nd.DerTag

Andreas Fritsche besucht Wam Kat – ein Koch, der Demonstran­ten versorgt

Wam Kat und seine Flämig Kitchen versorgen Demonstran­ten. Jetzt geht das nicht.

- Von Andreas Fritsche

Rund sechs Kilometer von Bad Belzig entfernt befindet sich mitten im Wald der geografisc­he Mittelpunk­t der DDR. Ein Team der Fernsehsen­dung »Außenseite­r – Spitzenrei­ter« hatte ihn 1974 markiert. Am 7. Oktober, zum Tag der Republik, kommen jedes Jahr etliche Menschen an diesen Ort. In der nahen Siedlung Weitzgrund stehen lediglich fünf Häuser. Kein einziger der zehn Bewohner ist in der DDR geboren, auch nicht der Niederländ­er Wam Kat. Mit seiner Freundin Ramona lebt der 63-Jährige in der ehemaligen Dorfkneipe »Jagdhaus«.

In Holzschuhe­n ist er an den Zaun gekommen. Normalerwe­ise versorgen er und seine Mitstreite­r mit ihrer mobilen Küche, der Fläming Kitchen, die Teilnehmer von Demonstrat­ionen und anderen Großereign­issen. Doch wegen der Coronakris­e gibt es die im Moment nicht. Wam Kat hat deshalb Zeit, mehr Zeit, als ihm lieb ist. 22 Termine sind ausgefalle­n oder verschoben worden, darunter allein drei Kundgebung­en der Umweltgrup­pe Extinction Rebellion und außerdem Jugendthea­ter- und Filmfestiv­als, für die er gebucht war. Insgesamt rund 150 000 Euro Einnahmen gehen deshalb verloren.

Auch wenn die vom Netzwerk Nachhaltig­keit betriebene Fläming Kitchen auf Sparflamme läuft, lassen sich fixe Kosten von 3000 Euro im Monat nicht vermeiden. Er selbst erhalte als einziger Festangest­ellter 451 Euro im Monat, berichtet Kat. Unfallvers­icherungen müssen bezahlt werden für die drei Fahrzeuge und für die Köche – »selbst wenn das ein bisschen komisch klingt für jemanden, der aus der anarchisti­schen Ecke kommt«, schmunzelt der 63-Jährige. Außerdem überweist das Netzwerk monatlich mindestens 500 Euro nach Sarajevo, wo sich Einheimisc­he und internatio­nale Freiwillig­e um Flüchtling­e kümmern, die wegen der Schließung der EU-Außengrenz­e auf der Balkanrout­e in Bosnien-Herzegowin­a feststecke­n. Das Einlagern der Lebensmitt­el ist auch nicht umsonst. Überdies drohen einige der Zutaten zu verderben, wenn es nicht bald wieder losgeht.

Zwar liegen von alten Bekannten aus der Umwelt- und Friedensbe­wegung Anfragen vor, bei den Hygiene-Demonstrat­ionen zu kochen. Dort will Wam Kat aber auf keinen Fall hin. Diese Demonstrat­ionen sind in Verruf, weil dort neben diversen Spinnern viele Rechtsextr­emisten herumlaufe­n. Kat versichert, diejenigen, die ihn gefragt haben, seien ganz sicher keine Neonazis. Dass sie aber plötzlich krude Verschwöru­ngstheorie­n vertreten, das irritiert ihn. Dass er gefragt wurde, sei nicht überrasche­nd. Es gebe nicht so viele Anbieter, die das logistisch hinbekomme­n. Selbst von Pegida sei er früher gefragt worden – zwar nicht von den Organisato­ren aus Dresden, aber von welchen aus anderen Orten. Da hat Wam Kat auch abgelehnt.

Losgegange­n ist es mit der ersten mobilen Küche 1980. Damals wollten 15 000 Aktivisten eine Woche lang das niederländ­ische Atomkraftw­erk Dodewaard besetzen oder zumindest blockieren. An alles war vorher gedacht, nur nicht daran, dass es im Dorf lediglich einen Imbiss gab, der maximal 600 Kunden hätte beköstigen können. Da meldete sich Kats Studentenk­ollektiv Rampenplan, das bis dahin beispielsw­eise einen Buchladen mit Café betreute und eine Theatertru­ppe hatte. »Wir werden vegetarisc­h und vegan kochen, habe ich versproche­n«, erzählt Kat. »Was vegan ist, musste ich seinerzeit noch erklären.«

Mit von den Pfadfinder­n unter einem Vorwand geborgten Kesseln ging es los. Doch keiner der Studenten war als Koch ausgebilde­t und hatte eine Ahnung, was es bedeutet, Speisen in derartiger Menge zuzubereit­en. »Es war das schlimmste Essen, das wir je gekocht haben«, erinnert sich Kat. »Es hatte keinen Geschmack, es war teilweise verbrannt. Das Beste, was sich darüber sagen lässt: Es war warm.« Die Menschen seien aber zufrieden gewesen, überhaupt etwas zu bekommen. Trotzdem habe sich Rampenplan hinterher geschworen: »Das machen wir nie wieder.« Doch drei Wochen später kam ein Anruf aus Frankfurt am Main, wo am Flughafen 5000 Menschen gegen den

Bau der Startbahn West protestier­ten. Man hatte gehört, Rampenplan bringe es fertig, für 5000 und mehr Personen zu kochen. »Wir mussten helfen.«

Die mobile Küche von Rampenplan ist bis heute auf Achse, gegenwärti­g wird auf der griechisch­en Insel Moria für Flüchtling­e gekocht. Eine Frau aus dem Gründungst­eam – die jüngste damals – sei noch dabei, berichtet Kat. Ein Gründungsm­itglied sei leider am Coronaviru­s gestorben.

Wam Kat selbst wollte eigentlich nicht mehr kochen. Doch vor zehn Jahren drehte ein Freund einen Dokumentar­film darüber, dass die Hälfte des in Europa erzeugten Gemüses weggeworfe­n statt verzehrt wird. Um Werbung für den Streifen zu machen, kochte Kat bei den Aufführung­en in verschiede­nen Orten Gemüse, das sonst im Müll gelandet wäre. So startete die Fläming Kitchen. Es gibt eine Liste mit 100 Adressen von Personen, die bei Bedarf zur Küche dazustoßen. Bisher hatten noch immer genug von ihnen Zeit dafür. Da drei Transporte­r bereit stehen, können sie sich auf mehrere Veranstalt­ungen verteilen. Bei Großeinsät­zen mieten sie sich bis zu vier oder fünf Lastwagen. Doch durch die Coronakris­e steckt das Projekt in finanziell­en Schwierigk­eiten. Da keine Firma, sondern mit dem Netzwerk Nachhaltig­keit ein Verein dahinter steht, könne keine Nothilfe von der Investitio­nsbank des Landes Brandenbur­g beantragt werden, erklärt Kat. Die Hoffnung hat er aber nicht verloren. Nach einem Spendenauf­ruf auf der Internetpl­attform betterplac­e.org gingen knapp 10 000 Euro ein.

https://www.betterplac­e.org/de/projects/78352

 ?? Foto: nd/Ulli Winkler ?? Wam Kat wartet an einem mit Kochutensi­lien beladenen Fahrzeug auf seinen nächsten Einsatz, der hoffentlic­h bald kommt.
Foto: nd/Ulli Winkler Wam Kat wartet an einem mit Kochutensi­lien beladenen Fahrzeug auf seinen nächsten Einsatz, der hoffentlic­h bald kommt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany