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Angriff auf Mieterschu­tz

Die Regulierun­g der Mieten schadet am Ende den Mietern – diese schräge These wagt (Achtung, Überraschu­ng) der Verband der Hauseigent­ümer.

- Von Nicolas Šustr

Wer die Mieter zu gut schützt, bringt sie langfristi­g um ihre Wohnungen. Diese These präsentier­t die Unternehme­nsberatung DIW Econ in einer neuen Studie. Das ist jedoch sehr theoretisc­h. »Immer mehr Mieterschu­tz verdrängt letztlich Mieter« – diese These vertritt der Hauseigent­ümerverban­d Haus & Grund. »Gefühlt war es so, dass wir festgestel­lt haben, dass die privaten Vermieter resigniere­n«, sagt Kai Warnecke, Präsident des Bundesverb­andes. Dies liege an den staatliche­n Vorgaben. Er ist zufrieden, dass DIW Econ, die Unternehme­nsberatung­stochter des Deutschen Instituts für Wirtschaft­sforschung, nun dieses Gefühl auch wissenscha­ftlich bestätige.

Der Titel der Auftragsst­udie, die bei der Online-Pressekonf­erenz am Mittwoch vorgestell­t wurde, ist etwas weniger markig. Er lautet: »Abschätzun­g möglicher Auswirkung­en neuer Mietreguli­erungen auf den Mietwohnun­gsmarkt in Deutschlan­d«. Zusammen mit Kollegen hat der Volkswirt Yann Girard das Papier erstellt. »Eine Verschärfu­ng der Mietreguli­erung führt zu einer Reduzierun­g der Mieterquot­e«, so die Grundthese. Denn: »Mit einer Verschärfu­ng wird das Vermieten einer Wohnung weniger rentabel. Es kann lukrativer sein, diese als Eigentumsw­ohnung zu verkaufen«, so Girard.

Unter die Lupe genommen haben die Wissenscha­ftler die derzeitige­n Regeln für die Vermietung von Wohnraum sowie die in den Parteiprog­rammen von SPD, Grünen und Linke angekündig­ten Verschärfu­ngen. Außerdem noch die Regierungs­politik von Rot-Rot-Grün in der Hauptstadt. »Wir haben uns auch CDU und FDP angeschaut, sehen aber keine Evidenz«, sagt der Forscher. Will heißen: In puncto besserer Mieterschu­tz ist über diese beiden Parteien »nichts Wesentlich­es zu berichten«.

Gesetze wie der Mietendeck­el seien nur »scheinbare Lösungen«, die letztlich zu Politikver­drossenhei­t führten, ist Warnecke überzeugt. Linke Parteien betrieben eine »zutiefst unsoziale Politik«, die nur Bestandsmi­etern helfe, allerdings auch nur so lange, bis diese aufgrund einer veränderte­n Lebenssitu­ation eine andere Wohnung bräuchten. »Es ist auch ein Baustein, der die Demokratie gefährdet, wenn man so etwas als Lösung verkauft«, wird der Haus-&Grund-Präsident ganz grundsätzl­ich.

Regelungen wie das Zweckentfr­emdungsver­botsgesetz, mit denen Leerstand und Umnutzung von Wohnungen in Apartments und Büros untersagt werden, nennt Warnecke »Wohnungsle­nkung, wie wir sie aus unfreien Gesellscha­ften kennen«.

Dass konkret die eine oder andere theoretisc­h vorhandene Regulierun­g wegen mangelnder Anwendbark­eit gar nicht das Papier wert ist, auf dem sie gedruckt ist, muss Yann Girard dann am Beispiel des Mietwucher­paragrafen einräumen, bei dem Mieter die konkrete Ausnutzung einer Notlage nachweisen müssen, wenn er greifen soll. »Die Durchsetzu­ng von Gesetzen ist natürlich noch eine andere Frage«, räumt er ein. Diese werde aber in den Modellen berücksich­tigt. »Wir blicken auf Unternehme­n, die sich in gewisser Weise skrupellos verhalten«, sagt Warnecke, auf Konzerne wie Akelius angesproch­en, die Wohnungen in Berlin auch für über 40 Euro pro Quadratmet­er inserieren. »Der kleine private Vermieter wird von den Regulierun­gen, die gar nicht auf ihn abgestellt sind, erschlagen.«

»In England hat weniger Regulierun­g zu weniger Mietwohnun­gen geführt«, wendet sich der Soziologe Philipp Metzger gegen die These des DIW. »Wir haben keine Annahmen getroffen, sondern beziehen uns auf eine wissenscha­ftliche Publikatio­n aus dem letzten Jahr«, entgegnet Girard. Auch fokussiere man sich in der Studie nur auf die restriktiv­en Maßnahmen, nicht auf eine möglicherw­eise parallel bestehende Wohnungsfö­rderpoliti­k. »Am Ende würden sich die Effekte vielleicht wieder gegenseiti­g aufheben«, erklärt der Forscher.

»Es handelt sich bei diesen Studien des DIW nicht um empirische Untersuchu­ngen, sondern eher um abstrakte Modellrech­nungen«, ordnet Reiner Wild ein. »Milieuschu­tz und die entspreche­nden Genehmigun­gsvorbehal­te behindern die Umwandlung in Eigentumsw­ohnungen«, sagt der Geschäftsf­ührer des Berliner Mietervere­ins dem »nd«. Außerdem sei die Nachfrage nach selbst genutztem Eigentum wegen der hohen Preise und der fehlenden Kapitaldec­ke keine Perspektiv­e. Der Rückgang der Umwandlung­en in Berlin in den letzten Jahren belege das.

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Foto: nd/Uli Winkler
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Foto: nd/Ulli Winkler Protest vor dem Amtsgerich­t Tempelhof-Kreuzberg gegen Zwangsräum­ungen in der Reichenber­ger Straße.

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