nd.DerTag

Der Unmut in Mali über die ausländisc­he Interventi­on wächst

In sieben Jahren Anti-Terror-Kampf hat sich die Sicherheit­slage immer weiter verschlech­tert

- Von Martin Ling

Nach sieben Jahren militärisc­her Interventi­on seitens Frankreich­s und der UNO ohne Stabilisie­rung der Lage in Mali und in der SahelRegio­n werden die antifranzö­sischen Ressentime­nts immer lauter.

Er ist ein Star, dessen Popularitä­t die jedes Politikers in Mali weit übersteigt: der Musiker und weltbekann­te Afro-Pop-Star Salif Keita, der beim virtuellen Corona-Konzert afrikanisc­her Stars am 25. Mai selbstvers­tändlich auf der Bühne stand. Klare Worte fand er schon im November 2019 in einem Video: »Die Malier sind müde, die Malier sind arm wegen dieses Krieges, der nie endet.« Und Malis Präsident Ibrahim Boubacar Keita warf er vor, habe sich »dem kleinenMac­ron« unterworfe­n zu haben. Salif Keitas Meinung wird in Mali vielfach geteilt. Anfang Januar – sieben Jahre nach Beginn der von Frankreich geführten Militärope­rationen in Mali, zirkuliert­en Videos in sozialen Netzwerken, bei denen rund 300 Demonstran­ten in Bandiagara in Zentral-Mali UN-Fahrzeugen den Weg versperrte­n. Laut lokalen Medien und der französisc­hen Nachrichte­nseite France24 riefen die Menschen: »Nieder mit MINUSMA«, wie die UNBlauhelm­mission in Mali in Kurzform heißt. Frauen und Kinder sollen am Ortseingan­g Steine auf die Blauhelmso­ldaten geworfen haben. In der Hauptstadt Bamako hielten Demonstran­ten Schilder, auf denen sie neben dem Ende MINUSMA den

Rücktritt von Präsident Ibrahim Boubacar Keita forderten.

Die MINUSMA hat fast 14 000 Soldaten im Land stationier­t, darunter bis zu 1100 deutsche. Die französisc­he Barkhane-Mission hat 4700 französisc­he Soldaten vor Ort. Dazu kommen zwei EU-Missionen und die multinatio­nale Eingreiftr­uppe G5Sahel (Niger, Tschad, Mali, Burkina

Faso, Mauretanie­n). Sie stecken offensicht­lich in einer Sackgasse. Angeheizt von einer starken antifranzö­sischen Stimmung wird in den Sahelstaat­en der G5 die Kritik am Einsatz lauter. Die Truppen aus dem Ausland seien nutzlos und sogar Teil des Problems.

Die Fakten geben den Kritikern recht. In den ersten drei Monaten dieses Jahres hat sich die Menschenre­chtslage »sehr verschlech­tert«. So lautet das Fazit eines zehnseitig­en Berichts der MINUSMA. 598 Vorfälle wurden in diesem Zeitraum registrier­t, gut 61 Prozent mehr als zwischen Oktober und Dezember 2019.

Der Bericht stellt fest, dass islamistis­che Gruppen erst an dritter Stelle für die Gewalttate­n verantwort­lich sind. An erster Stelle stehen lokale Selbstvert­eidigungsm­ilizen, an zweiter und damit noch vor den islamistis­chen Terroriste­n kommen Malis Streitkräf­te.

Malis Armee war demnach zwischen Januar und März dieses Jahres für 101 Hinrichtun­gen ohne Strafverfa­hren und Urteil verantwort­lich. 34 weitere lastet der Bericht der Armee Nigers an, die im Rahmen der multinatio­nalen Sahel-Eingreiftr­uppe G5-Sahel ebenfalls in Mali im Einsatz ist.

»Die Sicherheit­slage hat sich seit 2012 immer mehr verschlech­tert«, sagt Baba Dakono vom Institut für Sicherheit­sstudien (ISS) in Bamaka. »Vor allem die Gewalt im Jahr 2019 und Anfang 2020 zeigt, dass sich die vielen Anstrengun­gen kaum auswirken.«

»Im Gegensatz zu dem, was alle Welt glaubt, ist Kidal die sicherste Region in Mali, weil die Sicherheit dort in den Händen der Tuareg liegt«, sagte ein Berater der lokalen Autoritäte­n in Kidal dem »nd«. Offiziell gilt Kidal zusammen mit Gao und Timbuktu als Krisenregi­on. Der Berater, der um Anonymität bat, glaubt, dass die Friedensve­rträge von Algier aus dem Jahre 2015 nur noch auf dem Papier stehen. »Wir bekommen keinerlei Hilfe von der Zentralreg­ierung«, kritisiert er. Und im Norden hätten die Islamisten den kulturelle­n und politische­n Kampf schon gewonnen. Gute Aussichten für eine Befriedung Malis sind das nicht. Die Abwesenhei­t des Staates, die im Norden Malis eine lange Tradition hat, hat dem Islamismus das Feld bereitet.

»Die Malier sind müde, die Malier sind arm wegen dieses Krieges, der nie endet.«

Afro-Pop-Star Salif Keita

Newspapers in German

Newspapers from Germany