Ramelow bleibt bei Corona-Kurswechsel
Allgemeinverordnungen sollen fallen, entschieden ist aber noch nichts
Erfurt. Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow hat sich erneut dafür ausgesprochen, die bisher geltenden Corona-Beschränkungen als landesweit geltende Vorschriften weitgehend aufzuheben. Der Freistaat wolle schrittweise aus dem »Krisenmodus in den Regelmodus übergehen«, sagte der Linke-Politiker am Dienstag in Erfurt. Das gelte auch für Schulen und Kitas nach den Sommerferien, wenn der Landtag das Geld für ausreichende Tests auf das Coronavirus freigebe. Ramelow hatte seine Vorschläge zuvor seinem rot-rot-grünen Kabinett vorgestellt. Entscheidungen darüber sollen in einer Woche getroffen werden.
Ramelow betonte, die Aufrechterhaltung der bisherigen Allgemeinverfügungen des Landes wäre nur mit einer hohen Zahl an Neuinfektionen zu rechtfertigen. Nach Zahlen der Erfurter Staatskanzlei lag diese zuletzt landesweit bei 5,8 pro 100 000 Einwohner innerhalb einer Woche. Ramelow sagte, auch in Thüringen solle im Nahverkehr weiter ein Mund-Nase-Schutz getragen werden. Ob das auch für alle Geschäfte gelten müsse, daran habe er jedoch Zweifel, so Ramelow. Ein Abstandsgebot von 1,5 Metern zwischen Personen in der Öffentlichkeit soll beibehalten werden. Ob es ein Ende der Kontaktbeschränkungen im Privatbereich geben soll, ließ Ramelow offen. Das Verbot von Großveranstaltungen gilt weiter bis Ende August.
Bodo Ramelow hat recht, wenn er für Thüringen eine Regionalisierung von Corona-Beschränkungen verlangt, findet Jana Frielinghaus
Angesichts wutschnaubender Reaktionen auf Bodo Ramelows Forderung nach deutlicher Lockerung der Einschränkungen des öffentlichen Lebens in Thüringen muss daran erinnert werden: Solche Einschränkungen müssen laut Verfassung der Bundesrepublik sehr gut begründet sein und dürfen nur so lange aufrecht erhalten werden, wie dies aus epidemiologischer Sicht geboten ist. Denn es geht um Grundrechte wie das auf Versammlungsfreiheit, aber auch um Artikel eins der deutschen Verfassung: Die Würde zum Beispiel in Pflegeheimen vereinsamender Menschen und um die Gesundheit derer, bei denen nötige Operationen verschoben wurden.
Die Covid-19-Infektionszahlen sind im Freistaat wie auch in den anderen ostdeutschen Bundesländern derart gering, dass weitgehende Demoverbote, Notbetreuung in Kitas und extrem reduzierter Schulunterricht auf den Prüfstand gehören. Und geprüft wird ja nicht nur in Thüringen und im Osten, sondern auch in Bundesländern, in denen es weitaus mehr CoronaFälle gibt. Deshalb ist es perfide, wenn Politiker wie Karl Lauterbach Ramelow ein Einknicken vor rechten »Aluhüten« vorwerfen oder wie Bayerns Innenminister wieder einmal suggerieren, Rechte und Linke seien eine Soße, weil momentan auch die AfD Lockerungen fordert.