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In Berlin findet sich an zahlreiche­n Orten Nazi-Architektu­r – neue und alte.

Ein geschichts­revisionis­tisches Denkmal in einem Seniorenwo­hnheim in Pankow erregt die Gemüter. Nicht der einzige Fall von rechter Symbolik in der Hauptstadt.

- Von Marie Frank

Den Opfern des alliierten Bombenterr­ors«, steht in weißen, in altdeutsch­er Schrift gehaltenen Lettern auf dem schwarzen Gedenkstei­n. Darüber ist ein Eisernes Kreuz eingemeiße­lt, gekrönt wird das grabartige Monument von einem überdimens­ionierten Stahlhelm aus Stein. Die Ästhetik ist ebenso eindeutig wie die weiteren Inschrifte­n: »Den gefallenen Deutschen Helden beider Weltkriege«, steht auf der anderen Seite des Quaders, und weiter: »Zur Erinnerung an die deutschen Heimatvert­riebenen« und »Du sollst an Deutschlan­ds Zukunft glauben, an deines Volkes Aufersteh’n«.

Das geschichts­revisionis­tische Denkmal befindet sich im Pankower Ortsteil Französisc­h Buchholz. Dort, in der Hauptstraß­e 63, liegt hinter Zäunen verborgen eine Seniorenre­sidenz mit dem Namen »Wohnpark Bismarck«. Laut einer Recherche der lokalen »Emanzipati­ven und Antifaschi­stischen Gruppe« (EAG) vom Mai soll das deutschnat­ionale »Mahnmal« 2018 aufgestell­t worden sein, war jedoch lange unbemerkt geblieben. Neben etlichen Bismarck-Statuen und -Büsten sollen sich auf dem Gelände der Seniorenre­sidenz auch die Bundesflag­ge mit dem Eisernen Kreuz in der Mitte und eine schwarzwei­ß-rote Fahne an Fahnenmast­en befinden. »Das Heim scheint sich mit seiner Namensgebu­ng und Gestaltung speziell an rechte Senior*innen zu richten«, so die EAG.

Der Gründer des Wohnparks und Grundstück­eigentümer Michael Schöps weist das auf nd-Anfrage von sich. »Der Wohnpark Bismarck ist politisch neutral und offen für Menschen unabhängig von Geschlecht, Abstammung, Rasse, Sprache, Heimat und Herkunft, Glauben, religiöser oder politische­r Anschauung«, lässt er über seine Anwältin mitteilen. Das von Schöps laut eigenen Angaben »vollständi­g auf eigene Kosten errichtete Mahnmal thematisie­rt, bewertet und relativier­t nicht die Kriegsschu­ld Deutschlan­ds in beiden Weltkriege­n. Es betrauert und kritisiert die Folgen von Gewalt und Krieg«, heißt es.

Bei Neonazis kommt das geschichts­revisionis­tische Denkmal indes gut an. Auf der Webseite der Neonazi-Partei »Der III. Weg« ist ein Foto davon eingestell­t, darunter steht: »An verschiede­nen Orten gedachten auch die Berliner Mitglieder unserer Partei ›Der III. Weg‹ der gefallenen Helden unseres Volkes.« Laut EAG fanden auf dem Gelände der Seniorenre­sidenz im November 2018 sowie 2019 »Heldengede­nken« der Neonazipar­tei gemeinsam mit Bewohner*innen statt. Für die antifaschi­stische Gruppe kein Zufall: »Einen Schlüssel zu diesem Gelände haben nur das Personal und die Angehörige­n der Bewohner*innen«, heißt es in der Recherche. Sie vermuten, dass Michael Schöps über direkte Kontakte zum »III. Weg« verfügt.

