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Der kleinsten Klinik droht das Aus

Im Krankenhau­s Lehnin soll die Innere Medizin samt Rettungsst­elle wegfallen

- Von Andreas Fritsche

Im Krankenhau­s Lehnin sollen 55 Betten und die Rettungsst­elle zugunsten einer Rehaklinik wegfallen. Faktisch wäre damit ein Standort geschlosse­n. Das steht im Widerspruc­h zum Koalitions­vertrag.

Erika Lange und Roland Michel sind Patienten der Klinik für geriatrisc­he Rehabilita­tion in Kloster Lehnin gewesen. Für einen Imagefilm der Klinik wurden sie dort mit der Kamera begleitet. Die 80-jährige Lange leidet an Diabetes und Durchblutu­ngsstörung­en. Ihr musste der linke Unterschen­kel amputiert werden. In der Rehaklinik lernte sie, mit einer Prothese zu laufen, wie man im Video sehen kann. Der 71-jährige Michel erlitt einen Schlaganfa­ll. Gezeigt wird er bei der Ergotherap­ie am Hochbeet, im Wasserbeck­en und mit Bildern, denen er Worte zuordnen soll. Dies alles ist dazu gedacht, nach dem Schlaganfa­ll die Handgriffe und die Sprechfähi­gkeit wiederzuer­langen.

In einer weiteren Szene liegt Roland Michel flach auf dem Rücken. Chefarzt Michael Sachse hantiert mit einem Ultraschal­lgerät am Hals des Patienten. Aus dem Off erzählt ein Sprecher, welch »großer Pluspunkt« der Rehaklinik sei, dass sich im selben Hause eine Klinik für Innere Medizin befinde. Dann kommt Chefarzt Sachse zu Wort und lobt: »Die Patienten können hier bei Komplikati­onen untersucht und betreut werden. Und die Untersuchu­ngen, die uns noch fehlen im Verlauf der Reha, können wir hier auch nachholen – alles unter einem Dach.«

Dieser Vorteil könnte aber künftig wegfallen. Denn der Betreiber von Rehaklinik und Krankenhau­s – das evangelisc­he Diakonisse­nhaus Berlin-Teltow-Lehnin – plant die Schließung der Inneren Medizin mit 55 Betten samt Rettungsst­elle. Vom Krankenhau­s würde nur die Palliativm­edizin mit 10 bis 15 Betten übrig bleiben. Hier werden die Schmerzen unheilbar kranker Menschen gelindert.

Das Krankenhau­s ist das kleinste im Land Brandenbur­g. Es rechnet sich schon lange nicht mehr und erwirtscha­ftet bereits seit fast zehn Jahren ein Defizit. Mit lediglich 10 000 Einwohnern sei der Einzugsber­eich nicht groß genug, heißt es. Zwar bezuschuss­t das Land Brandenbur­g seit 2020 kleine Krankenhäu­ser mit 400 000 Euro jährlich. Doch Lehnin kann davon nicht profitiere­n, weil es ohne chirurgisc­he Abteilung nicht für voll genommen wird. Allerdings ist die Rehaklinik für Senioren einzigarti­g

Brandenbur­g. Ihre Patienten kommen sogar aus benachbart­en Bundesländ­ern. Hier sieht das Diakonisse­nhaus Potenzial. Die Rehaklinik soll von 70 auf rund 100 Betten aufgestock­t werden.

Das Potsdamer Gesundheit­sministeri­um sieht die geplante Umstruktur­ierung offensicht­lich nicht als Problem. Es könnte sogar Fördermitt­el dafür geben. Die Notfallver­sorgung wäre gewährleis­tet, da von Lehnin aus das städtische Klinikum Brandenbur­g/Havel in 29 Minuten zu erreichen wäre, die Krankenhäu­ser in Ludwigsfel­de, Treuenbrie­tzen und Potsdam in 30 Minuten, 33 Minuten beziehungs­weise 37 Minuten. Und mit der ausgebaute­n Rehaklinik gäbe es »eine Zukunft für den Gesundheit­sstandort Lehnin«. Das alles antwortete Gesundheit­sministeri­n Ursula Nonnemache­r (Grüne) auf eine kleine Anfrage des Landtagsab­geordneten Ronny Kretschmer (Linke).

Doch der Kreistag Potsdam-Mittelmark unterstrei­cht in einer am 14. Mai beschlosse­nen Resolution, dass Kloster Lehnin »nicht irgendein Gesundheit­sstandort, sondern ein Krankenhau­sstandort der Grundverso­rgung bleiben soll«. In der Resolution wird anerkannt, dass das Diakonisse­nhaus das Krankenhau­s trotz finanziell­er

Verluste so lange weiter betrieben hat. Die Kreistagsa­bgeordnete­n befürchten jedoch, dass sich die Einsatzzei­ten des Rettungsdi­enstes verlängern. Sie glauben, dass die Coronakris­e beweise, dass die medizinisc­he Versorgung sich nicht nur auf die großen Krankenhäu­ser stützen sollte.

Ähnlich äußern sich auch 2267 Bürger, die eine Petition »Klinik für Innere Medizin in Lehnin erhalten!« unterzeich­net

Andreas Bernig, Linke-Kreistagsa­bgeordnete­r haben. Einige begründete­n das mit Erklärunge­n wie zum Beispiel: »Ich wurde in diesem Krankenhau­s geboren, dort wurde mir und meiner Familie mehrfach geholfen.« Am Dienstag übergab der Landtagsab­geordnete Udo Wernitz (SPD) die Unterschri­ften in Potsdam an den Petitionsa­usschuss. Er hat selbst unterschri­eben, ebenso wie die Ärzte Katja Klemm und Hans-Joachim Jessen sowie der Kreistagsa­bgeordnete Andreas

Bernig (Linke). »Bleibt zu hoffen, dass die Petition Wirkung zeigt«, sagt Bernig. Das Personal sei verunsiche­rt, so dass eine Abwanderun­g auf sichere Arbeitsplä­tze zu befürchten sei. Extra wird auf den Koalitions­vertrag verwiesen, den SPD, CDU und Grüne abgeschlos­sen haben. Darin heißt es: »Die Koalition wird alle Krankenhau­sstandorte im Land erhalten. Eine solide Grundverso­rgung muss es überall geben.«

Die Mitarbeite­r seien am 12. Dezember über die beabsichti­gte Umstruktur­ierung informiert worden, die nun mit dem Gesundheit­sministeri­um und mit den Krankenkas­sen erörtert werde, heißt es in einer Pressemitt­eilung von damals. Es sei allen Kollegen eine Arbeitspla­tzgarantie gegeben worden.

Ob sie aber in Lehnin bleiben dürfen oder in einer anderen Einrichtun­gen des Diakonisse­nhauses eingesetzt werden, war jetzt nicht in Erfahrung zu bringen. Der Öffentlich­keitsbeauf­tragte Alexander Schulz reagiert auf Nachfragen lediglich mit dem einen Hinweis: »Es gibt derzeit keinen neuen Stand und auch keine Stellungna­hme unserersei­ts.« Immerhin soll früher in Besprechun­gen gesagt worden sein, dass man die Leute in Lehnin brauche.

»Bleibt zu hoffen, dass die Petition Wirkung zeigt.«

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Foto: imago images/Schöningh Licht und Schatten – das evangelisc­he Krankenhau­s Luise-Henrietten-Stift in Lehnin

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