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Waffenemba­rgo auf dem Papier

Libyens Kriegspart­eien werden mit ausländisc­her Unterstütz­ung aufgerüste­t

- Von Mirco Keilberth, Tunis

Berlin. Das UN-Waffenemba­rgo gegen Libyen droht zur Farce zu werden. Die Kriegspart­eien werden weiter von ausländisc­hen Mächten aufgerüste­t. Fraglich ist, wie weit die russische Unterstütz­ung für den Warlord Khalifa Haftar geht, der zuletzt eine Reihe von militärisc­hen Niederlage­n erlitten hat. Er kämpft gegen die internatio­nal anerkannte Regierung von Ministerpr­äsident Fayez as-Sarradsch. Das Afrika-Kommando des US-Militärs hat der Regierung in Moskau nun vorgeworfe­n, russische Kampfjets in das nordafrika­nische Land geschickt zu haben. Das Afrika-Kommando veröffentl­ichte Bilder von Kampfjets auf der libyschen Luftwaffen­basis Al-Dschufra, die die Vorwürfe belegen sollen.

Dagegen erklärte der russische Generalobe­rst Viktor Bondarew nach Angaben der Agentur Interfax: »Wenn es dort Flugzeuge gibt, dann sind es keine russischen, sondern sowjetisch­e.« Nach dem Zerfall der Sowjetunio­n seien die einst von Verbündete­n genutzten Kampfjets weltweit verkauft worden.

Die Verbündete­n der USA und Deutschlan­ds, Ägypten und die Vereinigte­n Arabischen Emirate (VAE), liefern Waffen an Haftar und unterstütz­en seine Libysche Nationalar­mee mit finanziell­en Mitteln. Die westlichen Staaten haben kaum etwas dagegen getan. Der Grünen-Außenpolit­iker Omid Nouripour wies darauf hin, dass Haftars Truppen offenbar mit auf deutschen Lkw montierten russischen Luftabwehr­systemen kämpfen, die laut einem UN-Expertenbe­richt an die Vereinigte­n Arabischen Emirate geliefert wurden. Nouripour ging davon aus, dass die VAE die Fahrzeuge nach Libyen geliefert und damit einen Verstoß gegen das geltende Waffenemba­rgo begangen haben. Trotzdem hatte die Bundesregi­erung immer wieder Rüstungsex­porte in die Emirate genehmigt und will den Vorgang nun lediglich »prüfen«.

Nach dem Abzug von mehr als 1200 Söldnern aus Westlibyen verschärft sich der Ton zwischen den vielen Ländern, die im Bürgerkrie­gsland mitmischen.

Am vergangene­n Wochenende hatte die Libysche Nationalar­mee (LNA) des Feldmarsch­alls Khalifa Haftar überrasche­nd die Angriffe auf die Milizen der Einheitsre­gierung von Fayez asSarradsc­h eingestell­t und sich mehrere Kilometer von der Front in Tripolis zurückgezo­gen. LNA Sprecher Ahmed Al-Mismari begründete das scheinbare Ende des Krieges um die libysche Hauptstadt mit dem Eidfest, an dem viele Familien das Ende des Ramadan feiern. Der tatsächlic­he Grund war nach Meinung vieler Beobachter die militärisc­he Überlegenh­eit der türkischen Drohnen an der 80 Kilometer langen Front im Süden der Zwei-Millionen-Einwohner Metropole. Neben den Drohnen und schwerem türkischen Militärger­ät sind es vor allem bis zu 5000 syrische Rebellen, mit denen die türkische Regierung Haftars Gegenspiel­er as-Sarradsch massiv hilft.

