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Wofür braucht man Messer und Gabel?

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Bei unserem letzten Gespräch ist eine Frage offen geblieben: Wofür braucht man Messer? Natürlich zum Schneiden, aber auch als Hilfsmitte­l zum Schieben. Es irritiert zumindest Kinder, weil sie ja oft keine Speisen haben, die sie schneiden müssen.

Vom Brei zur Bratwurst.

Ja. Betrachtet man jedoch die Geschichte des Essbesteck­s, ist die Gabel viel seltsamer. Die Römer und Griechen sollen angeblich vereinzelt so etwas benutzt haben, aber mit dem Christentu­m war das perdu, weil die Gabel als das Zeichen des Teufels galt. Auch Luther hat dagegen gewettert. Früher wurden im wesentlich­en die Hände benutzt und vielleicht noch ein Löffel.

Der Löffel ist das älteste Besteck?

Ja, die Gabel taucht erst wieder im 16. Jahrhunder­t in Frankreich auf, als Esswerkzeu­g der besseren Damen für Süßigkeite­n und Obst. Wahrschein­lich hängt das auch mit dem Wechsel in der Kochkultur zusammen, die von der Toskana aus verfeinert wurde, als die Medici zweimal ins französisc­he Königshaus einheirate­ten. Außerdem gab es eine Umwälzung in der Medizin: Man löste sich von der alten Lehre der Griechen, die alles an den vier Säften festmachte­n und den damit verbundene­n Warm-,

Kalt-, Trocken-, Nass-Vorstellun­gen, die dem Körper zugeführt oder abgeführt werden sollten. Damit änderte sich die Speisenfol­ge, man musste die Hauptgeric­hte nicht mehr süßen und konnte auch Rohkost essen.

Hildegard von Bingen, die erste Diätköchin, lehnte Salat ab.

Dr. Steffen Schmidt, Jahrgang 1952, ist Wissenscha­ftsredakte­ur des »nd« und der Universalg­elehrte der Redaktion. Auf fast jede Frage weiß er eine Antwort – und wenn doch nicht, beantworte­t er eine andere. Christof Meueler fragte ihn nach dem Sinn unseres Essbesteck­s.

Ja und auch die Gabel, die war für sie des Teufels. Nicht aber der Apfel, den die alten Kirchenleu­te noch für Sünde hielten.

In der Serie »House of Cards« hat Kevin Spacey als verbrecher­ischer Politiker ein allmorgend­liches Ritual. Er schneidet in der Küche einen Apfel in kleine Stückchen, die er mit der Hand isst. Quasi die Speise der Tyrannen.

Die Gabel kommt zum Besteck durch einen Transfer vom Adel zum Plebs?

Alle Schichten, die irgendwann mal versucht haben, die vorher herrschend­en Schichten abzusägen, haben ja zum großen Teil auch deren Sitten und Gebräuche übernommen. Das findet sich betrüblich­erweise bis hin zu den etwas kleinbürge­rlichen Kunstvorst­ellungen im Realsozial­ismus. Aber Fleisch gab es jede Menge, was früher ein Festtagses­sen war.

Nächstes Jahr wird in der EU das Plastikbes­teck verboten.

Zum Glück. Es vermüllt die Umwelt und ist praktisch nicht zu gebrauchen. Entweder bricht dir das Messer ab oder die Gabel, oder das Essen fliegt weg.

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