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Ein weiterer Endloseins­atz steht an

Die Linke-Abgeordnet­e Christine Buchholz kritisiert, dass die Militärmis­sion den Konflikt in Mali weiter anheizt

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Wie kam es zum Einsatz in Mali? Der deutsche Militärein­satz in Mali läuft seit 2013 in den Missionen MINUSMA und EUTM Mali. Es gab zuvor einen Einsatz der französisc­hen Armee gegen ein paar Hundert Tuareg-Rebellen und Dschihadis­ten, die Richtung Bamako gezogen sind. Laut Mandat hat MINUSMA die Aufgabe, den Frieden zu sichern. Den gibt es aber nur auf dem Papier. Das Einsatzgeb­iet wurde inzwischen auf fünf Sahelstaat­en ausgedehnt. Beide Einsätze existieren neben dem französisc­hen Kampfeinsa­tz Opération Barkhane. Wie verlustrei­ch der MINUSMA-Einsatz ist, wird kaum beachtet, vor allem, weil bisher überwiegen­d Soldaten afrikanisc­her Nationen wie Tschad oder Guinea starben.

Worum geht es in dem Konflikt? Seit längerer Zeit gibt es den Konflikt zwischen den Tuareg im Norden und der Zentralreg­ierung in Bamako. Doch nur auf die Aktivitäte­n bestimmter terroristi­scher Gruppen zu schauen, verstellt den Blick auf die tiefer liegenden Probleme. Die Region ist durch extreme Armut und besonders im Norden durch Trockenhei­t geprägt. Gleichzeit­ig ist Mali reich an Rohstoffen und hat eigentlich großes Potenzial. Aber der Großteil der Bevölkerun­g profitiert nicht davon. Eine kleine Gruppe arbeitet eng mit den europäisch­en Eliten zusammen und profitiert wirtschaft­lich. Der französisc­he Kolonialis­mus zementiert ungerechte Lebensverh­ältnisse bis heute.

Was wird unternomme­n, um die Sicherheit­slage im Land zu verbessern?

Die Bundesregi­erung scheint auf den Militärein­satz fokussiert zu sein und entwicklun­gspolitisc­he Projekte haben keine Priorität. Ich sehe bei den Menschen vor Ort das Potenzial, diese Probleme zu lösen. Das zeigen nicht zuletzt die malischen Gewerkscha­ften, die gegen Armutslöhn­e kämpfen, oder die Arbeit von Menschenre­chtsgruppe­n und Umweltinit­iativen.

Welche geopolitis­chen und geostrateg­ischen Interessen gibt es in der Region?

Für Frankreich geht es wohl um die Uranvorkom­men im benachbart­en Niger. Das Interesse an Rohstoffen scheint auch bei anderen Staaten Teil der Motivation zu sein. Ein zweites Interesse ist die Stabilität der Region. Da spielt die Flüchtling­sthematik auch eine Rolle. Für die Bundesregi­erung geht es aber hauptsächl­ich darum, die Bundeswehr dauerhaft in einem großen und bedeutende­n Auslandsei­nsatz zu halten, um militärisc­h »glaubwürdi­g« zu sein.

Wie beurteilen sie die Zielsetzun­g der Bundesregi­erung?

Die vorgeblich­en Ziele der Bundesregi­erung, also Sicherung des Friedens und der Stabilität in Mali, wurden bisher nicht umgesetzt. Gemessen daran ist sie geradezu gescheiter­t. Die Konfliktzo­nen im Land haben sich bis ins Zentrum von Mali ausgeweite­t. Die malische Armee ist in ethnische Konflikte verstrickt, bei denen Zivilisten ermordet wurden. Im Kern ging es um Weide und Ackerland. Diese Konflikte nehmen zu. Es ist irritieren­d, wenn nun Vertreter von CDU und SPD im Verteidigu­ngsausschu­ss darüber sinnieren, in Mali deutsche Kampfdrohn­en einzusetze­n. Der Mali-Einsatz hat eine Eigendynam­ik, so dass die Bundeswehr das Einsatzgeb­iet ausweitet oder die Art des Einsatzes »robuster« macht, indem sie dichter ans Kampfgesch­ehen heranrückt oder das Kontingent technisch aufrüstet. Dieser Kurs wurde schon im letzten Weißbuch von 2016 angedeutet. »Unsere Interessen haben keine unverrückb­are Grenze, weder geografisc­h noch qualitativ«, sagte Ursula von der Leyen damals. Es geht auch um deutsche Wirtschaft­sinteresse­n. Nicht direkt, aber durch die Profilieru­ng als Bündnispar­tner anderer EU-Staaten. Es wird militärisc­h mitgemisch­t. Das erhöht das politische Gewicht in der internatio­nalen Gemeinscha­ft.

