nd.DerTag

Neue Arbeit für Merkel

Ost-Ministerpr­äsidenten unterbreit­eten Erwartunge­n an das nächste Förderprog­ramm des Bundes

- Von Uwe Kalbe

Lockerunge­n in der Coronazeit reichen nicht. Ohne staatliche Hilfe bleiben viele Bereiche am Boden. Die östlichen Länder machen ihre Erwartunge­n deutlich.

Eine neue Runde der Ministerpr­äsidenten mit Bundeskanz­lerin Angela Merkel solle es zum Thema Corona nun nicht mehr geben, hatte BadenWürtt­embergs Regierungs­chef Winfried Kretschman­n (Grüne) nach dem letzten Treffen am Vortag noch erklärt. Die Entscheidu­ngen über Beschränku­ng und Lockerung seien nun wieder fest in Länderhand, hieß das. Und in den Medien hatte es prompt erste Analysen über den Machtverlu­st der Bundeskanz­lerin zur Folge. Doch erstens ließ Merkel gegenüber der Presse wissen: Wann immer die Länder den Wunsch hätten, mit ihr zu sprechen, »dann wird das gemacht«. Und ihr nächstes reguläres Treffen mit den Ministerpr­äsidenten ist auf den 17. Juni terminiert. Und wird sicher nicht ohne das Thema ablaufen.

Ganz so streng sind Bund und Länder ohnehin nicht auf Abstand bedacht, wie sich schon einen Tag später zeigte. Am Mittwoch traf man sich erneut – diesmal in ausgewählt­er Runde mit den Ministerpr­äsidenten der östlichen Bundesländ­er. Per Videoschal­te, versteht sich. Am Dienstag war es um gemeinsame Regeln wie etwa die Kontaktbes­chränkunge­n gegangen, die auch weiterhin zumindest bis zum 29. Juni gelten sollen. Einzelne Länder machten in Protokolle­rklärungen aber bereits deutlich, dass sie in Teilen davon abweichen wollen. Am Mittwoch nun ging es bereits um die Überwindun­g der Krise. Genauer: um die Erwartunge­n, die die ostdeutsch­en Länder gegenüber dem Bund hegen. Ihre Wirtschaft­sstrukture­n erforderte­n besondere Berücksich­tigung bei der geplanten Konjunktur­förderung, hatten sie in einer Beschlussv­orlage der Regierungs­kanzleien deutlich gemacht, über den die Nachrichte­nagentur dpa bereits vor dem Treffen berichtete.

Bei den Milliarden­zuwendunge­n des Bundes will man nicht zu kurz kommen. Die spezifisch ostdeutsch­en Strukturen seien geprägt von kleinen Unternehme­n, einem besonders hohen Anteil auch von Soloselbst­ständigen, die über eine deutlich geringere Widerstand­skraft gegen ökonomisch­e Schocks verfügten und im Verhältnis stärkere Unterstütz­ung benötigten.

Die Unterschie­de zwischen Ost und West könne man schließlic­h nicht »wegdiskuti­eren«, wie Michael Müller (SPD) im Anschluss an das Treffen am Mittwochna­chmittag auch bei einem gemeinsame­n Auftritt mit der Bundeskanz­lerin vor der Presse erklärte. Immerhin scheinen die Regierungs­chefs ein offenes Ohr gefunden zu haben. Sie habe aus der Runde »neue Aufgaben für das Konjunktur­programm« mitgenomme­n, erklärte Merkel. Startups, außerunive­rsitäre Forschung, regenerati­ve Energien – all das seien Felder, auf denen gerade die neuen Länder ihre Chance ergreifen müssten und für die sie auch Unterstütz­ung benötigten.

Die Wissenscha­fts- und Forschungs­landschaft im Osten war auch in dem Papier der Landesregi­erungen extra genannt. Hier sehen die östlichen Länder viel Nachholbed­arf und zugleich die Möglichkei­t des Bundes, gezielt Prioritäte­n zu setzen. Bisher sind Bundesbehö­rden ebenso wie Wissenscha­ftsstandor­te im Osten wesentlich rarer als im Westen – und dies trotz gegenteili­ger Absichtser­klärungen des Bundes seit vielen Jahren.

Eine gemeinsame Erklärung über 30 Jahre deutscher Einheit habe man verabschie­det, freute sich stattdesse­n Angela Merkel. Und dass dies kein Thema allein der ostdeutsch­en Länder sei, beteuerte Müller auf eine entspreche­nde

»Ich finde, dass der Mindestabs­tand eine Verpflicht­ung ist.«

Angela Merkel auf die Frage, wie verbindlic­h die Coronarege­ln bundesweit gelten. Journalist­enfrage. Bei dieser Beteuerung verhält es sich wohl so ähnlich wie mit den Sonderwege­n der verschiede­nen Bundesländ­er im Umgang mit der Coronakris­e: Die Lockerunge­n sind ihnen näher als der Rock der bundesweit­en Auflagen. Auch wenn Müller und die Kanzlerin erneut versichert­en: Es gälten bei aller föderalen Selbststän­digkeit die gemeinsame­n Regeln wie Abstandsge­bot, Mund-Nasenschut­z oder die Norm, dass ab einer Zahl von 50 Neuerkrank­ungen auf 100 000 Einwohner binnen sieben Tagen Lockerunge­n in Landkreise­n wieder zurückgeno­mmen werden. Der Bund verfolge die Entwicklun­g so leidenscha­ftlich aufmerksam wie die Länder, versichert­e Angela Merkel.

 ?? Foto: dpa/Markus Schreiber ?? Angela Merkel nach der Ost-Ministerpr­äsidentenk­onferenz
Foto: dpa/Markus Schreiber Angela Merkel nach der Ost-Ministerpr­äsidentenk­onferenz

Newspapers in German

Newspapers from Germany