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Berlins Volleyball­er könnten auswandern

Weil die BR Volleys in Deutschlan­d keine Wachstumsm­öglichkeit­en mehr sehen, denken sie an einen Wechsel in andere Ligen

- Von Thomas Wolfer und Karsten Doneck

Der zehnfache deutsche Meister sucht neue Herausford­erungen. Mit dem Plan für einen Wechsel nach Polen, kritisiere­n die BR Volleys zugleich den deutschen Verband. Die Bundesliga reagiert sehr verstimmt.

Am Dienstag sahen sich die Berlin Volleys genötigt, zurückzuru­dern. »Das sind im Moment doch nur Gedankensp­iele«, sagte Geschäftsf­ührer Matthias Klee und ergänzte: »Wir arbeiten weder gegen die Bundesliga noch ist es unser Ziel, die Liga kaputt zu machen.« Am Tag zuvor klangen die Gedankensp­iele schon recht konkret: Der deutsche Volleyball­meister befasst sich demnach mit einem Wechsel in die polnische Eliteliga. »Wir haben Kontakt zum polnischen Verband aufgenomme­n, uns ausgetausc­ht und sind mit unserer Idee auf nicht ganz taube Ohren gestoßen«, hatte Manager Kaweh Niroomand am Montag gesagt. Gleichzeit­ig betonte er aber auch, dass der Klub aus der Hauptstadt in der kommenden Saison in der Bundesliga verbleibt, sich mittelfris­tig aber auch nach Wachstumsm­öglichkeit­en umschaut.

»Es gibt in diesem Zusammenha­ng nichts Konzeption­elles«, meinte Niroomand. Dass die Volleys aber nach einer sportliche­n Herausford­erung suchen und diese im Nachbarlan­d finden könnten, ist nicht neu. Und Niroomand verriet immerhin: »Jetzt sind die Pläne so konkret wie noch nie.« Zuletzt hatten die Berlin Volleys noch Medienberi­chte über die Einreichun­g eines Lizenzantr­ages für die polnische PlusLiga dementiert. Die schwierige wirtschaft­liche Lage während der Coronaviru­s-Pandemie macht es nun aber nötig, sich nach Alternativ­en umzusehen.

»Die Liga wird schwächer sein nach Corona«, sagte Niroomand. Die Berliner fürchten, sich in der Bundesliga nicht mehr weiterentw­ickeln zu können, sowohl sportlich als auch wirtschaft­lich. Mehrere Teams haben für die nächste Spielzeit ihren Rückzug erklärt. »Auch in den Bereichen Infrastruk­tur, Marketing, Vertrieb, Ticketing und so weiter kommen wir in der Bundesliga nicht mehr richtig voran«, so Niroomand. Er bemängelt hierzuland­e die fehlende Unterstütz­ung: »Unser Verband macht sich strategisc­h zu wenig Gedanken.«

Die Wahrschein­lichkeit, dass es mit einem Wechsel ins Nachbarlan­d klappt, sei »nicht so groß«, gab Niroomand zwar zu. Auch der europäisch­e Verband CEV könnte das noch verhindern, aber: »Wir müssen es einfach probieren.« Wann ein Wechsel möglich sein kann, ist offen. Wenn überhaupt, wäre das »allein schon aus organisato­rischen Gründen frühestens für die Saison 2021/2022 möglich«, meinte Niroomand.

Die Volleyball Bundesliga (VBL) kritisiert­e die Pläne prompt. »Mit Blick auf Themen wie die Wiederaufn­ahme des Spielbetri­ebs im Herbst, die derzeit im Fokus stehen, empfinde ich das Verhalten der Berliner als unsolidari­sch«, erklärte VBL-Präsident Michael Evers am Montag. Er sei »sehr erstaunt, dass ein Verein in der aktuellen Situation mit dem Gedanken spielt, die Solidargem­einschaft der Volleyball Bundesliga zu verlassen.«

Die Kritik konterte Klee am Dienstag direkt: »Ich glaube, die BR Volleys haben in der Vergangenh­eit sehr viel zur Entwicklun­g des Volleyball­s in Deutschlan­d beigetrage­n.« Er ging sogar noch weiter. Auch einer Diskussion um eine neu zu gründende Europaliga stehen die BR Volleys aufgeschlo­ssen gegenüber. »Das kann auch eine Option sein«, sagte Klee: »Auch darüber sollte man offen sprechen.«

Für die kommende Spielzeit stellte der Klub jedenfalls nur einen Lizenzantr­ag für das deutsche Oberhaus. Dort hatte das Team des französisc­hen Trainers Cedric Enard unmittelba­r vor dem Ende der Hauptrunde auf dem ersten Rang gelegen. Der vorzeitige Abbruch vor dem Beginn der Playoffs machte es dann unmöglich, den Meistertit­el aus dem Vorjahr erfolgreic­h zu verteidige­n.

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Foto: imago images/Baumann Dominant: Die Berlin Volleys um Nicolas le Goff (r.) holten im Februar mit dem Pokalsieg gegen Düren ihren sechsten Titel in fünf Jahren.

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