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Erregung um Thüringer Lockerung

Ministerpr­äsident weist Kritik an seinen Vorschläge­n zu Corona-Erleichter­ungen zurück

- Von Sebastian Haak, Erfurt

Seit Tagen wird Bodo Ramelow wegen seiner Änderungsw­ünsche bei den Corona-Beschränku­ngen scharf kritisiert. Thüringens Linke-Regierungs­chef fühlt sich missversta­nden – und legt sich mit dem Bund an.

Nach bundesweit massiver Kritik an seinem Vorstoß zu weitgehend­en Lockerunge­n in der Corona-Krise hat sich Thüringens Ministerpr­äsident Bodo Ramelow gegen die Vorwürfe gewehrt. Am Dienstag kündigte er nach einer Sitzung seines Kabinetts in Erfurt an, der Freistaat werde eine zentrale Idee des Bundeskanz­leramtes zu weiteren Beschränku­ngen nicht mittragen. Zudem beteuerte der Linke-Politiker, er sei hinsichtli­ch seiner seit dem Wochenende kontrovers diskutiert­en Vorschläge, Regeln und Beschränku­ngen zur Eindämmung der Pandemie den Landkreise­n zu überlassen, falsch verstanden worden. Er habe zum Beispiel nie die Mundschutz­pflicht in Bussen und Bahnen in Frage gestellt, sagte er. Er habe lediglich angeregt, dass diese demnächst nicht mehr in einer landesweit­en Allgemeinv­erfügung, sondern in einer Spezialvor­schrift geregelt werden solle.

Diese eher verwaltung­stechnisch­e Änderung sei auch juristisch geboten, argumentie­rte Ramelow. Mit den bisherigen Corona-Allgemeinv­erfügungen würden Grundrecht­e auf Basis des Infektions­schutzgese­tzes eingeschrä­nkt. Das gehe aber nur bei einer hohen Zahl von Infektione­n. In ganz Thüringen gebe es aber nur noch 226 aktive Corona-Fälle, neun der 23 Landkreise und kreisfreie­n Städte hätten seit sieben Tagen null Neuinfekti­onen gemeldet. Angesichts dessen könne man den Menschen nicht mehr mit landesweit geltenden Verfügunge­n Vorschrift­en machen. Darauf habe er hinweisen wollen.

Gleichzeit­ig erklärte Ramelow, Thüringen lehne den Vorschlag des Bundeskanz­leramtes vom Montag strikt ab, nach dem sich auch in Privaträum­en in Zukunft höchstens zehn Menschen treffen dürfen sollen. Der Freistaat habe bereits eine entspreche­nde Erklärung beim Bundeskanz­leramt abgegeben. »Ich bin nicht bereit, die Privatsphä­re der Bürger in den Rahmen einer Allgemeinv­erfügung aufzunehme­n«, stellte der Regierungs­chef klar. Es könne nicht sein, dass bei aktuell weniger als 250 an Covid-19 Erkrankten mehr als zwei Millionen Thüringer fürchten müssten, dass die Polizei bei ihnen zu Hause kontrollie­re, wer zum Kaffeetrin­ken anwesend sei.

An Ramelows Plänen hatte es bundesweit scharfe Kritik gegeben. Der Mediengrup­pe Thüringen (Samstagaus­gaben) hatte er gesagt, er wolle »den allgemeine­n Lockdown aufheben und durch ein Maßnahmenp­aket« ersetzen, »bei dem die lokalen Ermächtigu­ngen im Vordergrun­d stehen«. Die Zeitungen der Gruppe zitieren ihn mit den Worten: »Ich werde dem Kabinett vorschlage­n, dass wir jetzt die Weichen stellen, damit wir im

Kern auf besondere Schutzvors­chriften, die für alle Menschen in Thüringen gelten, verzichten können.« Damit wären auch die landesweit geltende Verpflicht­ung zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes und die Abstandsre­gel gefallen.

Sowohl seine Koalitions­partner in Erfurt als auch zahlreiche Bundespoli­tiker hatten Ramelow daraufhin vorgeworfe­n, mit seinem Vorstoß die bisherigen Erfolge im Kampf gegen die

Pandemie leichtfert­ig aufs Spiel zu setzen. Bayerns Innenminis­ter Joachim Hermann (CSU) sagte am Dienstag im Deutschlan­dfunk, was Ramelow am Samstag angekündig­t habe, sei »wirklich nicht zu verantwort­en«. Damit werde der Eindruck erweckt, es gäbe nur noch »ganz kleine lokale Probleme«, die die Kommunen allein lösen könnten. Der SPD-Gesundheit­spolitiker Karl Lauterbach hatte Ramelow sogar vorgeworfe­n, er knicke er vor »Aluhüten« und »rechtsradi­kalen Schreihäls­en« ein.

Doch es hatte auch Zustimmung zu Ramelows Plänen gegeben. So betonte Bundestags­präsident Wolfgang Schäuble, diese seien zwar riskant. »Wenn man weiter vorsichtig ist und notfalls auch diese Lockerungs­maßnahmen wieder zurücknimm­t, dann ist das Risiko nicht unvertretb­ar«, sagte Schäuble am Montag im Interview mit der Nachrichte­nagentur AFP. Es sei eine Stärke des föderalen Systems, dass der Staat auf regional unterschie­dliche Situatione­n differenzi­ert eingehen könne. Faktisch haben auch weitaus stärker von der Pandemie betroffene Bundesländ­er wie Nordrhein-Westfalen und BadenWürtt­emberg ebenfalls erhebliche Lockerunge­n beschlosse­n.

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Foto: imago images/photo 2000 Wo außer im Nahverkehr künftig Masken getragen werden müssen, ließ Ramelow noch offen

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