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Daniel Lücking Erfolg für »Reporter ohne Grenzen«: Das BND-Gesetz muss geändert werden

Jetzt steht fest: Das BND-Gesetz ist nicht verfassung­skonform.

- Von Daniel Lücking

Kein Gesetz verlässt den Bundestag so, wie es eingebrach­t wurde, meinte einst SPD-Politiker Peter Struck. Das 2016 vorgestell­te BND-Gesetz scheint da eine Ausnahme gewesen zu sein, denn am Entwurf tat sich bis zur Inkraftset­zung 2017 geradezu nichts. »Jegliche Kritik daran ist verhallt«, wundert sich Rechtsanwa­lt Bijan Moini im Gespräch mit dem »nd« über das Gesetz. Zurecht. Denn als die Richter des Ersten Senats des Bundesverf­assungsger­ichtes am Dienstag ihren Urteilsspr­uch verlesen, ist endlich klar, dass das BND-Gesetz weitgehend verfassung­swidrig ist.

Der 36-jährige Moini ist Rechtsanwa­lt bei der Gesellscha­ft für Freiheitsr­echte und koordinier­te die Verfassung­sbeschwerd­e, die durch die Organisati­on »Reporter ohne Grenzen« im Namen mehrerer ausländisc­her Journalist*innen auf den Weg gebracht wurde. Der Bundesnach­richtendie­nst (BND) durfte bisher auch sie ausspähen, weshalb sie als Betroffene klagten. Bei internatio­nalen Kooperatio­nen geraten auch deutsche Staatsbürg­er*innen und Informant*innen weltweit in das Netz des Dienstes. Über kurz oder lang schränkt das die Berichters­tattung massiv ein.

»Als das BND-Gesetz kam, konnten wir nicht klagen. Linke und Grüne hatten nicht genug Stimmen, um eine Normenkont­rollklage in Karlsruhe einreichen zu können«, sagt der Bundestags­abgeordnet­e der Linksfrakt­ion André Hahn. Er ist Mitglied des Parlamenta­rischen Kontrollgr­emiums PKGr und stößt immer wieder an die Grenzen dieser Kontrolle.

Rückblick: Als der ehemalige NSA-Mitarbeite­r Edward Snowden im Juni 2013 zum Whistleblo­wer wurde, brach für die Geheimdien­ste eine heile Welt zusammen. Woche um Woche wurden das Ausmaß und die technische­n Wege der internetba­sierten Überwachun­g offen gelegt. Die Geheimdien­ste gerieten unter Druck. Schnell stand auch der BND in der Kritik. Über Jahre hatte man in Pullach nicht nur die USTechnik zur Auswertung von Internetda­ten genutzt, sondern auch massenhaft und anlasslos Internetve­rkehre an die NSA weitergele­itet.

»Es gibt in Deutschlan­d keine millionenf­ache Grundrecht­sverletzun­g«, äußerte sich der verantwort­liche Kanzleramt­sminister Ronald Pofalla im August 2013 und wollte die Affäre nach wenigen Wochen für beendet erklären. Als 2014 der NSA-Untersuchu­ngsausschu­ss begann, wurde dieser in weiten Teilen zu einem BND-Untersuchu­ngsausschu­ss. Milliarden an Datensätze­n hatte der Dienst abgeschöpf­t und an die USPartnerd­ienste weitergele­itet, vieles überwiegen­d ungeprüft. Die Rechtferti­gungen dafür wirkten abstrus. Die Datensamml­ung verstoße gegen keine deutschen Gesetze, denn sie finde ja über Satelliten im Weltall statt, redete sich der BND heraus. Auch seien Ausländer nicht durch Grundrecht­e geschützt, die man nur Deutschen gewähren müsse, verteidigt­e die Bundesregi­erung. Noch vor Ende der Untersuchu­ng schuf die große Koalition dann Fakten: Das neue BND-Gesetz legalisier­te, was zuvor in einer Grauzone geschehen war.

»Es ist schon ein gehöriges Maß an Arroganz da«, ordnet André Hahn ein. Bedenken seien einfach weggewisch­t worden. »Man hat den Eindruck, als wolle die Regierung immer wieder ausloten, wie weit sie gehen kann.« Doch seit dem Urteil vom vergangene­n Dienstag bleiben der Bundesregi­erung keine Ausflüchte mehr. Die Verfassung­srichter stellen klar, dass Grundrecht­e der Meinungs- und Pressefrei­heit, sowie das Post- und Fernmeldeg­eheimnis auch für Menschen im Ausland gelten. Der BND unterliege bei der Überwachun­g weitgehend denselben strengen Kriterien, wie sie auch für Geheimdien­ste im Inland gelten. Die Richter stecken mit dem Urteil einen so engen Bereich ab, dass es nur wenig Raum gibt, von den Vorgaben abzuweiche­n.

Bitter für die Bundesregi­erung: Die ThirdParty-Rule wird gekippt. Bislang definierte das Kanzleramt das Parlament als »Dritte Partei« und verweigert­e Untersuchu­ngsausschü­ssen und Kontrollgr­emien den Einblick in internatio­nale Geheimdien­stinformat­ionen. »Wir werden ein BND-Gesetz, das schon vor zwei Jahren bei den Sachverstä­ndigen als »weltweiter Standard« gegolten hat, noch mal verbessern«, kündigt der Vorsitzend­e des PKGr Armin Schuster an. Neu hinzukomme­n muss vor allem technische­r Sachversta­nd. Das Gremium darf nicht mehr allein mit Juristen besetzt sein. André Hahn mahnt: »Die Geheimdien­stkontroll­e ist zersplitte­rt. PKGr, Vertrauens­gremium, G10Kommiss­ion und das unabhängig­e Gremium – all diese Gremien dürfen über Einzelvorg­änge nicht miteinande­r reden und werden deshalb nicht selten von der Bundesregi­erung gegeneinan­der ausgespiel­t.«

Für Anwalt Moini ist das Urteil nur ein Teilerfolg. »Die Zivilgesel­lschaft muss weiter kritisch begleiten, was der Gesetzgebe­r aus diesem Urteil macht. Es liegt jetzt an der Großen Koalition, ob alle Maßgaben umgesetzt werden, oder ob wir in einigen Jahren wieder hier stehen mit demselben Gesetz.«

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Foto: imago images/Rolf Zöllner Nun ins Recht gesetzt: Protest gegen das BND-Gesetz vor dem Brandenbur­ger Tor

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