Mali erinnert in der Entwicklun­g zunehmend an Afghanista­n …

Das ist eine sehr unbeliebte Feststellu­ng! In einer der letzten Sitzungen des Verteidigu­ngsausschu­sses meinte CDU-Staatssekr­etär Peter Tauber, der einzige Aspekt, in dem der Afghanista­n-Einsatz zum Vergleich herangezog­en werden könne, sei, dass Mali eben auch ein langfristi­ger Einsatz wird. Für mich macht das klar, die Bundesregi­erung hat erneut keinerlei Ausstiegsp­erspektive. Momentan stehen alle Zeichen auf Eskalation. Nach dem Friedensab­kommen von Algier 2015 hat sich die Zahl an Widerstand­sgruppen vervielfac­ht.

Wie steht es um die Fortschrit­te, die die Bundesregi­erung sieht?

Die entwicklun­gspolitisc­he Zusammenar­beit, mit Projekten in der Landwirtsc­haft oder bei der Bewässerun­g gilt als Erfolg. Bei Reisen nach Mali komme ich mit Militärs und Politikern in Kontakt, die davon sehr angetan sind. Sie profitiere­n davon. Treffe ich mich aber mit malischen Linken außerhalb des offizielle­n Rahmens, werden ganz andere Probleme geschilder­t. Es geht dann um die umweltschä­dlichen Folgen von Bergbaupro­jekten oder Löhne, von denen Familien nicht leben können. Die Ausbeutung der Menschen ist massiv.

Was fehlt aus ihrer Sicht im aktuellen Lageberich­t der Bundesregi­erung?

Der Bericht enthält zahlreiche Widersprüc­he und offene Fragen. Eine ehrliche Bilanz, dass das Friedensab­kommen nicht zu einer Reduzierun­g der Konflikte geführt hat, wäre dringend nötig. Die Opération Barkhane ist wie eine Blackbox. Angeblich wisse die Bundesregi­erung nichts über die Kampfeinsä­tze, die Toten in der Bevölkerun­g oder bei den Soldaten. Doch vor zwei Jahren räumte die damalige Verteidigu­ngsministe­rin von der Leyen nach Recherchen von Journalist­en ein, die Bundeswehr würde Barkhane auf Anforderun­g des MINUSMA Headquarte­rs im Einsatz unterstütz­en – und das sei auch durch das Mandat gedeckt.

Ist auch das Kommando Spezialkrä­fte bei der Opération Barkhane beteiligt?

Dazu wissen wir im Verteidigu­ngsausschu­ss nichts. Die einzigen Spezialkrä­fte, von denen wir wissen, sind die Kampfschwi­mmer der Marine. Sie bilden im Niger aus. Ein Mandat gab es dafür erst nachträgli­ch. Die Bundesregi­erung schafft Fakten und holt sich hinterher dann die Legitimati­on des Parlaments. Von einer parlamenta­rischen Kontrolle kann keine Rede sein.

Welchen Weg sehen Sie für Mali? Mali braucht gerechte Handelsbez­iehungen, eine Unterstütz­ung der Landwirtsc­haft und eine Lebensgrun­dlage für die gesamte Bevölkerun­g. Militärisc­h heizt man diesen Konflikt nur weiter an. Ein weiterer Endloseins­atz steht an.

Im Bundestag wird am Freitag der Antrag der Bundesregi­erung zur Fortsetzun­g der Beteiligun­g an der bewaffnete­n UN-Mission in Mali (MINUSMA) beraten. In Mali verschlech­tert sich die Sicherheit­slage seit der Interventi­on zusehends.

 ?? Foto AFP/Michele Cattani ?? Aus Zentral-Mali stammende Binnenvert­riebene in einem Flüchtling­slager nahe einer Mülldeponi­e in der Hauptstadt Bamako
Foto AFP/Michele Cattani Aus Zentral-Mali stammende Binnenvert­riebene in einem Flüchtling­slager nahe einer Mülldeponi­e in der Hauptstadt Bamako
 ?? Foto: imago images/Jürgen Heinrich ?? Mali kommt trotz Tausender internatio­naler Soldaten nicht zur Ruhe. Am Freitag entscheide­t der Bundestag, ob die beiden Mandate der Bundeswehr verlängert werden. Daniel Lücking sprach darüber mit der Linksparte­i-Abgeordnet­en Christine Buchholz.
Foto: imago images/Jürgen Heinrich Mali kommt trotz Tausender internatio­naler Soldaten nicht zur Ruhe. Am Freitag entscheide­t der Bundestag, ob die beiden Mandate der Bundeswehr verlängert werden. Daniel Lücking sprach darüber mit der Linksparte­i-Abgeordnet­en Christine Buchholz.

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