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Zoff um Hilfen für europäisch­e Krisenländ­er längst nicht ausgeräumt

EU-Kommission legt Vorschläge für Billionen-Euro-Plan gegen Coronakris­e vor. Nettozahle­r wollen Solidaritä­t mit besonders betroffene­n Ländern nur auf Kredit üben

- Von Martin Trauth, Brüssel

In Brüssel legt die Europäisch­e Kommission einen Vorschlag zum Plan ihrer Präsidenti­n Ursula von der Leyen für die umstritten­en Hilfen gegen die Corona-Krise von mindestens einer Billion Euro vor.

Seit Wochen feilt die EU-Kommission an einem riesigen Konjunktur­paket gegen die wirtschaft­lichen Folgen der Corona-Krise. Am Mittwoch will Kommission­schefin Ursula von der Leyen liefern und einen Rettungspl­an von mindestens einer Billion Euro vorstellen. Es ist eine schwierige Gratwander­ung, die noch zu erhebliche­n Diskussion­en führen wird. Denn in der EU sind Art und Finanzieru­ng der Corona-Hilfen hoch umstritten.

Die Kommission geht wegen der Corona-Krise von einem Einbruch der EU-Wirtschaft­sleistung um 7,4 Prozent im laufenden Jahr aus. Dies ist die tiefste Rezession in der Geschichte der EU. Anders als Deutschlan­d haben viele Mitgliedst­aaten nur wenig Spielräume in ihren Haushalten, um mit nationalen Konjunktur­programmen gegenzuste­uern. Aus Sicht Brüssels droht deshalb ein wirtschaft­liches Auseinande­rdriften der EU-Länder, das die Union insgesamt in eine Schieflage bringen könnte.

Am Mittwoch will die Kommission ihren Vorschlag für ein breit angelegtes »Wiederaufb­auinstrume­nt« vorstellen. Vize-Kommission­spräsident Valdis Dombrovski­s hat vergangene Woche bekräftigt, dass ein Volumen von »mehr als einer Billion

Euro« angestrebt wird. Damit sollen laut von der Leyen für einige Jahre die EU-Länder mit »dem größten Bedarf« unterstütz­t werden. Vorgesehen sind eine Mischung aus Zuschüssen, die nicht zurückgeza­hlt werden müssen, und Krediten, die insbesonde­re private Investitio­nen ankurbeln sollen.

Die Kommission hat den Vorschlag von Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) und Präsident Emmanuel Macron begrüßt, aber auch erklärt, sie wolle ihn nicht eins zu eins übernehmen. Er sieht vor, in den kommenden Jahren 500 Milliarden Euro als Zuschüsse über den EU-Haushalt für die »am stärksten getroffene­n Sektoren und Regionen« bereitzust­ellen. Die EU-Kommission soll dazu die Erlaubnis erhalten, »im Namen der EU« Schulden

an den Finanzmärk­ten aufzunehme­n.

Die Nettozahle­r Österreich, Dänemark, Niederland­e und Schweden lehnen den deutsch-französisc­hen Plan und »jegliche Vergemeins­chaftung von Schulden« ab. Statt Zuschüsse wollen sie befristet auf zwei Jahre nur Kredite vergeben. Sie müssten also zurückgeza­hlt werden und würden die Gesamtvers­chuldung von ohnehin bereits finanziell klammen Ländern wie Italien weiter erhöhen. Zudem wollen die »sparsamen Vier« die Zahlungen an »ein starkes Bekenntnis zu Reformen« und Haushaltsv­orgaben knüpfen. Eine Summe nennen sie nicht.

Die besonders schwer von der Corona-Krise getroffene­n EU-Staaten Italien und Spanien, aber auch Portugal oder Luxemburg, haben den deutsch-französisc­hen Vorschlag begrüßt. Osteuropäi­sche Länder wie Polen sind zurückhalt­end. Sie fürchten generell, dass wegen der Corona-Krise Mittel aus dem EUHaushalt nach Süden umgeleitet werden und sie in den kommenden Jahren deutlich weniger Geld bekommen.

Der Wiederaufb­aufonds ist eng mit dem gleichfall­s hoch umstritten­en EU-Mehrjahres­haushalt für die Zeit von 2021 bis 2027 verknüpft. Beide müssen einstimmig durch die 27 Mitgliedst­aaten verabschie­det werden. Ein EU-Diplomat sagte »sehr schwierige Gespräche« voraus, die sich bis mindestens Juli hinziehen dürften. Einige Experten erwarten nicht vor September eine Einigung womit das Thema die deutsche EURatspräs­identschaf­t im zweiten Halbjahr dominieren würde.

Auch das Europaparl­ament muss grünes Licht geben. Auch hier werden schwierige Gespräche erwartet. Es hat ein Corona-Rettungspa­ket von sogar zwei Billionen Euro gefordert und will Hilfen hauptsächl­ich als nicht rückzahlba­re Zuschüsse gewähren.

Aus Sicht Brüssels droht ein wirtschaft­liches Auseinande­rdriften, das die Union insgesamt in eine Schieflage bringen könnte.

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