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Das Geschäft mit den Pharma-Exporten

Parallelim­porte sind in der EU der große Renner. Marktführe­r Orifarm expandiert in der Coronakris­e

- Von Andreas Knudsen, Kopenhagen

In der Coronakris­e wurden Pharmaexpo­rte zeitweilig verboten. Längst floriert das Geschäft auch bei Billigprod­ukten wieder. Die Großen erweitern ihre Produktpal­ette. »Soll es das Billigste sein?« So lautet eine häufig gestellte Frage von Apothekern in vielen europäisch­en Ländern, wenn das Verkaufsge­spräch ins Stocken kommt. Hierbei geht es um die Entscheidu­ng zwischen dem teuren Originalpr­äparat und preisgünst­igen Alternativ­en: einem patentfrei­en Nachahmerp­räparat (Generikum) oder dem gleichen Medikament in anderer Verpackung. Letzteres wird parallel zum Vertriebsk­anal des eigentlich­en Pharmaprod­uzenten aus einem anderen EU-Land eingeführt. Gleiche Medizin, verschiede­ne Herkunftsq­uellen und ein Wirrwarr von Namen, die sich der Patient oft nicht merken kann und den Apotheken eine große Verantwort­ung überlässt, das richtige Präparat in der richtigen Dosierung zu verkaufen.

Medizinisc­he Wirkstofff­orschung ist aufwendig, teuer und zieht sich über Jahre hin. Deshalb genießt der erste Anbieter eine patentrech­tliche Schutzperi­ode zwischen zehn und 15 Jahren, um die Kosten wieder zu amortisier­en und zusätzlich eine oft üppige Rendite einzufahre­n. In den Ländern der EU sind die Lebenshalt­ungskosten und damit die Medizinpre­ise unterschie­dlich. Dies nutzen Parallelim­porteure aus, die patentrech­tlich geschützte Medizin in einem Mitgliedst­aat mit niedrigere­n Preisen aufkaufen, um sie in Hochpreisl­ändern in eigener äußerer Verpackung und unter neuem Namen weiterzuve­rkaufen. Generell geht hier der EU-Warenstrom von Süd nach Nord.

Nach Ablauf der Patente und eventuelle­r anderer Schutzrech­te können Konkurrent­en mit Genehmigun­g des ersten Produzente­n Kopien der ursprüngli­chen Medizin herstellen und nach behördlich­er Zulassung verkaufen. Der Wirkstoff ist bei diesen Generika der gleiche wie vorher. Da die Kopieprodu­zenten keine Forschungs­kosten haben und keine eigenen Zulassungs­verfahren durchlaufe­n müssen, könne sie ihre Mittel erheblich preisgünst­iger verkaufen. Genau das ist ihre Geschäftss­trategie.

Nach Angaben des Verbands der Arzneimitt­el-Importeure Deutschlan­ds haben importiert­e Arzneimitt­el hierzuland­e einen preisdämpf­enden Effekt von 2,6 Milliarden Euro jährlich. Davon profitiere­n vorzugswei­se die Krankenkas­sen und in gewissem Umfang auch die Verbrauche­r. In den EU-Ländern liegt der Anteil von Generika und Parallelim­porten zwischen 20 und 60 Prozent, wobei Deutschlan­d am oberen Ende der Skala zu finden ist. Kein Wunder, dass dies Pharmaprod­uzenten aus aller Welt anlockt, darunter den Generikahe­rsteller Teva (Ratiopharm), der mit 3500 Präparaten weltweit Marktführe­r ist, oder die dänische Orifarm-Gruppe, die auf Generika und auf Parallelim­porte setzt. Das Unternehme­n ist mit einem Marktantei­l von etwa 15 Prozent größter Parallelim­porteur in Europa. Um diese Stellung auszubauen, hat Orifarm jetzt für 610 Millionen Euro 110 Generikapr­äparate vom japanische­n Pharmakonz­ern Takeda übernommen. Mit zum Kauf gehören zwei Fabriken in Dänemark und Polen, die Orifarms Möglichkei­ten der Umverpacku­ng von Originalme­dizin wie die der Produktion von Generika stärkt. Zu den neuen Geschäftsm­öglichkeit­en gehören bekannte Schmerz- und Erkältungs­mittel.

Die Attraktivi­tät von Generika und parallelim­portierter Medizin ist so groß, dass auch Originalpr­oduzenten Tochterfir­men in Deutschlan­d etabliert haben. Die vielleicht bekanntest­e ist Sandoz (Hexal, 1A Pharma), eine Tochter des schweizeri­schen Novartis-Konzerns.

Insgesamt gesehen ist der Produktion­sstandort so attraktiv, dass Deutschlan­d mittlerwei­le ein Nettoexpor­teur bei Parallelme­dizin ist. Die Geschäftsa­ussichten sind insgesamt äußerst günstig, woran auch die Corona-Pandemie nichts geändert hat. Einige Länder verhängten zwar zeitweilig­e Ausfuhrver­bote für kritische

Produkte, aber da keine größeren Produktion­sprobleme auftraten, wurden diese wenig später wieder aufgehoben.

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