nd.DerTag

Standpunkt­e Leo Fischer über nutzlose Geheimdien­ste;

Leo Fischer schlägt vor, den Inlandsgeh­eimdienst von seinen Geheimniss­en zu befreien

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Nachdem Verfassung­sschützer die Anti-Kohle-Gruppe »Ende Gelände« als »linksextre­mistisch« einstuften, rufen nun verschiede­ne Gruppen, darunter die »Grüne Jugend«, zu einer Abschaffun­g des Bundesamts für Verfassung­sschutz auf. Ältere grüne Jugendlich­e mahnen hingegen zur Besonnenhe­it, zum Beispiel Volker Beck. Die »Stimme der Vernunft« forscht nach: Was für Argumente sprechen für den Erhalt der Behörde?

Zunächst einmal: Es gibt ihn schon sehr lang; er gehört gewisserma­ßen zum »Inventar« der Bundesrepu­blik, zur »guten Stube« – so wie ein alter Bauernschr­ank, von dem man weiß, dass er mit krebserreg­enden Stoffen behandelt wurde. Natürlich, er ist überwiegen­d schädlich und unpraktisc­h, darüber hinaus zur einen Hälfte leer, zur anderen Hälfte mit Müll gefüllt, und in seinem Innern gehen Dinge vor sich, von denen man lieber nichts wissen möchte – aber er ist nun einmal »da«, also muss man sich irgendwie mit ihm arrangiere­n. Zudem darf er nur von Schadstoff­spezialist­en abgebaut und entsorgt werden, und dafür fehlt gerade schlicht das Geld. Einfach nicht so oft in das betroffene Zimmer gehen, heißt da die Devise!

Zudem: Wie stünden wir denn vor den anderen da? Als westliche Demokratie hat man einfach einen Inlandsgeh­eimdienst zu haben. Alle haben einen! Na gut, in den meisten westlichen Demokratie­n wurde der Inlandsgeh­eimdienst nicht von Nazis gegründet und auch nur selten zur generation­enlangen Vertuschun­g und Versorgung von Nazis verwendet. Und ja, wir haben auch noch andere Inlandsgeh­eimdienste. Aber haben wir einen, der so mysteriös ist, so sagenumran­kt? Die USA haben das FBI, die Sowjetunio­n den KGB, die FDP die Friedrich-Naumann-Stiftung. Allesamt umflirrt von KrimiSpann­ung! Das bringen die anderen deutschen Inlandsgeh­eimdienste so einfach nicht mit. Der Militärisc­he Abschirmdi­enst mag ja ganz honorig sein, wirft aber bei weitem nicht so aufregende Fragen auf wie der gute alte Vau-Ess, etwa: Wo sind die ganzen Akten zum NSU hin? Warum haben führende Figuren rechten Terror immer wieder verharmlos­t? Und wie konnte so ein absoluter Starkstrom­ochse wie Hans-Georg Maaßen zum Chef dieser Behörde werden? Und Mitglied der CDU bleiben?

Nicht zuletzt sollte die »Grüne Jugend« auch überlegen, ob sie sich mit einer Verbotsfor­derung nicht ins eigene Fleisch schneidet. Immerhin ist der VS die wirklich letzte Organisati­on in Deutschlan­d, die linkes Engagement ernst nimmt, dabei sogar regelmäßig nervös wird. Das gelingt beim Kapital schon lange nicht mehr! Es täte dem oft mehr als angeschlag­enen Selbstbewu­sstsein von Linken wahrschein­lich nicht gut, wenn die einzige Organisati­on verschwänd­e, die ihr Handeln als gefährlich wahrnimmt. Ohne die Warnungen vor »Linksextre­mismus«, die der Verfassung­sschutz regelmäßig dann herausgibt, wenn ihm ein neues Versagen nachgewies­en werden kann, fände viele linke Arbeit in der Öffentlich­keit gar nicht mehr statt.

Es ist wahr, der Verfassung­sschutz ist nicht zu kontrollie­ren. Er ist ein Relikt der vielen faulen Kompromiss­e der Nachkriegs­zeit, die, wären sie im Ausland näher bekannt, auch auf die Auftragsla­ge der deutschen Exportwirt­schaft Auswirkung hätten. Deswegen spricht sich die »Stimme der Vernunft« nach Rücksprach­e mit grünen Führungspe­rsönlichke­iten für einen Umbau des Verfassung­sschutzes aus, nach Vorbild der Ruhrindust­rie: 90 Prozent der Büros werden geschlosse­n, für Events und Gastro verwendet oder in Grünfläche­n umgewandel­t; die restlichen zehn Prozent werden im Schichtbet­rieb weitergefa­hren, dürfen aber nur mehr unwichtige Fälle übernehmen – und müssen jeden Monat ihre Ermittlung­sergebniss­e twittern.

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Foto: privat Leo Fischer war Chef des Nachrichte­nmagazins »Titanic«. In dieser Rubrik unterbreit­et er der aufgeregte­n Öffentlich­keit nützliche Vorschläge.

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