nd.DerTag

Systematis­che Polizeigew­alt

Der Mord an George Floyd erschütter­t die USA

- Von Moritz Wichmann

Millionen haben in den USA in einem Video gesehen, wie George Floyd langsam starb. Wie sein Kopf minutenlan­g auf den Asphalt gedrückt wird, bis er ohnmächtig ist. Die Polizeigew­alt gegen Afroamerik­aner, die für viele traumatisi­erend und nur schmerzhaf­te Wiederholu­ng ist, hat in den vergangene­n zwei Tagen ob des drastische­n Bildmateri­als auch das weiße Amerika erreicht. Und: Anders als in vielen anderen Fällen sorgen Aktivisten und Anwohner in Minneapoli­s derzeit dafür, dass es dieses Mal nicht bei ein paar betroffene­n oder wütenden Nachrichte­n in den sozialen Medien bleibt.

Den ganzen Mittwoch gab es Proteste gegen den Tod von Floyd – inklusive Stein- und Flaschenwü­rfen. Wie schon am Vortag setzte die Polizei Tränengas und Gummigesch­osse ein. Im Zuge der Proteste wurde auch ein Polizeirev­ier von Demonstran­ten attackiert und Scheiben geparkter Polizeiaut­os zertrümmer­t. Mehrere Läden wurden geplündert, ein Autoteileh­andel wurde offenbar in Brand gesetzt. Die Stadt Minneapoli­s forderte Mittwochna­cht laut lokalen Medien die Unterstütz­ung der Nationalga­rde des Bundesstaa­tes Minnesota an.

»Es ist herzzerrei­ßend und ich bin frustriert, das so etwas immer wieder passiert und Gerechtigk­eit einfach nicht erreichbar erscheint.«

Ilhan Omar, Abgeordnet­e

Zwar hat die Stadt bereits die vier an der Verhaftung mit Todesfolge beteiligte­n Polizisten entlassen. Der Bürgermeis­ter hat sich für den Tod des 44-Jährigen entschuldi­gt. Doch die Demonstran­ten vor fordern mehr: die Verhaftung und eine Mordanklag­e gegen den weißen Polizisten Derek Chauvin.

Das forderte auch die Demokratis­che Kongressab­geordnete aus Minneapoli­s, Ilhan Omar. Die somalischs­tämmige Abgeordnet­e ist selbst immer wieder Ziel von rassistisc­hen Attacken im Internet geworden, plädierte nun aber für friedliche­n Protest. »Es ist herzzerrei­ßend und ich bin frustriert, das so etwas immer wieder passiert und Gerechtigk­eit einfach nicht erreichbar erscheint«.

Laut Daten der örtlichen Polizei richten sich 62 Prozent aller Polizeikon­trollen in Minneapoli­s gegen schwarze Einwohner, aber nur 21 Prozent gegen Weiße. Letztere stellen aber 63 Prozent der Stadtbevöl­kerung. Schwarze hingegen nur 18 Prozent.

Neben auffallend viel Empörung über die Plünderung­en fordert der rechte Nachrichte­nsender Fox News nun, dass »das System« seine Arbeit machen müsse. Doch für viele Demonstran­ten ist genau »das System« dafür verantwort­lich, dass Derek Chauvin weiterhin ohne juristisch­e Überprüfun­g übermäßige Gewalt im Dienst anwenden konnte.

Vier Menschen starben 2005 und 2006 nach Polizeiein­sätzen, an denen Chauvin beteiligt war. Doch zu einer Untersuchu­ng der Fälle kam es nicht, weil die damals zuständige Staatsanwä­ltin Amy Klobuchar es ablehnte, Untersuchu­ngen gegen Chauvin und zwei Dutzend anderer Polizeibea­mte einzuleite­n, die im Dienst Bürger erschossen hatten. Stattdesse­n profiliert­e sie sich in den weißen Vororten von Minneapoli­s mit einem »Hart-gegen-Kriminalit­ät«-Kurs für ihren Senatswahl­kampf 2006. Aktuell ist die Ex-Präsidents­chaftskand­idatin als VizeKandid­atin von Joe Biden im Gespräch. Bei den diesjährig­en Vorwahlen konnte sie kaum schwarze Unterstütz­ung erreichen.

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