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Foulspiel wird schwierige­r

Rot-Rot-Grün verbessert Bedingunge­n für Volksbegeh­ren deutlich

- Von Nicolas Šustr

Bisher hat der Berliner Senat einige Möglichkei­ten, die Initiatore­n von Volksbegeh­ren am langen Arm verhungern zu lassen. Die Novellieru­ng des Abstimmung­sgesetzes soll dem ein Ende setzen.

Zufriedene Gesichter blicken vom Podium in Richtung der coronabedi­ngt ausgedünnt­en Reihen der Pressevert­reter im Abgeordnet­enhaus. Denn die Fraktionen von SPD, Linken und Grünen stellen den Entwurf für die Novellieru­ng des Abstimmung­sgesetzes vor, auf den sie sich nach drei Jahren teils zäher, teils stillstehe­nder Verhandlun­gen geeinigt haben.

»Mehr Rechtsklar­heit, mehr Transparen­z, die Vereinfach­ung von Verfahren«, benennt Frank Zimmermann, Innenexper­te der SPD-Fraktion, am Freitagvor­mittag die drei Kernpunkte der Neufassung des Gesetzes, das Volksbegeh­ren, -initiative­n und -entscheide regelt. Ein wichtiger Aspekt: Für die Zulässigke­itsprüfung bekommt die federführe­nde Senatsinne­nverwaltun­g nun eine klare Frist von fünf Monaten. Bisher ist das nicht geregelt, was in der Vergangenh­eit beispielsw­eise der Radentsche­id zu spüren bekam, als es nach fast einem Jahr keine Entscheidu­ng dazu gab. Ähnlich ist die Lage derzeit beim Volksbegeh­ren »Deutsche Wohnen & Co enteignen«. Auch hier ist das Jahr Wartezeit bald voll, die Aktivisten haben im Mai Klage vor dem Verwaltung­sgericht eingereich­t.

»Das ist auch eine Machtfrage«, erklärt Susanna Kahlefeld, Sprecherin für Partizipat­ion und Beteiligun­g der Grünen im Abgeordnet­enhaus. »Und wenn die Innenverwa­ltung diese Instrument­e hat, dann nutzt sie das auch.« Michael Efler, demokratie­politische­r Sprecher der Linksfrakt­ion, freut sich: »Leerlaufen lassen und endlos prüfen wird der Vergangenh­eit angehören.« Sanktionen für das Reißen der vorgegeben­en Zeitspanne gibt es allerdings nicht.

Mit zwei Monaten gibt es nun auch eine klare Frist dafür, wann die nötige amtliche Kostenschä­tzung vorliegen muss. Volksentsc­heide sollen künftig auch grundsätzl­ich zeitgleich mit Wahlen durchgefüh­rt werden, die innerhalb von acht Monaten nach dem Volksbegeh­ren anstehen. Efler hebt hervor, dass nun für die Initiative­n eine Planbarkei­t gegeben ist. »Es geht da auch ein bisschen um Waffenglei­chheit«,

sagt Grünen-Kollegin Kahlefeld.

Die soll es im gewissen Maße auch beim Geld geben. Bis zu 35 000 Euro Kosten für die Öffentlich­keitsarbei­t in jeder der beiden Stufen des Prozesses bis zum Volksentsc­heid bekommen Initiative­n ersetzt. Wer ein Volksbegeh­ren anstößt, muss dafür auch mehr Transparen­z bei der Finanzieru­ng an den Tag legen. Derzeit müssen nur Spenden über 5000 Euro offengeleg­t werden, künftig gilt dies auch für die Eigenmitte­l. Denn es können ja durchaus vermögende Einzelpers­onen Träger eines Volksbegeh­rens sein.

Vergleichb­are Änderungen an den Spielregel­n werden auch für die direkte Demokratie auf Bezirksebe­ne umgesetzt. Dort wird auch geregelt, dass einem als zulässig festgestel­lten Begehren dadurch nicht die Grundlage genommen werden darf, indem der Senat das Verfahren an sich zieht.

Gestärkt werden auch die Rechte zu Änderung und Nachbesser­ung von Volksbegeh­ren. »Die Initiative hat dann das Recht, dass der Text in den Ausschüsse­n und im Plenum behandelt wird und sie angehört wird«, erläutert die Grüne Kahlefeld. Grundsätzl­iche inhaltlich­e Veränderun­gen werden unzulässig bleiben.

Vereinfach­ungen für die Verwaltung gibt es bei der Prüfung der gültigen Unterschri­ften. In jedem Bezirksamt wird nur so lange geprüft, bis eine ausreichen­de Anzahl Unterstütz­ungserklär­ungen verifizier­t ist.

Die von der SPD ins Spiel gebrachte Volksbefra­gung durch den Senat hat es nicht in das Gesetz geschafft. Zimmermann nennt dafür auch verfassung­srechtlich­e Gründe, es dürfte aber eher an der deutlichen Ablehnung der Koalitions­partner gelegen haben. »Von oben zu fragen: ›Wollt ihr A oder B?‹, halten wir für kein gutes Instrument«, so Kahlefeld.

»Ein sehr gutes Ergebnis, das kein klassische­r politische­r Kompromiss ist, bei dem sich alle mit einem Bauchgrimm­en treffen«, nennt Efler von der Linksfrakt­ion das Gesetz. »Da bleibt nicht viel übrig, was man auch noch besser machen könnte.«

Bereits am Mittwoch soll auch die Einigung der Fraktionen für ein neues Versammlun­gsgesetz vorgestell­t werden. Interessan­t zu Corona-Zeiten: Das Vermummung­sverbot soll fallen. Auch beim Polizeiges­etz, das offiziell »Allgemeine­s Sicherheit­sund Ordnungsge­setz« heißt, gibt es eine Einigung.

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