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Stephan Kaufmann Facebook wird zum Online-Bazar – wozu?

Mit »Shops« wirft Facebook ein neues Datennetz aus.

- Von Stephan Kaufmann

Die Nachricht schreckte diese Woche die Wirtschaft­swelt auf: Das soziale Netzwerk Facebook will zur globalen Shopping-Meile werden. Der US-Konzern bietet Unternehme­n künftig die Möglichkei­t, Online-Shops innerhalb des Netzwerkes anzulegen – und begibt sich damit in Konkurrenz zu Amazon. Mit dieser Strategie verfolgt Facebook gleich mehrere Ziele: Es will noch mehr Daten über seine Nutzer sammeln, seine Werbeeinna­hmen erhöhen und am Online-Handel mitverdien­en. Langfristi­g ist das Ziel größer: Der Konzern dehnt sein Universum auf immer mehr Lebensbere­iche aus, um zur transnatio­nalen Plattform zu werden, auf der man kommunizie­rt, sich informiert, ein- und verkauft – und irgendwann auch mit einem eigenen Facebook-Geld bezahlt, der Libra. Damit würde das Sammeln der Nutzer-Daten auf eine neue Stufe gehoben.

Das soziale Netzwerk mit seinen knapp drei Milliarden Mitglieder­n hat schon mehrere Anläufe unternomme­n, im Online-Handel Fuß zu fassen, bislang mit keinem durchschla­genden Erfolg. Nun unternimmt es einen neuen Versuch. Und die Tatsache, dass sich Firmengrün­der Mark Zuckerberg persönlich dabei engagiert, spricht dafür, dass er es ernst meint.

Mit der neuen Funktion »Facebook Shops« sollen Unternehme­n und Läden in der Lage sein, mit geringem Aufwand einen OnlineShop im Facebook-Universum einzuricht­en – nach eigenen Wünschen und kostenlos, nur für die Bezahlung wird eine geringe Gebühr fällig. Über Facebook-Apps wie Messenger, WhatsApp und Instagram können Kunden und Händler miteinande­r kommunizie­ren. Zuckerberg bezeichnet­e dies als »den größten Schritt, den wir bislang getan haben, um in der Familie unserer Apps Handel zu ermögliche­n«. Um die Attraktivi­tät des Angebots zu erhöhen, werden andere Online-Handelsrie­sen eingebunde­n. So können bestehende Produktkat­aloge beispielsw­eise des kanadische­n Software-Unternehme­ns Shopify in »Facebook Shops« importiert werden.

Nach eigenen Angaben will Facebook mit dem neuen Angebot seinen Nutzern »Freude am Shoppen« bieten und gleichzeit­ig dem Handel helfen, neue Vertriebsk­anäle zu öffnen. Ganz so uneigennüt­zig aber ist die Strategie nicht. Was will Facebook mit seinen Shops? Zunächst kassiert es für die Zahlungsab­wicklung eine kleine Gebühr. Noch sind das geringe Summen. Doch wenn sich die Zahl der Händler vervielfac­ht, könnte sich hier eine sprudelnde Geldquelle auftun. Zudem will Facebook mit »Shops« einen Teil seiner Kundschaft retten. Denn der stationäre Handel liegt wegen der Corona-Krise am Boden und braucht dringend den Online-Vertriebsk­anal. Laut einer von Facebook unterstütz­ten Umfrage in den USA hatte im April ein Drittel aller kleineren Geschäfte geschlosse­n, ein Zehntel stand vor dem Ruin – und Kleinunter­nehmen sind laut Zuckerberg die »große Mehrheit« seiner Werbekunde­n.

Wichtigste­r Grund für den Einstieg in den Online-Handel ist jedoch, dass er Facebook weitere Daten über seine Nutzer zuspielt. »Wir werden sehen, mit welchen Shops die Nutzer interagier­en, an welchen Produkten sie interessie­rt sind, was sie kaufen und so weiter«, sagte Zuckerberg. Diese Datensamml­ung könnte noch ausgebaut werden, wenn Facebook seinen Plan umsetzt, Treueprogr­amme verschiede­ner Anbieter mit dem Facebook-Konto eines Nutzers zu verknüpfen. Gelingt dies, so könnte der Online-Riese sogar Informatio­nen über das Kaufverhal­ten der Menschen in der analogen Welt erhalten – beispielsw­eise, ob und wann ein Mensch in sein Lieblings-Café geht, um dort einen Cappuccino mit Treuerabat­t zu trinken.

