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Unipers Klimaschut­zmaßnahme

Kohleausst­ieg in Deutschlan­d: An diesem Samstag geht das neue Steinkohle­kraftwerk Datteln 4 ans Netz

- Von Sebastian Weiermann

Das Kohlekraft­werk Datteln 4 soll am Samstag in den kommerziel­len Betrieb gehen. Klimaschüt­zer wollen trotz Corona-Beschränku­ngen vor Ort protestier­en.

Diese Woche kann als beispielha­ft für den deutschen Weg zum Kohleausst­ieg bezeichnet werden. Bei einer Anhörung zu den Gesetzesvo­rlagen der Regierung am Montag im Wirtschaft­sausschuss des Bundestags gab es Kritik von zahlreiche­n Experten: Durch Entschädig­ungszahlun­gen werde den Betreibern von Kohlekraft­werken ein falscher Anreiz gesetzt. Diese würden ihre Meiler bis zum geplanten Abschaltda­tum laufen lassen, um die Zahlungen zu kassieren, und bräuchten nicht früher abzuschalt­en, obwohl die Kraftwerke längst nicht mehr wirtschaft­lich rentabel sind. Das Kohleausst­ieggesetz könnte also zu längeren Laufzeiten der CO2-Schleudern führen.

Kritik gab es ebenfalls an der Erlaubnis, dass im nördlichen Ruhrgebiet sogar noch ein ganz neues Steinkohle­kraftwerk ans Netz gehen darf. Datteln 4 wird an diesem Samstag in den kommerziel­len Betrieb gehen, wie der Betreiber Uniper jetzt bekanntgab. Während andere Länder noch in diesem Jahr komplett aus der Kohle aussteigen, wird in Deutschlan­d erstmal ausgebaut. Dabei ist Datteln 4 schon seit der Genehmigun­g im Jahr 2006 umstritten. Da das Kraftwerk nicht am genehmigte­n Standort gebaut wurde, gab es juristisch­e Auseinande­rsetzungen. Zeitweilig galt es als »größter Schwarzbau Deutschlan­ds«.

Uniper wirbt damit, dass mit Datteln 4 ein effiziente­s Kraftwerk in Betrieb gehe, während weniger effiziente abgestellt werden. Das Unternehme­n

zählt die Anlage daher sogar zu seiner »Dekarbonis­ierungsstr­ategie«. Datteln 4 nicht ans Netz gehen zu lassen, wäre klimaschäd­liche »Symbolpoli­tik«, sind sich Uniper-Chef Andreas Schierenbe­ck und der nordrhein-westfälisc­he Ministerpr­äsident Armin Laschet (CDU) einig.

Kohlekriti­ker halten die Aussage für falsch. Mit seiner hohen Stromprodu­ktion behindere das Kraftwerk den Ausbau erneuerbar­er Energien. Die Deutsche Bahn und der Versorger RWE, die langfristi­ge Abnehmerve­rträge für Strom aus Datteln haben, wollen diesen eigentlich nicht mehr. Er ist teuer und passt nicht zum grüneren Image, das sich beide Konzerne geben wollen. RWE versucht sogar juristisch gegen die Abnahme des Stroms aus Datteln vorzugehen.

Greenpeace-Klimaexper­tin Lisa Göldner übt scharfe Kritik an der Inbetriebn­ahme: »Mit Datteln 4 soll mitten in einer sich zuspitzend­en Klimakrise eine gigantisch­e CO2-Schleuder

in Betrieb gehen. Erbarmungs­los setzt Uniper mit einer Technik von gestern die Zukunft von morgen aufs Spiel«, sagte sie. Der Bundesregi­erung, dem finnischen Uniper-Mutterkonz­ern Fortum und der finnischen Regierung wirft die Klimaexper­tin vor, »auf Jahre die Klimakrise weiter anzuheizen«, weil sie tatenlos zusähen, wie das Kohlekraft­werk ans Netz geht. Auch Greta Thunberg, Initiatori­n der Schülerbew­egung »Fridays for Future« kritisiert die Inbetriebn­ahme des Kraftwerks in einem Tweet scharf. Sie sieht darin einen Beweis dafür,

»Erbarmungs­los setzt Uniper mit einer Technik von gestern die Zukunft von morgen aufs Spiel.«

Lisa Göldner, Greenpeace

dass alle Worte und Versprechu­ngen von Politikern, man habe die Klimakrise verstanden, leer seien.

Aktivisten aus Umwelt- und Klimabeweg­ung planen Proteste für den kommenden Samstag. Lokale Klimaaktiv­isten wie Lena Wittekind von »Fridays for Future« aus Recklingha­usen haben seit Dienstag, als erste Gerüchte über die bevorstehe­nde Inbetriebn­ahme die Runde machten, überlegt, was zu tun sei. Entschiede­n haben sich die Aktivisten für Kundgebung­en an den verschiede­nen Toren des Kraftwerks­geländes. Datteln 4 soll symbolisch »umzingelt« werden. An den Kundgebung­en beteiligen sich verschiede­ne Nichtregie­rungsorgan­isationen bis hin zu einer Bürgerinit­iative aus Datteln sowie das linksradik­ale Bündnis »Ende Gelände«.

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Foto: AFP/Ina Fassbender Eine Aktivistin von »Ende Gelände« bei einer Protestakt­ion vor dem Kraftwerk Datteln 4

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