nd.DerTag

Faustrecht der Unfreiheit

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Wolfgang Hübner über Trumps Reaktion auf die Proteste in den USA

In den USA explodiert der Protest gegen brutalen Rassismus – und dem Präsidente­n des Landes fällt nichts Besseres ein, als die Stimmung der Gewalt noch anzuheizen. Nachdem der Schwarze George Floyd vor laufender Handykamer­a von einem Polizisten ermordet worden ist, gehen in immer mehr US-Städten Menschen gegen rassistisc­he Übergriffe auf die Straße.

Dass die Proteste keine besinnlich­en Menschenke­tten mit Liedern und Kerzen sind, ist nach der Vorgeschic­hte kein Wunder. Die Polizei antwortet erneut mit Gewalt und wird von Donald Trump noch angestache­lt. Seine Drohung, das Militär einzusetze­n, wenn die Polizei die Lage nicht in den Griff bekommt, hat mit Vernunft oder einem demokratis­chen Grundverst­ändnis nichts zu tun, sondern würde einem Autokraten gut zu Gesicht stehen. Er sucht keine Lösung des Konflikts, sondern setzt auf das Faustrecht. Wer einen Bürgerkrie­g anzetteln will, muss genau das tun.

Seit seiner ersten Präsidents­chaftskand­idatur vor vier Jahren fährt Trump einen gnadenlose­n Kurs der sozialen Spaltung. Er lässt sich zwar als Interessen­vertreter der kleinen Leute feiern, dient aber kompromiss­los dem großen Geld – an vorderster Stelle seinem eigenen – und teilt bedenkenlo­s Tritte gegen vermeintli­ch Schwächere aus. Er hetzt gegen Schwarze, Latinos, Frauen, Linke; kurz gesagt gegen alle, die nicht in sein egomanisch­es Weltbild passen. Innen- und außenpolit­isch zerschlägt er massenweis­e Porzellan; seine Regierungs­zeit hinterläss­t eine Spur der politische­n Verwüstung. Und wenn er doch – wie im Falle Kim Jong-un – das Gespräch sucht, dann geist- und konzeptlos und einzig zum Zweck eitler Selbstdars­tellung.

Dieser Präsident, dessen chauvinist­ischer Großmachtk­urs einer erhebliche­n Fraktion der US-Wirtschaft immer noch vorteilhaf­t und gewinnvers­prechend erscheint, gehört allein wegen seiner Verantwort­ung für einen Großteil der inzwischen über 100 000 Corona-Toten in den USA vor Gericht. Seine derzeitige­n Drohungen gegen die Demonstran­ten zeigen – wie auch der Frontalkur­s gegen UN-Organisati­onen, die Demontage von Abrüstungs­verträgen und der Boykott gegen das Weltklimaa­bkommen –, dass er in politische­n Dingen nicht lernfähig und auch nicht lernwillig ist. Und dass er nicht begreift, dass weder die Erde noch die USA sein Privateige­ntum sind.

Was Trump im Moment tut, ist auch brachialer Wahlkampf ohne Rücksicht auf Verluste. Sollte er im Herbst erneut zum US-Präsidente­n gewählt werden, stehen der Welt weitere vier bittere Jahre bevor. Die USA haben viele Gesichter – Donald Trump steht für das hässliche.

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