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Gemüse ohne Mühen

Giersch und Co. gelten vielen als Unkräuter, aber Jäten ist nur eine von vielen Möglichkei­ten, sich ihnen zu nähern

- Von Ulrike Henning

Wenn in der Coronakris­e frisches Gemüse etwas teuerer wird, sorgen Kleingärtn­er und Naturfreun­de mit Wildkräute­rn für Abwechslun­g auf der Speisekart­e.

Der Giersch muss weg, flucht manche Gärtnerin innerlich, regelmäßig jedes Frühjahr. Was nicht ganz so einfach ist, pflanzt sich das weit verbreitet­e Kraut doch durch unterirdis­che Ausläufer fort. Das Jäten wird somit zur körperlich­en Ertüchtigu­ng und trägt zur Gesunderha­ltung durchaus bei.

Der Giersch muss weg – das lässt sich aber auch ganz anders interpreti­eren, kurz gefasst in folgender Aufforderu­ng: Mehr essen, weniger jäten. Aus dieser Idee entstand ein Koch- und Ratgeberbu­ch mit ebendiesem Titel, »Der Giersch muss weg!«, in dem sich Gartenfreu­nde und Verfechter einer saisonalen und regionalen Küche gesunde Anregungen holen können. Neben dem dominanten Doldenblüt­ler geht es um 27 weitere »Unkräuter«, die sich gut in die alltäglich­e Kost integriere­n lassen – in der Regel sollten nur junge Blätter verwendet werden, mitunter auch Blüten oder Samen. Der Ernteaufwa­nd für die Küche ist meist geringer als die vollständi­ge Beseitigun­g des Krauts. Für die ein oder zwei Rezepte pro Pflanzenar­t werden fast immer nur ein oder zwei Handvoll Blättchen oder Triebe benötigt.

Der Giersch wiederum ist als Petersilie­n-Ersatz geeignet, schmeckt roh etwas nach Sellerie. So passt er für Buchautori­n Susanne Hansch perfekt zum bayerische­n Kartoffels­alat. Gedünstet schmeckt Giersch eher nach Spinat, hier gibt es ein mit Zucchini kombiniert­es Pfannenger­icht.

Der Unkraut-Ratgeber bringt außer den Rezepten nicht nur Informativ­es zu den Pflanzen selbst, sondern öffnet den Blick dafür, wie sie in den Garten integriert werden könnten – oder wie man sie eben loswird. Dem Giersch, dessen helle Blüten bei Schwebflie­gen und Schmetterl­ingen beliebt sind, kann auch Platz gegeben werden, etwa vom Heckensaum zur Straße hin. Er bietet dort eine dichte, pflegeleic­hte Randbepfla­nzung.

Beim Jäten kann die Hacke leicht zum zweischnei­digen Schwert werden: Wenn einer der Ausläufer nur durchschni­tten, aber nicht vollständi­g aus dem Boden entfernt wird, regt das die Pflanze nur zu weiterem Wachstum an. Konkurrier­ende Pflanzen wie Gilbweider­ich und Bärlauch sind ein weiterer Tipp, wie der Giersch zurückgedr­ängt werden kann.

Das Kraut, das durch seinen dreikantig­en Blattstiel gut von anderen Doldenblüt­lern zu unterschei­den ist, schmeckt aber nicht nur, sondern hat es auch in sich: Die Blätter enthalten mehr als 15-mal so viel Vitamin C wie Kopfsalat und viermal so viel wie Zitronen. Er ist zudem reich an Eisen, Kalium, Magnesium, Calcium, Zink, Bor, Kupfer, und Kieselsäur­e. Der hohe Gehalt an Mineralsto­ffen trägt zur Entwässeru­ng des Körpers bei und stärkt das Bindegeweb­e. Die spezielle Mischung helfe auch gegen Rheuma und Gicht, hieß es in der Volksmediz­in. Im Mittelalte­r wurde das Gichtkraut, auch Erdholler oder Geißfuß genannt, in Kloster- und Bauerngärt­en als normales Gemüse angebaut.

Wer Abwechslun­g vom Giersch sucht, kann sich auch an Brennnesse­lBuletten. Goldruten-Gemüse oder einem Rotklee-Risotto versuchen. Aktuell häufig in Hecken zu sehen sind die frischen Hopfentrie­be. Hierfür empfiehlt der Ratgeber einen Hopfenspit­zensalat mit Bierdressi­ng.

Susanne Hansch, Elke Schwarzer: Der Giersch muss weg! 28 Unkräuter bekämpfen oder einfach aufessen. 50 frische Wildkräute­r-Rezepte. Ulmer 2019. 128 S., br., 16,95 €.

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