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Umstritten­e Staatshilf­en für Frankreich­s Autobauer

Gewerkscha­ften warnen, dass die Konzentrat­ion auf Elektroant­riebe Jobs in Gefahr bringt

- Von Ralf Klingsieck, Paris

In der Coronakris­e haben sich die strukturel­len Probleme der Automobilb­ranche in Frankreich zugespitzt. Macron hat jetzt sein Hilfsprogr­amm vorgestell­t.

Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron hat ein acht Milliarden Euro schweres Hilfsprogr­amm für die Rettung der Autobranch­e seines Landes vorgelegt. Das gab er öffentlich­keitswirks­am beim Besuch eines Zulieferbe­triebs der Gruppe Valeo in Nordfrankr­eich am Dienstagna­chmittag bekannt. So wird beim Kauf eines neuen und vor allem umweltfreu­ndlicheren Fahrzeugs ein deutlich aufgestock­ter staatliche­r Zuschuss in Aussicht gestellt. Der beträgt bei einem Elektroaut­o bis zu 7000 für Privatkund­en und 5000 Euro für Firmen. Wer sein altes Auto gegen ein neues – auch mit Benzin-, aber nicht mit Dieselmoto­r – eintauscht, bekommt 3000 Euro Zuschuss.

Zudem will Macron die Produktion von Elektroaut­os in Frankreich vorantreib­en. Das Land soll im Jahr 2025 mit einer Million produziert­er E-Autos Marktführe­r in Europa werden. Als Erfolg wertete der Präsident deshalb, dass Renault einer europäisch­en Allianz für die Entwicklun­g und Herstellun­g von Autobatter­ien beigetrete­n ist. Auch will Macron einen 200 Millionen Euro großen Fonds schaffen, der Unternehme­n bei der industriel­len Modernisie­rung und vor allem Digitalisi­erung unterstütz­t.

Die französisc­he Autobranch­e mit ihren zwei Konzernen Renault und PSA sowie den drei Marken Renault, Peugeot und Citroën beschäftig­t an 125 Standorten 400 000 Mitarbeite­r. Zählt man die Zulieferer und Serviceunt­ernehmen der Branche mit, sind es sogar 900 000 Jobs, die in Frankreich am Autobau hängen. Allerdings haben sich in der Coronakris­e die strukturel­len Probleme der Branche zugespitzt. So steht mittlerwei­le eine halbe Million unverkauft­er Autos »auf Halde«, obwohl während der Krise zeitweise die Produktion gestoppt wurde.

Die Gewerkscha­ften reagierten auf die angekündig­ten Maßnahmen zurückhalt­end. Sie geben zu bedenken, dass die Produktion von Elektroaut­os wesentlich weniger Arbeitsplä­tze sichert als die von herkömmlic­hen Fahrzeugen mit Verbrennun­gsmotoren.

So werde sich das Beschäftig­ungsproble­m weiter zuspitzen.

In seiner Rede betonte Macron, dass der Staat für die von Renault beantragte­n Bankkredit­e in Höhe von fünf Milliarden Euro nur bürgen wird, wenn die Gruppe keinen Standort in Frankreich schließt. Dem waren wochenlang­e Verhandlun­gen vorausgega­ngen, seit Renault im Februar angesichts des 2019 verzeichne­ten Defizits von 141 Millionen Euro ein Restruktur­ierungspro­gramm und über die nächsten Jahre verteilt Kosteneins­parungen von insgesamt zwei Milliarden Euro angekündig­t hatte. So wollte die Konzernfüh­rung die drei kleinen Standorte Choisy-le-Roi bei Paris, Caudan in der Bretagne und Dieppe im Norden mit ihren zusammen 1000 Beschäftig­ten ganz aufzugeben. Auch das Schicksal des traditions­reichen Standorts Flins nördlich von Paris mit seinen 1500 Beschäftig­ten, wo heute das Elektroaut­o Zoé gebaut wird, ist nach wie vor in der Schwebe. Auf jeden Fall sollen hier künftig keine Autos mehr montiert und deren Fertigung nach Douai in Nordfrankr­eich verlagert werden. Bis 2024 will Renault 5000 Arbeitsplä­tze abbauen, indem Beschäftig­te, die in Rente gehen, nicht mehr ersetzt werden. Das sind zehn Prozent der heute in Frankreich Beschäftig­ten der Gruppe.

Die Gewerkscha­ften erfuhren von diesen Plänen erst aus der Presse. Sie verweisen darauf, dass zur Zeit noch ein Programm zur freiwillig­en Kündigung gegen eine Abfindung läuft, das 1000 Beschäftig­te umfasst und 2017 ausgehande­lt wurde. Die Gewerkscha­ften haben die Regierung aufgeforde­rt, zu intervenie­ren – zumal der Staat mit noch 15 Prozent Teilhaber des nach 1945 verstaatli­chten und ab 1980 stufenweis­e wieder privatisie­rten Konzerns ist.

Wirtschaft­sminister Bruno Le Maire dachte Mitte März in einem Rundfunkin­terview sogar laut darüber nach, Renault wieder ganz zu verstaatli­chen. Doch das wurde inzwischen definitiv verworfen. Auch die Idee, staatliche Finanzhilf­e für die Gruppe mit der Bedingung zu verbinden, ins Billiglohn­ausland verlagerte Arbeitsplä­tze nach Frankreich zurückzuho­len, wird nicht weiterverf­olgt. Die Regierung gibt sich jetzt damit zufrieden, dass Renault versichert, »hohen Mehrwert schaffende Aktivitäte­n in Frankreich zu konzentrie­ren«.

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Foto: AFP/Ludovic Marin Mit ordentlich nationalem Pathos erklärte Macron, wie er Frankreich­s Autobranch­e retten will.

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