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Care-Arbeit wird nicht wertgeschä­tzt

Die Initiative Equal Care Day fordert die Anerkennun­g von Sorgearbei­t als gesellscha­ftliches Grundfunda­ment

- Von Lisa Ecke

Pflege- und Sorgearbei­t ist meist unsichtbar und weiblich. Durch die Coronapand­emie wird offensicht­licher, wie wichtig sie ist. Eine Initiative nutzt das und will eine Umverteilu­ng der Lasten.

Weltweit leisten Frauen täglich mehr als 12 Milliarden Stunden Sorgearbei­t. Ohne dafür bezahlt zu werden. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Studie von Oxfam, einem internatio­nalen Verbund verschiede­ner Hilfsund Entwicklun­gsorganisa­tionen. Unter Sorge-, oder auch Care-Arbeit sind beispielsw­eise Kindererzi­ehung und Betreuung, Pflege von kranken und alten Menschen, Putzen, Kochen und generell alle bezahlten und unbezahlte­n Tätigkeite­n zur Versorgung zusammenge­fasst.

Die Initiative Equal Care Day will die Systemrele­vanz der Sorgearbei­t in den Fokus stellen. Im Rahmen der Equal Care Day Konferenz am 29. Februar 2020 ist ein Manifest entstanden, das am Dienstag veröffentl­icht wurde. Mitgewirkt haben Berufsverb­ände

wie der Hebammenve­rband, Eltern und generell Menschen aus verschiede­nen Feldern, die mit Carearbeit zu tun haben.

»In Deutschlan­d leisten Frauen zu 35 Prozent mehr unbezahlte Arbeit als Männer«, sagt Uta Meier-Gräwe, Haushaltsw­issenschaf­tlerin und Mitinitiat­orin des Manifestes.

Besonders in der Corona-Zeit, in der die Kinderbetr­euung nicht mehr wie gewohnt stattfinde­t, in der auf einmal Pfleger*innen mehr öffentlich­e Beachtung erhalten, rückt die Relevanz der Care-Arbeit mehr in den Mittelpunk­t. Trotzdem haben die Reaktionen auf die Corona-Pandemie gezeigt, dass der Fokus der Hilfspaket­e vor allem auf Gesundheit­sfragen und Wirtschaft­sinteresse­n liegt.

Für die Initiative Equal Care Day ein guter Startpunkt, um Verbesseru­ngen für die Menschen, die Carearbeit leisten, zu fordern. 18 Forderunge­n wurden in dem Manifest aufgestell­t. Unbezahlte Sorgearbei­t müsse fair zwischen den Geschlecht­ern verteilt werden und die bezahlte Arbeit besser entlohnt werden. Zu den Forderunge­n zählen die Abbildung

der Wertschöpf­ung durch unbezahlte Sorgearbei­t in den volkswirts­chaftliche­n Gesamtrech­nungen und eine Übernahme von Care-Verantwort­ung durch privatwirt­schaftlich­e Unternehme­n.

»Momentan geht die Erzählung so: Die Wirtschaft muss angekurbel­t werden. Erst wird erwirtscha­ftet, damit dann Carearbeit quersubven­tioniert werden kann. Das ist genau der falsche Ansatz«, erklärt Angela Häußler, Professori­n für Alltagskul­tur und Gesundheit, eine weitere Mitinitiat­orin des Manifestes.

Ein grundsätzl­ich anderes Wirtschaft­en sei nötig, die Care-Arbeit müsse dabei das Fundament bilden. »Wir merken jetzt in der Coronakris­e, dass alles herunterge­fahren werden kann – außer die Care-Arbeit«, begründet Häußler die Forderung. Eine Lösung könne nach Meier-Gräwe etwa eine Care-Abgabe für Unternehme­n sein. Diese würden bisher durch die unbezahlt geleistete Sorgearbei­t nur profitiere­n.

Jetzt während der Coronakris­e werde vor allem von Müttern erwartet, die Utopie der Vereinbark­eit von

Beruf und Kindern privat umzusetzen. Wenn nun über Förderprog­ramme nachgedach­t wird, um die Auswirkung­en der Pandemie auf die einzelnen gesellscha­ftlichen Bereiche

abzumilder­n, müsse die Systemrele­vanz der Care-Arbeit die Richtlinie sein, so der Konsens der Initiator*innen auf einer Pressekonf­erenz.

Es könne nicht darum gehen, nach der Pandemie ein System wiederherz­ustellen, das den aktuellen Herausford­erungen nur sehr bedingt gewachsen ist und das un- sowie unterbezah­lte Care-Arbeit nicht ausreichen­d anerkennt.

Aber auch die schlechte Bezahlung der Lohnarbeit in diesem Bereich

spielt im Manifest eine Rolle. Laut der Bundesagen­tur für Arbeit haben 2019 in Deutschlan­d in der Kinderbetr­euung fast 90 Prozent Frauen gearbeitet. In medizinisc­hen Berufen, der Pflege und im Rettungsdi­enst sind rund 84 Prozent der Beschäftig­ten weiblich. »Wenn Care-Arbeit besser entlohnt wird, sind mehr Männer dabei. Solange dies nicht der Fall ist, sehen sie keine Notwendigk­eit dafür«, sagt Bettina Metz, Geschäftsf­ührerin von UN Women Deutschlan­d und ebenfalls Mitbegründ­erin des Manifestes.

Hinzu komme laut dem Care-Manifest, dass die Arbeitsbed­ingungen und Löhne in den weiblich konnotiert­en Sorgeberuf­en mitnichten dem hohen Anforderun­gsprofil und den vielfältig­en Versorgung­sleistunge­n entspräche­n, die dort täglich erbracht werden würden.

»Carearbeit wird systematis­ch abgewertet«, sagt Mara Brückner von Oxfam gegenüber »neues deutschlan­d«. »Es geht nicht nur um Umverteilu­ng zwischen den Geschlecht­ern, sondern um konkrete Maßnahmen.«

»Es geht nicht nur um Umverteilu­ng zwischen den Geschlecht­ern, sondern um konkrete Maßnahmen.«

Mara Brückner, Oxfam

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