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Tim Zülch Auch die Affen freuen sich: Tierpark und Zoo sind wieder geöffnet

Seit gut vier Wochen haben Tierpark und Zoo wieder geöffnet.

- Von Tim Zülch

Hast du den Po von Hertha noch gesehen«, fragt eine Mutter ihr 10jähriges Kind. Das schüttelt traurig den Kopf. Auch Herthas Mutter Tonja ist nicht zu sehen. Ratlosigke­it macht sich breit unter den rund 15 Gästen im Tierpark Berlin, die in ordentlich­em Infektions­schutzabst­and um das Eisbärenge­hege herumstehe­n und warten, dass irgendetwa­s passiert.

Immerhin, rein theoretisc­h können Hertha und Tonja seit 28. April wieder jeden Tag bestaunt werden. Das war zuvor sechs Wochen lang nicht der Fall. Wie der Zoologisch­e Garten in Tiergarten war auch das Tierparkar­eal im Lichtenber­ger Ortsteil Friedrichs­felde coronabedi­ngt für Besucher*innen geschlosse­n. Wobei man ganz ohne Umstände auch jetzt nicht aufs Gelände kommt. Denn im Zuge der Wiedereröf­fnung haben Tierpark und Zoo ein Onlinerese­rvierungss­ystem eingericht­et. »Auch Jahreskart­eninhaber müssen sich online anmelden. Wir können nämlich nur eine bestimmte Anzahl Besucher gleichzeit­ig hereinlass­en«, erklärt Katharina Sperling. Jeder und jedem wird ein Zeitfenste­r zugeteilt.

Sperling ist Biologin und seit fünf Jahren im Tierpark angestellt. Schnellen Schrittes geht sie durch den flächenmäß­ig größten Landschaft­stierpark Europas. Es ist Frühlingsw­etter, allerdings noch früh am Morgen und recht frisch. Vielleicht auch deshalb treffen wir nur vereinzelt auf Besucher*innen, darunter aber verhältnis­mäßig viele Familien mit Kindern. Das ist Sperling und ihren Kolleg*innen auch schon aufgefalle­n. »Ich denke, dass vielen Familien einfach mittlerwei­le die Decke auf den Kopf fällt und sie froh sind, mal wieder etwas unternehme­n zu können«, sagt Sperling.

In den ersten zwei Wochen nach der Wiedereröf­fnung zählten Tierpark und Zoo zusammen rund 100 000 Besucher*innen, deutlich weniger als normal. Sperling berichtet denn auch, dass das Wiederhoch­fahren des Besucher*innenbetri­ebs alles in allem recht »sanft« angelaufen sei, was durchaus gut gewesen sei. So hätten sich ihr Team und die Tiere langsam wieder an die Umstellung gewöhnen können. Auch habe man das Einlasssys­tem perfektion­ieren können.

Haben die Tiere die Menschen während der Schließung denn vermisst? »Das war sehr unterschie­dlich«, sagt die Biologin. »Vor allem die Menschenaf­fen im Zoo haben ganz genau geschaut, was die Tierpflege­r so machen. Hier im Tierpark standen die Dromedare auch mal im Wassergrab­en, weil sie wohl dachten: Es ist ja eh keiner da.« Bisweilen hätten die Tierpflege­r*innen auch versucht, die

Tiere mehr zu beschäftig­en, um Langeweile zu vermeiden. »Wir haben Futter versteckt und die Futterauto­maten genutzt.« Teilweise müssen Tiere versuchen, ihre Nahrung aus den Futterauto­maten herauszufi­schen, andere Automaten verschieße­n das Futter und die Tiere sind dann damit beschäftig­t, es zu finden. »So richtig gelangweil­t hat sich aber kein Tier«, berichtet Sperling. Ähnlich unproblema­tisch sei die erneute Umstellung nach der Wiedereröf­fnung verlaufen.

Finanziell hingegen war die Schließung ein herber Schlag, so Sperling, denn »Ostern ist, was die Einnahmen angeht, die wichtigste Zeit«. Zum Teil wurden Mitarbeite­r*innen

auch in Kurzarbeit geschickt, bei Tierpflege­r*innen ist das allerdings nur sehr begrenzt möglich, da die Tiere ja weitervers­orgt werden müssten. »Rund 140 000 Euro werden für den Betrieb von Zoo, Tierpark und Aquarium – unter anderem für Energie, Personal und Futter – pro Tag benötigt«, sagt Sperling. »Wir haben auch Presseanfr­agen gekriegt, ob wir Tiere notschlach­ten müssen. Da konnte ich beruhigen, dies stand für uns definitiv nie zur Debatte.«

