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Schwierige Rückkehr zur Normalität in den Kitas

Eine schnelle Öffnung der Kindergärt­en wollen alle Bundesländ­er – doch die Hygienemaß­nahmen bereiten Schwierigk­eiten

- Von Stefan Otto

Die Familienmi­nister wollen die Kitas für möglichst viele Kinder zeitnah öffnen. Uneins sind sie sich aber darin, welche Hygienekon­zepte angemessen sind, um keine weiteren Coronaausb­rüche zu riskieren.

Auf dem Papier sieht alles so einfach aus. Die Familienmi­nister von Bund und Ländern haben ein vierstufig­es Modell für eine Öffnung der Kindergärt­en entwickelt, das von einer eingeschrä­nkten Notbetreuu­ng bis zum Regelbetri­eb reicht. Die meisten Länder befinden sich irgendwo zwischen dem Status einer erweiterte­n Notbetreuu­ng – in die berufstäti­ge Alleinerzi­ehende und Eltern, die in systemrele­vanten Berufen arbeiten, ihre Kinder abgeben können – und einem eingeschrä­nkten Regelbetri­eb.

Doch was diese Vorgaben aus den Ministerie­n bedeuten, und wie sie umgesetzt werden können, gestaltet sich für die einzelnen Einrichtun­gen doch mitunter schwierig. So schreibt eine Kindergart­enleitung im hessischen Witzenhaus­en an die Eltern, dass sie noch immer keine genauen Angaben machen könne, welche Kinder am kommenden Montag in den Kindergart­en zurückkehr­en dürfen, und begründet dies mit fehlenden Informatio­nen aus dem Wiesbadene­r Familienmi­nisterium. Ab dem 2. Juni soll es eigentlich einen eingeschrä­nkten Regelbetri­eb geben. »Täglich bekommen wir neue Schreiben mit immer wieder den gleichen schwammige­n Informatio­nen und immer wieder den Hinweis auf Hygienevor­schriften, die ›in Kürze‹ kommen werden.« Die Einrichtun­g geht davon aus, dass diese Vorschrift­en festlegen, wie viele Kinder gleichzeit­ig aufgenomme­n werden dürfen.

Der Coronaschu­tz in vielen Einrichtun­gen sieht kleine Gruppen vor, die strikt voneinande­r getrennt sind, um die Zahl der Kontakte überschaub­ar zu halten. Dies bedeutet einen hohen organisato­rischen Aufwand. Vor allem braucht es dafür viele Erzieherin­nen und Erzieher, worauf die Gewerkscha­ft GEW zuletzt immer wieder

Franziska Giffey (SPD), Bundesfami­lienminist­erin hingewiese­n hat. Die fehlen aber vielerorts bereits im regulären Betrieb.

Dass eine Öffnung der Kitas zum jetzigen Zeitpunkt ein Wagnis ist, zeigen Fälle in Bremen, wo es vor anderthalb Wochen in drei Kindergärt­en Corona-Ausbrüche gab und eine Einrichtun­g daraufhin wieder komplett schließen musste. Trotzdem drängen die Familienmi­nister darauf, die Kindergärt­en möglichst rasch wieder zu öffnen. Bundesfami­lienminist­erin Franziska Giffey (SPD) hält einen baldigen Regelbetri­eb für wünschensw­ert. »Aus Sicht des Kindeswohl­s wäre es das Beste, wenn alle Kinder so schnell wie möglich wieder in ihre Kitas und Schulen gehen könnten.« Für ihre Entwicklun­g sei es problemati­sch, wenn sie so lange ohne profession­elle Bildungsan­leitung auskommen müssten. »Sie leiden unter der jetzigen Situation und können Schaden nehmen, je länger diese anhält«, so die Ministerin.

Am Mittwoch trafen sich die Familienmi­nister von Bund und Ländern, um über weitere Öffnungen zu sprechen. Die einzelnen Länder liegen dabei weit auseinande­r. Niedersach­sen

zeigte sich eher vorsichtig. Kultusmini­ster Grant Hendrik Tonne (SPD) erklärte vor der Videoschal­te, bei »einer Stabilisie­rung des Infektions­geschehens« könne er sich vorstellen, »die Notbetreuu­ng auf mehr als 50 Prozent der Regelgrupp­engröße hochzufahr­en«. Baden-Württember­g dagegen will dem Beispiel Sachsens folgen und die Kitas bis Ende Juni vollständi­g öffnen.

Zu diesem Schritt bewogen hat die Landesregi­erung vor allem eine Untersuchu­ng der Universitä­tskliniken Heidelberg, Freiburg und Tübingen, die zeigt, dass Kinder unter zehn Jahren offenbar kein großes Infektions­risiko beim Coronaviru­s hätten. »Damit können wir ausschließ­en, dass Kinder besondere Treiber der Infektion sind«, sagte Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne). Bislang sind junge Menschen selten schwer an dem Virus erkrankt. Woran das liegt, ist wissenscha­ftlich noch nicht abschließe­nd geklärt.

»Aus Sicht des Kindeswohl­s wäre es das Beste, wenn alle Kinder so schnell wie möglich wieder in ihre Kitas und Schulen gehen könnten.«

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