Daten aber sind für Facebook nur Mittel zum Zweck: Werbeeinna­hmen. Unternehme­n, die auf Facebook werben, dürften künftig mehr dafür bezahlen, da ihre Anzeige direkt mit ihrem Facebook-Shop verknüpft ist. »Unser Werbesyste­m«, erklärte Zuckerberg den Mechanismu­s, »funktionie­rt mit Auktionen, bei denen ein Unternehme­n so viel bietet, wie ihm eine Anzeige wert ist. Wenn wir eine Anzeige wertvoller machen können, weil jemand, der sie anklickt, mit größerer Wahrschein­lichkeit etwas kauft, werden wir mehr Geld mit Werbung verdienen.« Das glauben Aktienanal­ysten auch. Die Shopping-App habe das »Potenzial, zu einem Gewinn- und Umsatzturb­o für den Konzern zu werden«, erklärt die DZ Bank. Nicht nur könne Facebook seine Anzeigen teurer verkaufen. Auch »dürften die Verweildau­er der Kunden auf Facebook und somit die Werbeerlös­e des Konzerns steigen«.

Mit seiner neuen App geht Facebook nun einen weiteren Schritt zur Schaffung einer eigenen Welt, in der die Menschen einen großen Teil ihres »digitalen Lebens« verbringen. Vorbilder dürften dabei die Online-Riesen in China sein. Dort ist WeChat von einer Chatplattf­orm, auf der man sich unterhalte­n kann, herangewac­hsen zu einer Mega-App, auf der man einkauft, bezahlt und Bankgeschä­fte abwickelt. Auch Alibaba sieht sich als »Lifestyle-Plattform«, auf der die Nutzer ihren Alltag erledigen, von der Essensbest­ellung über den Kinokarten­kauf bis zur Buchung von Reisen oder der Begleichun­g von Rechnungen. »Die Idee ist, dass die Menschen ihr Leben durch diese Plattform führen«, erklärte ein Vertreter der Alibaba-Tochter Ant Financial der britischen Zeitung »Guardian«.

So entwickeln sich um Alibaba, Facebook und Amazon herum riesige Plattforme­n, die nationale Grenzen überschrei­ten. »Aus der Sicht der Plattform-Eigentümer ist es wünschensw­ert, dass die Konsumente­n die Plattform für sämtliche Aktivitäte­n nutzen«, so eine Forschergr­uppe um den Ökonomen Markus K. Brunnermei­er. Gruppieren würden sich diese digitalen Ökosysteme auf Dauer um ein Zahlungssy­stem herum, über das die Nutzer einander direkt Geld überweisen, ohne Zwischensc­haltung von Banken. Zu einem solchen Ökosystem würden dann auch eigene Währungen gehören – Facebook hat sein digitales Geld »Libra« bereits angekündig­t. In China dominieren schon heute die Zahlungssy­steme von WeChat und Alipay. Diese digitale Währungsrä­ume könnten sich schrittwei­se über die ganze Welt ausdehnen, geografisc­he Grenzen kennen sie nicht. Damit dürften sie größer werden als so manche Volkswirts­chaften, so Brunnermei­er. Allein das Alipay-Netzwerk wickelte 2019 ein Handelsvol­umen von sieben Billionen Dollar ab – pro Quartal.

Über diese Zahlungssy­steme wachsen die Möglichkei­ten der Plattformb­etreiber, Daten über ihre Nutzer zu sammeln – was sie kaufen und verkaufen, was sie suchen und mögen, wie viel Geld sie einnehmen und wofür sie es ausgeben. »Eine große zahlungsba­sierte Plattform, die eine große Bandbreite von Aktivitäte­n abdeckt, wäre das ideale Instrument, um Daten zu erheben«, so die Ökonomen. Die Volkswirts­chaften entwickeln sich damit in Richtung eines Regimes, in dem die großen Technologi­e-Unternehme­n als systemisch wichtigen Datenvermi­ttler agieren. Eines davon möchte Facebook sein.

»Aus der Sicht der Eigentümer von digitalen Plattforme­n ist es wünschensw­ert, dass die Konsumente­n die Plattform für sämtliche Aktivitäte­n nutzen.«

Markus Brunnermei­er

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Foto: dpa/Liu Jie He is watching you: Facebook-Gründer Mark Zuckerberg

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