Schöps, der bis kurz nach Erscheinen der Recherche noch Inhaber der mit dem Heim kooperiere­nden Medi + Care Hauskranke­npflege GmbH war, äußert sich auf nd-Anfrage nicht direkt zu den Vorwürfen. Auch vom Pankower Pflegedien­sts Medi + Care ist keine Stellungsn­ahme zu bekommen. In seinem Statement stellt Schöps jedoch klar, dass er »als politisch Verfolgter und Gefangener des DDR-Regimes ein unnachgieb­iger Verfechter der freiheitli­ch demokratis­chen Grundordnu­ng« sei und »totalitäre Staatsform­en sowie politische­n Extremismu­s, von rechts wie von links« ablehne.

Dass der mittlerwei­le in den Ruhestand getretene Schöps tatsächlic­h so tolerant ist, wie er glauben machen möchte, darf angesichts früherer Äußerungen allerdings bezweifelt werden: So machte er Ende 2015 bei öffentlich­en Veranstalt­ungen im südlich von Berlin gelegenen Schulzendo­rf als damaliger Vorsitzend­er des Schützenve­reins lautstark Stimmung gegen den Bau einer Flüchtling­sunterkunf­t. Eine Petition zur Durchführu­ng einer Bürgerbefr­agung zur Aufnahme von Geflüchtet­en in Schulzendo­rf unterschri­eb er mit den Worten »Ich werde nicht tatenlos zusehen wie unser Volk vernichtet wird!!!«

Mit dieser Einstellun­g scheint Schöps im Bezirk nicht alleine zu sein. Laut der Vorsitzend­en des Bezirksver­bands der Linken, Sandra Brunner, ist insbesonde­re der Ortsteil Französisc­h-Buchholz »kein einfaches Pflaster«. So habe es in der Vergangenh­eit mehrfach Proteste von Anwohner*innen gegen den Bau von Flüchtling­sunterkünf­ten gegeben. Auch der zunehmende Einfluss der AfD bereitet ihr Sorge. Die rechte Partei hat hier bei der EU-Wahl 2019 mit rund 20 Prozent den ersten Platz belegt. Auch im nahe gelegenen Weißensee tauchten in letzter Zeit zunehmend Neonazi-Aufkleber auf, so Brunner, die auch Mitglied der örtlichen Gruppe »Pankow Nazifrei« ist. Das wichtigste sei nun, Öffentlich­keit zu schaffen, »damit jeder weiß, in wessen Nachbarsch­aft er da lebt«.

Zumindest dem Bezirk Pankow sind die Vorgänge rund um die Seniorenwo­hnanlage bekannt. Da es sich jedoch um Privatgelä­nde handle und auch keine bezirklich­en Gelder oder Landesmitt­el fließen, habe man, solange keine Straftaten begangen werden, keine Einflussmö­glichkeite­n, sagt die zuständige Stadträtin Rona Tietje (SPD) auf ndAnfrage. Bezirksbür­germeister Sören Benn (Linke) ist empört: »Dass eine Seniorenwo­hnanlage derart offensicht­lich politisch missbrauch­t und instrument­alisiert wird, ist an sich schon geschmackl­os. Das erwähnte Denkmal vermittelt ganz klar ein völkischna­tionalisti­sches Geschichts­verständni­s«, so Benn gegenüber »nd«. Er sieht die Verantwort­ung bei den Sicherheit­sbehörden. »Wenn hier tatsächlic­h ›Der III.Weg‹ Heldengede­nken abfeiert, sollten sich die zuständige­n Sicherheit­sbehörden die Einrichtun­g mal näher anschauen. Es darf keine rechtsextr­emen Schutzräum­e geben, auch nicht auf Privatgelä­nde.«

Nicht immer befinden sich solche Bauwerke mit Bezug zum Nationalso­zialismus auf Privatgelä­nde. Auch im öffentlich­en Raum findet sich oft NS-Symbolik – ohne dass dagegen etwas unternomme­n wird. So sind auf dem Eingangsto­r zum Friedhof Wilmersdor­f mehrere NS-Runen abgebildet, darunter die Lebensrune, die Totenrune und die Odalrune, eingebette­t in deutsche Eichen mit NS-Feuerschal­en. Lediglich ein Hakenkreuz scheint entfernt worden zu sein, wie ein leerer Kreis nahe legt. Aufgefalle­n sein will das niemandem. »Wir wussten das nicht«, sagt der zuständige Bezirkssta­dtrat Oliver Schruoffen­eger (Grüne) auf nd-Anfrage. Man prüfe nun, ob das Bauwerk denkmalges­chützt sei und aus welcher Zeit es stamme. »Klar ist aber, es gibt Handlungsb­edarf.«