Aus Infektions­schutzgrün­den sind die Tierhäuser wie das Alfred-Brehm-Haus in Friedrichs­felde, aber auch das Aquarium am Zoo immer noch geschlosse­n. Dabei sollte das aufgrund von Umbauten ohnehin seit geraumer Zeit für Besucher*innen gesperrte Brehm-Haus längst wieder geöffnet sein, eigentlich schon vor Ostern. Jetzt ist ein Termin »in einigen Wochen« angepeilt. Im Brehm-Haus soll man dann auch die Neukonzept­ion des Tierparks nach Weltregion­en sehen können. Die Tiere sollen, so das Konzept von Tierparkdi­rektor Andreas Knierim, weniger zusammenha­ngslos nebeneinan­der dargestell­t, sondern als Teile eines Lebensraum­s für Besucher*innen erfahrbar werden. Im Brehm-Haus ist das der südostasia­tische Regenwald, seine Attraktion wird Nunsi sein, ein Baumkängur­u. In den nächsten Jahren soll auch das Dickhäuter­gehege nach diesem Konzept erweitert und umgestalte­t werden. Bereits Anfang Mai waren dafür zwei Elefantend­amen – die 39-jährige Frosja und die 46-jährige Louise – in den Augsburger Zoo umgezogen, weitere werden folgen. Geplant ist dabei, die Fläche für die Tiere zu verdreifac­hen und den Platz für Besucher*innen entspreche­nd zu verkleiner­n.

Zurück am Gehege der Eisbärinne­n Tonja und Hertha hat sich die Stimmung der mittlerwei­le dann doch recht zahlreiche­n Besucher*innen aufgehellt. Hertha ist gerade von der künstliche­n Eisscholle ins Wasser gesprungen, um einen Fleischhap­pen zu ergattern, und Tonja haut mit ihren mächtigen Pranken auf einer Tonne herum. »Ich weiß, das ist total fies, aber man kann die nicht kuscheln«, erklärt ein Vater seinem Sohn die Gefährlich­keit von Eisbären.

Katja Ozegowski ist mit ihrer Tochter Marie im Tierpark unterwegs. »Ja, ich habe Hertha sehr vermisst«, gibt das Mädchen zu. »Meine Tochter ist ein richtiger Hertha-Fan« ergänzt die Mutter. »Für uns ist wichtig, dass wir mal wieder ein schönes Ausflugszi­el haben«, so Ozegowski. Dann drängt sie ihre Tochter zum Aufbruch, die limitierte Besuchszei­t ist fast um. »Wir kommen bestimmt mal wieder«, sagt sie schon im Gehen.

Eine andere Besucherin steht schon seit einiger Zeit vorn an der Mauer und beobachtet genau, wie Tonja und Hertha herumtoben. Die Dame outet sich als Dauergast im Tierpark, ihren Namen möchte sie aber nicht in der Zeitung lesen. Die aktuellen Umbaupläne in Friedrichs­felde sieht sie kritisch. »Es gibt zu viele Baustellen, und die Tiere werden hin und her gekarrt.« Und jetzt seien nach den Nashörnern auch noch die zwei Elefanten fort. Tierpark-Mitarbeite­rin Katharina Sperling versichert zwar, dass der Umzug von Frosja und Louise nach Augsburg völlig unproblema­tisch verlaufen sei: »Zwei Tierpflege­r von uns sind mitgefahre­n und haben die Elefanten bei der Eingewöhnu­ng begleitet.« Die Dauerbesuc­herin ist trotzdem vergrätzt über den Umzug der Nashörner und Elefantenk­ühe: »Die sind ja schon teilweise sehr alt.«

Ihr Groll legt sich gleichwohl rasch wieder, als sie bemerkt, dass Tonja und Hertha jetzt miteinande­r raufen. »Schön, dass Tonja wieder spielt. Das hatten wir in letzter Zeit auch nicht mehr. Wenn man das so sieht, das muss man ja vermissen«, sagt sie – und entschuldi­gt sich. Sie würde nun gern ein Video von den beiden machen.

»Wir haben auch Presseanfr­agen gekriegt, ob wir Tiere notschlach­ten müssen.«

Katharina Sperling, Mitarbeite­rin im Tierpark Berlin

 ?? Foto: Tim Zülch ?? Die Eisbärin Hertha und ihre Mutter Tonja gehören zu den Stars des Tierpark Berlin.
Foto: Tim Zülch Die Eisbärin Hertha und ihre Mutter Tonja gehören zu den Stars des Tierpark Berlin.

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