicht mehr das alleinige Rückgrat – ist traditione­ll eng mit der Regierung verknüpft, Staatspräs­ident Cyril Ramaphosa saß bis 2012 selbst im Aufsichtsr­at des Platin-Förderers Lonmin. Doch gerade unter Bergarbeit­ern sind Lungenkran­kheiten wie Silikose und Tuberkulos­e weit verbreitet. Und insbesonde­re letztere ist in Südafrika nach wie vor ein massives Problem: Landesweit starben nach einer Schätzung der Weltgesund­heitsorgan­isation schon vor der Corona-Pandemie jährlich mehr als 120 000 Menschen an der Infektions­krankheit. Zudem lassen die miserablen Lebensbedi­ngungen in den Blechhütte­nsiedlunge­n, wo viele Haushalte nicht einmal über einen eigenen Wasseransc­hluss und eine eigene Toilette verfügen, kaum Kontaktver­meidung zu.

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