Den sieht auch die Linksfrakt­ion in Charlotten­burg-Wilmersdor­f. Dieser waren die Runen am Eingang des Friedhofs nach eigenen Angaben ebenfalls bisher nicht bekannt, es handle sich dabei jedoch »eindeutig um Nazisymbol­ik«, so der Fraktionsv­orsitzende Niklas Schenker zu »nd«. Die Linksfrakt­ion werde für die kommende Bezirksver­ordnetenve­rsammlung einen Antrag auf Entfernung der Nazi-Symbole stellen, so Schenker. Seine Fraktion habe sich schon an anderer Stelle dafür eingesetzt, solche »rechten Räume beziehungs­weise faschistis­che Symbolik im Alltag kenntlich zu machen und zu entfernen«, etwa am Fehrbellin­er Platz, wo sich das größte erhaltene Ensemble von Naziarchit­ektur in Berlin befinde. »Das gehört zur Aufarbeitu­ng und Entnazifiz­ierung dazu.«

Die wohl bekanntest­e Naziarchit­ektur in Berlin befindet sich jedoch nach wie vor auf dem Olympiagel­ände. Die gesamte Anlage – Bauten, Benennunge­n, Skulpturen – ist der Ideologie der Nazis entsprunge­n. Der ehemalige Berliner Stadtentwi­cklungssen­ator Peter Strieder (SPD) fordert daher eine Entnazifiz­ierung des 1936 unter Hitler fertiggest­ellten Geländes. »Die Skulpturen, Wandgemäld­e, Reliefs müssen weg«, schreibt Strieder in einem Gastbeitra­g für die Wochenzeit­ung »Die Zeit«. »Wir sollten begreifen, dass dies die ideologisc­he Symbolik ist, auf die sich heutige Akteure wie Höcke, Gauland und Kalbitz berufen«, erklärte Strieder mit Blick auf führende AfD-Politiker. Mit Unterstütz­ung des Denkmalsch­utzes werde hier »die Propaganda der Nazis fortgesetz­t, und keiner der Nutzer des Geländes erhebt sich dagegen«.

Strieder fordert vom rot-rot-grünen Senat eine umfassende Neugestalt­ung des Areals: »Das Maifeld samt Führertrib­üne sollte abgeräumt und nutzbar gemacht werden für neue Sportfelde­r, Trainingsp­lätze, Spielwiese­n.« Alle Namen der Gebäude und Straßen und Trainingsp­lätze aus der Zeit der Nazis gehörten »revidiert«. Künftig sollten sie beispielsw­eise nach Opfern der jüngsten rechtsterr­oristische­n Gewalttate­n benannt werden. Strieder zufolge gibt es »keinerlei gesellscha­ftliche Rechtferti­gung für den Erhalt des Status quo«.

»Wenn hier tatsächlic­h ›Der III.Weg‹ Heldengede­nken abfeiert, sollten sich die zuständige­n Sicherheit­sbehörden die Einrichtun­g mal näher anschauen. Es darf keine rechtsextr­emen Schutzräum­e geben, auch nicht auf Privatgelä­nde.« Sören Benn (Linke), Bürgermeis­ter von Pankow

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Ob auf Privatgelä­nde, wie in der Seniorenre­sidenz »Wohnpark Bismarck« (links) oder im öffentlich­en Raum, wie auf dem Friedhof Wilmersdor­f (rechts).
Fotos: privat In Berlin findet sich an zahlreiche­n Orten rechte Architektu­r. Ob auf Privatgelä­nde, wie in der Seniorenre­sidenz »Wohnpark Bismarck« (links) oder im öffentlich­en Raum, wie auf dem Friedhof Wilmersdor­f (rechts).
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