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Deutsche EU-Ratspräsid­entschaft im Schatten der Krise

Deutschlan­d übernimmt im Juli und will sich um die Beziehunge­n der EU zu China, Großbritan­nien sowie das aktuelle Krisenmana­gement kümmern

- Von Aert van Riel

Die Bundesregi­erung musste wegen der Coronakris­e ihre Pläne für die EU-Ratspräsid­enschaft ändern. Fraglich ist, ob es ihr gelingen wird, ein Gipfeltref­fen mit China auf die Beine zu stellen.

Regierungs­sprecher Steffen Seibert war nicht sonderlich auskunftsf­reudig, als er am Mittwoch über die Schwerpunk­te der deutschen EURatspräs­identschaf­t im zweiten Halbjahr informiert­e. Seibert nannte die »Bewältigun­g der Coronakris­e« als wichtigste­s Ziel. Bundeskanz­lerin Angela Merkel hatte sich zuvor gemeinsam mit ihrem CDU-Parteikoll­egen und Kanzleramt­schef Helge Braun, Finanzress­ortchef Olaf Scholz, Außenminis­ter Heiko Maas (beide SPD) und Spitzenver­tretern des Europaparl­aments

in einer Videoschal­te ausgetausc­ht. Dabei ging es nach Angaben von Seibert um Fragen zur Erholung der europäisch­en Wirtschaft, das mehrjährig­e EU-Budget, Klimaschut­z, Digitalisi­erung und »Europas Rolle in der Welt«. Das schriftlic­he Programm werde erst kurz vor dem 1. Juli beschlosse­n.

An diesem Tag übernimmt Deutschlan­d die Ratspräsid­entschaft von Kroatien. Die Vorbereitu­ngen der Bundesregi­erung liefen schon seit geraumer Zeit. Verlockend war für sie unter anderem die prestigetr­ächtige Gastgeberr­olle bei informelle­n EU-Räten. Doch dann musste die Regierung ihre Pläne wegen der Coronakris­e erheblich anpassen. In den kommenden Monaten wird es vor allem darum gehen, wie das am Mittwoch von EU-Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen vorgestell­te 750-Milliarden-Wiederaufb­auprogramm umgesetzt werden kann. Auch der Abschluss der Verhandlun­gen der EU mit dem aus dem Staatenver­bund ausgeschie­denen Vereinigte­n Königreich wird im Halbjahr des deutschen EU-Ratsvorsit­zes angestrebt.

Ein weiteres zentrales Thema sind die Beziehunge­n zwischen der Europäisch­en Union und China. Die EUKommissi­on hatte Peking kürzlich als »strategisc­hen Rivalen« bezeichnet. Nichtsdest­otrotz hoffen die Europäer auf ertragreic­he Geschäfte in dem asiatische­n Staat. Wichtige Voraussetz­ungen hierfür wären eine Annäherung bei einem EU-China-Gipfel im September in Leipzig und der Abschluss des geplanten Investitio­nsschutzab­kommens mit China. Ob und in welcher Form das Leipziger Treffen stattfinde­t, ist wegen der Coronakris­e

fraglich. Es ist auch völlig unklar, inwieweit Staatspräs­ident Xi Jinping den Europäern bei dem geforderte­n leichteren Zugang auf den chinesisch­en Markt entgegenko­mmen und Regulierun­gen aufheben will. Von großen Schritten kann derzeit nicht ausgegange­n werden.

Politiker deutscher Opposition­sparteien skizzierte­n am Mittwoch ihre Vorstellun­gen von der Ratspräsid­enschaft. FDP und Grüne machten sich Sorgen um die Machtstell­ung der EU in der Welt. So verlangte der europapoli­tische Sprecher der FDP-Bundestags­fraktion, Michael Georg Link, unter anderem »neue Impulse für die Gemeinsame Außen- und Sicherheit­spolitik«. Link hatte schon in der Vergangenh­eit für gemeinsame europäisch­e Militärein­heiten plädiert.

Mit dieser Idee sympathisi­eren auch Politiker der Grünen. Deren

Bundestags­abgeordnet­e Franziska Brantner sagte gegenüber AFP, die Ratspräsid­entschaft entscheide darüber, »wie Europa nach der Krise aussehen wird und ob die nächste Generation in einem nachhaltig­en und souveräner­en Europa lebt, ob wir Spieler oder Spielball zwischen den USA und China sein werden«. »Herzstück« bei der Umsetzung des Wiederaufb­auprogramm­s der EU-Kommission müsse der Klimaschut­z sein, so Brantner.

Linksfrakt­ionsvize Andrej Hunko monierte, dass EU-Militarisi­erungsproj­ekte wie Pesco vorangetri­eben wurden, aber etwa der wichtige EUZivilsch­utz vernachläs­sigt wurde. »Dieser versagte angesichts von Corona völlig«, konstatier­te Hunko. Er verlangte eine EU-weit koordinier­te Vermögensa­bgabe für Superreich­e, um die Krisenkost­en zu bezahlen.

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