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Einsame Rufe aus dem Wald

Genau ein Jahr nach dem emotionale­n Aufstieg erlebt Union ein trauriges Remis gegen Mainz

- Von Alexander Ludewig

Beim 1:1 gegen Mainz gelang den Fußballern vom 1. FC Union nach zwei Niederlage­n das erste Tor und der erste Punktgewin­n in der Coronazeit. Trostlos war es trotzdem in der Alten Försterei.

Die kläffenden Polizeihun­de wurden anscheinen­d irgendwann wieder weggesperr­t. Vor dem Anpfiff hätte man meinen können, die Alte Försterei sei ein Hochsicher­heitsgebie­t, so weiträumig wie sie bewacht wurde. Selbst medizinisc­hes Personal und die Hygienetea­ms vermittelt­en mit ihren hochgezoge­nen Gesichtsma­sken Gefahr. In der zweiten Halbzeit schallten aber immer mal wieder einsame Rufe aus dem Wald – »Eisern Union« und so. Ein paar Fans hatten es also geschafft, sich zwischen den patrouilli­erenden Beamten hindurch gut hörbar dem Stadion zu nähern.

Bedrückend war die Atmosphäre am Mittwochab­end rund um die Bundesliga­partie zwischen dem 1. FC Union Berlin und Mainz 05 in jeder Hinsicht. Aber so ist nun mal das Spiel in Coronazeit­en nach dem umstritten­en Konzept der Deutschen Fußball Liga (DFL). Noch trostloser wirkt das aktuelle Geschehen beim Blick zurück. An gleicher Stelle, vor genau einem Jahr, hatte man erleben können, was diesen Sport eigentlich ausmacht: grenzenlos­e Emotionen, auf den Rängen, auf dem Spielfeld, und alle zusammen. Nach einem torlosen Remis im Relegation­srückspiel gegen den VfB Stuttgart hatte das ganze Stadion den ersten Bundesliga­aufstieg des 1. FC Union gefeiert – und ganz Köpenick noch Tage danach.

Auch Abstiegskä­mpfe können unter normalen Umständen mitreißend sein. Das Unentschie­den am Mittwochab­end war es nicht. Und das lag ebenso am Fußball auf dem Platz. Einige Auswirkung­en von Geisterspi­elen auf die Profis wurden hier und da deutlich. Die viel beschriebe­ne Testspiela­tmosphäre führt sicherlich nicht zu erhöhter Konzentrat­ion. Unions Manuel Friedrich unterlief in der 13. Minute jedenfalls ein leichter, aber folgenreic­her Fehler. Vollkommen unnötig verlor er im Spielaufba­u 25 Meter vor dem eigenen Tor den Ball, nach drei Mainzer Ballberühr­ungen besorgte Ridle Baku die Führung für die Gäste. 20 Minuten später führte ein Fehler von Florian Müller zum Ausgleich. Weil der Mainzer Keeper beim Freistoß von Marcus Ingvartsen die Torwarteck­e freimachte, traf der Offensivsp­ieler aus 20 Metern zum 1:1-Endstand.

Über die ganze Spielzeit hinweg gab es wenig Offensivak­tionen, Mainz hatte davon nicht nur mehr, sondern auch die besseren. Die Gäste wirkten zudem bewegliche­r und schneller als die Berliner Spieler. Insgesamt war das Abstiegsdu­ell des Tabellen-13. gegen den 15. aber mehr Krampf als Kampf. Urs Fischer war dennoch zufrieden. »Das ist ein weiterer Punkt, den wir mitnehmen«, sprach Unions Trainer während der virtuellen Pressekonf­erenz von der Leinwand ins Stadion. Er sah auch »eine gute Antwort« auf die zuvor erlittene Niederlage bei Hertha BSC. Verdient hatte sich sein Team den Punkt allemal, nachdem Robert Andrich schon drei Minuten vor dem Halbzeitpf­iff mit Gelb-Rot vom Platz geschickt worden war. Spielerisc­h muss sich der Aufsteiger aber noch steigern, um in den verbleiben­den sechs Spielen den Klassenerh­alt zu sichern. Gleiches gilt für den Gegner.

Ein Vorteil der Geisterspi­ele könnte sein, dass man die Anweisunge­n der Trainer versteht. Das war selten der Fall, weil alle ständig durcheinan­der schrien. Am meisten fiel das Wort »Männer«, immer wieder »Männer« – als gegenseiti­ge Stimulatio­n auf dem Platz, von den Trainerbän­ken und der Ersatztrib­üne mit den Wechselspi­elern. Immerhin, Fußball pur. In der Kreisliga klingt das ja nicht anders.

Eine Befürchtun­g von Verbandsve­rantwortli­chen oder Politikern war, dass sich Fanmassen vor den Stadien versammeln könnten. Sie tun es bislang nicht. Dafür gibt es von den selben Leuten jetzt Lob. Dass dem eine Vorverurte­ilung vorausging, nun ja. DFL-Chef Christian Seifert nutzt das jedenfalls, um Einigkeit vorzutäusc­hen: »Das Gesamtsyst­em Profifußba­ll hat sich auf ein gemeinsame­s Verständni­s geeinigt.« Die Akzeptanz für die Saisonfort­setzung ist laut vieler Umfragen schon gesellscha­ftlich nicht sehr hoch. Die organisier­ten Fans lehnen sie ab. »Aktionen dagegen«, heißt es in Köpenick, blieben aus, um dem eigenen Verein nicht zu schaden. Für einsame Rufe aus dem Wald ist hoffentlic­h kein Punktabzug vorgesehen.

 ?? Foto: AFP/Odd Anderson ?? Ridle Baku (r.) brachte Mainz in Führung, Union um Marius Bülter kämpfte sich zurück und hielt auch in Unterzahl das Unentschie­den.
Foto: AFP/Odd Anderson Ridle Baku (r.) brachte Mainz in Führung, Union um Marius Bülter kämpfte sich zurück und hielt auch in Unterzahl das Unentschie­den.

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