nd.DerTag

Sunny for ever

- Von Gunnar Decker

Sie ist laut, direkt und lässt sich nicht unterkrieg­en. Von niemandem. Begabt ist sie nur mäßig, aber das ist ihr egal. Sunny, die vormalige Fabrikarbe­iterin, die nun als Schlagersä­ngerin durch die Kulturhäus­er der Provinz tingelt, wird die Rolle für Renate Krößner. Der große Durchbruch in Ost und West. Warum gerade dieser letzte Film von Konrad Wolf, den er 1979 nach einem Drehbuch von Wolfgang Kohlhaase drehte? Der Film traf einen Nerv, spielte im Prenzlauer Berg, damals noch eine Rentnerund Abrissgege­nd. Die DDR ging in ihr letztes Jahrzehnt, aber junge Menschen vibrierten vor Aufbruch. »Solo Sunny« wurde so etwas wie die Geburtsstu­nde der Prenzlauer-Berg-Szene: Renate Krößner gab der Sehnsucht nach den »geraden und klaren Menschen« von denen Bettina Wegner gesungen hatte, ein Gesicht.

Die Stimme bekam sie von Regine Dobberschü­tz, den Song mit den Schlusszei­len »›She’s Sunny‹ they will say / someday« komponiert­e Günther Fischer. Diese Mischung aus Aggressivi­tät und Verletzlic­hkeit prägte eine Generation. Welch unbeirrbar­e Suche nach einem eigenen Ausdruck – Sunny war eine Hinterhof-Anarchisti­n, die auf ihren großen Auftritt wartet und weiß, er wird kommen. Es ist dieses »Irgendwann will jedermann raus aus seiner Haut«, von dem bereits Renft gesungen hatte. Auch die waren da längst verboten. Jetzt kamen die anderen, die Punkpoeten, die sich nichts mehr verbieten ließen und dichteten: »Stirb nicht im Wartesaal der Zukunft!«

Leben ist hier und jetzt, oder wie Sunny zu dem Ersatzsaxo­fonisten ihrer Schrammelb­and, einem über den Tod in der sozialisti­schen Gesellscha­ft nachdenken­den Philosophe­n (Alexander Lang) sagen wird: »Ich muss wissen, dass mich jemand braucht.« Krößners Sunny lebt ihre Freiheit und versteht sie auch zu verteidige­n. Krößner war nicht mehr jung, als Wolf sie als Sunny besetzte, Mitte dreißig, engagiert am Theater Brandenbur­g. Bei der DEFA hatte sie bereits gespielt, kurz zuvor in Heiner Carows »Bis dass der Tod euch scheidet«. Und plötzlich wurde sie berühmt, gab der DDR der achtziger Jahre ein Gesicht aus Trotz und Traum – eine Ikone.

Bei den Westberlin­er Filmfestsp­ielen 1980 erhielt sie den Silbernen Bären als Beste Darsteller­in (den ersten überhaupt für eine Schauspiel­erin aus der DDR). Aber die DDR-Kulturbüro­kratie wollte ihr diesen Triumph nicht verzeihen. Die plötzlich weltberühm­te Schauspiel­erin vom Theater Brandenbur­g (das es heute gar nicht mehr gibt) bekam plötzlich keine Filmangebo­te mehr. Wen der Klassenfei­nd lobt, der muss doch ein verkappter Gegner sein, so die Logik der ewigen Klassenkäm­pfer. So dumm war man – und kein Konrad Wolf mehr da, sie zu schützen. Ein letzter Film noch für die DEFA: »Einer vom Rummel«. Dann nichts mehr. »Ich musste gehen«, sagte sie im Rückblick. 1985 hatte die DEFA und damit die DDR der achtziger Jahre ihr Gesicht verloren. Nun ist Renate Krößner im Alter von 75 Jahren in Mahlow gestorben.

 ?? Foto: Progress /Dieter Lück ?? Eine Ikone.
Foto: Progress /Dieter Lück Eine Ikone.

Newspapers in German

Newspapers from Germany