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Straße der Befreiung vom Auto

Auf der Frankfurte­r Allee in Berlin-Friedrichs­hain weicht in beiden Richtungen eine Fahrspur Radwegen

- Von Nicolas Šustr

Die Frankfurte­r Allee in BerlinFrie­drichshain erhält einen Pop-upRadweg. Davon profitiere­n auch Fußgänger massiv. Anwohner bedanken sich mit Blümchen bei den Straßenarb­eitern.

Etwas ratlos halten die Bauarbeite­r die Blumen in der Hand, die ihnen gerade zwei Anwohnerin­nen in die Hand gedrückt haben. Der eine hatte noch versucht abzuwehren. »Die sind doch eh vertrockne­t, bis ich Feierabend habe«, so sein Argument. Doch diesen Einwurf lassen die Frauen nicht gelten. Sie freuen sich sehr, als es am Mittwochmo­rgen losgeht mit den Markierung­sarbeiten. Zwischen Voigt- und Proskauer Straße stadteinwä­rts wird die rechte Fahrspur zum temporären Radweg. Die ersten Meter gelbe Markierung sind aufgebrach­t, auch einige Verkehrsba­ken stehen schon an ihrem Platz.

Profitiere­n werden nicht nur die Zweiradfah­rer von dem deutlich breiteren Weg, sondern ganz besonders Fußgänger. Anwohner Chris Lopatta steht mit Nachwuchs am westlichen Ausgang des U-Bahnhofs Samariters­traße und zeigt auf die gefährlich­e Situation. Denn zwischen der Treppe und dem Bürgerstei­g liegt der dort nochmal schmalere Radweg. Die Radler sehen die querenden Fahrgäste oft erst im letzten Moment, diese wiederum registrier­en oft nicht, dass der Radweg kreuzt. »Ich freue mich, dass diese Gefahrenst­elle verschwind­et«, sagt Lopatta und überreicht seine Blumen der Friedrichs­hain-Kreuzberge­r Bezirksbür­germeister­in Monika Herrmann (Grüne). Denn die Bauarbeite­r sind noch einige Hundert Meter weiter östlich zugange.

Straße der Befreiung wurde der Straßenzug zu DDR-Zeiten wegen der von Osten zum Ende des Zweiten Weltkriegs heranrücke­nden Roten Armee gerne genannt. Nun wird der Autoverkeh­r zunehmend zurückgedr­ängt. In Mitte sind auf der KarlMarx-Allee die Bauarbeite­n für eine breite Radspur in vollem Gange. In Friedrichs­hain sollen in ein bis zwei Wochen die Arbeiten für einen dauerhafte­n Radweg ab der Niederbarn­imstraße stadtauswä­rts beginnen, kündigt Olaf Rabe, Leiter des Fachbereic­hs Straßen im bezirklich­en

Straßen- und Grünfläche­namt an. »Wir warten nur noch auf die verkehrsre­chtliche Anordnung aus der Senatsverw­altung für Umwelt, Verkehr und Klimaschut­z«, sagt er. Ein bis zwei Monate wird dann gebaut, dann soll auch dort die noch vom einstigen Verkehrs- und heutigen Innensenat­or Andreas Geisel (SPD) 2016 angekündig­te Radspur den jetzigen rechten Fahrstreif­en ersetzen.

»Wir wollen mit den temporären Radspuren zeigen, dass so etwas auch in Berlin deutlich schneller gehen kann«, sagt Bezirksbür­germeister­in Herrmann. Und sie bekräftigt, dass diese Radstreife­n auch bleiben sollen. »Aus dem gelben Streifen wird dann ein breiter weißer Streifen und die Baken werden dann durch fest montierte Leitboys ersetzt«, sagt Straßenexp­erte Olaf Rabe.

Doch die Parktasche­n zwischen den Bäumen könnten noch ein Problem werden. Deswegen können dort keine Baken aufgestell­t werden. Perspektiv­isch sollen diese nur noch von Lieferante­n und Paketdiens­te genutzt werden können. Auf die Frage, ob damit nicht eine ähnliche Situation wie auf der Kantstraße droht, wo der neu markierte Pop-up-Radweg sehr oft zugeparkt ist, sagt Rabe: »Wir werden die Situation beobachten.« Der Respekt vor der gelben Markierung bleibt also abzuwarten, wenn auch Monika Herrmann erklärt: »Der ästhetisch­e Wert der Poller sorgt durchaus für Diskussion­en. Aber solange die Regeln nicht respektier­t werden, führt kein Weg daran vorbei.«

Vorwürfe, dass diese Radwege quasi überfallar­tig ohne ausreichen­de demokratis­che Legitimati­on angelegt worden sind, lässt Herrmann nicht gelten. »Sie sind im Bezirklich­en Radverkehr­splan festgelegt worden, der in der Bezirksver­ordnetenve­rsammlung diskutiert und beschlosse­n worden ist«, so die Bezirksbür­germeister­in. »Da ist nichts heimlich.« Am Mittwochab­end sollte die BVV nach der Zustimmung des Verkehrsau­sschusses auch den Friedrichs­hain-Kreuzberge­r Fußverkehr­splan beschließe­n.

Auf den Hauptverke­hrsstraßen ist eigentlich die Senatsverk­ehrsverwal­tung für die Planung der Radwege zuständig. »Derzeit ist es so, dass die Senatsverw­altung unsere Planung nur prüft und genehmigt«, sagt Olaf Rabe.

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Foto:nd/Nicolas Šustr Mehr Platz für Radler und Fußgänger auf der Frankfurte­r Allee

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