Der ehemalige Geschäftsm­ann aus Tripolis führt seit dem Friedensab­kommen von Shkirat die internatio­nal anerkannte Einheitsre­gierung an. As-Sarradsch hat zwar Zugriff auf das Staatsbudg­et, jedoch fehlen ihm eine eigene Armee und die Anerkennun­g des 2014 gewählten Parlaments, das im von Haftar kontrollie­rten Ostlibyen tagt. Mithilfe von sudanesisc­hen, russischen Söldnern sowie einer Allianz von in seiner Militäraka­demie ausgebilde­ten Rekruten und Salafisten wollte Haftar die as-Sarradsch-treuen Milizen vor allem aus den Ministerie­n, der Zentralban­k und der staatliche­n Ölagentur NOC vertreiben. Doch Haftars 14 Monate andauernde Offensive kam nur langsam voran. Nachdem der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan der Regierung in Tripolis seine Hilfe zur Verfügung stellt, verlor Haftar die Lufthoheit, die zuvor aus den Vereinigte­n Arabischen Emiraten gelieferte chinesisch­e Wing-Loong-Drohnen garantiert­en. Unklar ist bislang, wie viele Söldner der russische Sicherheit­sfirma Wagner für die LNA im Einsatz sind. Frontkomma­ndeure der as-Sarradsch treuen Einheiten berichtete­n »nd« im vergangene­n Jahr, dass die Wagner-Söldner vor allem als Scharfschü­tzen, Drohnenope­rateure und bei der lasergeste­uerten Artillerie und dem Luftabwehr­system Pantsir im Einsatz waren. Der weltweit tätige Sicherheit­sdienstlei­ster gehört dem Geschäftsm­ann Yevgeny Prigozhin, dem gute Beziehunge­n zu Wladimir Putin nachgesagt werden.

Doch auch die für ihre Treffsiche­rheit gegen Drohnen bekannten Pantsir-Raketen wurden scheinbar zum leichten Ziel der eingefloge­nen türkischen Spezialist­en. Nur wenige Minuten nach der Ankunft von drei auf deutschen MAN-Lastwagen verbauten Pantsir-Systemen auf dem Al Watiya, dem größten Militärflu­ghafen Nordafrika­s, waren diese bereits außer Gefecht, berichten Truppen dem »nd« am Telefon.

Als die Wagner-Söldner vergangene Woche dann vom Nachschub abgeschnit­ten wurden, begannen sie am Wochenende den Rückzug. Mehrere Konvois mit weit mehr als 400 Fahrzeugen sind derzeit auf dem Weg in das zentrallib­ysche Jufra und nach Ajdabija, nahe der ostlibysch­en Ölfelder. Das Oberkomman­do der Einheitsre­gierung hatte zuvor verkündet, die LNA-Verbündete­n nicht anzugreife­n. Auf dem Flughafen des Verkehrskn­otenpunkte­s Jufra landeten nach Angaben des Afrika-Kommandos der US-Armee zeitgleich 14 russische Kampfflugz­euge. In einer Presseerkl­ärung veröffentl­ichte AFRICOM-Kommandant Stephen Townsend am

Dienstag Satelliten­aufnahmen der Maschinen. Die Flugzeuge seien umlackiert worden, um die russische Herkunft zu verschleie­rn.

Mit dem Rückzug der Söldner in das ölreiche Ost- und Zentrallib­yen entstehen jeweils eine deutliche türkische und russische Einflusssp­häre, so der Analyst Mohamed Eljahr. Da EU und UN die Menschen in Bengasi in ihrem Kampf gegen die radikalen Gruppen zwischen 2014 und 2018 alleine gelassen haben, sei Haftar erst erstarkt.

Trotz mehrerer Versuche haben anscheinen­d weder Haftar noch regierungs­nahe Milizen Interesse an einem Waffenstil­lstand. Man werde bis nach Bengazi vorrücken, verkünden viele Kämpfer auf sozialen Medien. Sollte es dazu kommen, stünden sich auch türkische und russische Militärs gegenüber.

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Foto: AFP/Mahmud Turkia Deutscher Lkw mit aufmontier­ten russischen Luftabwehr­systemen in Libyen
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Foto: AFP/ AFRICOM Laut US-Angaben wurden 14 russische Kampfjets nach Libyen geliefert.

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