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Aufruhr – der Mensch als Impulsviec­h

Best of Menschheit (22)

- Von Tim Wolff

Was ist das Abfackeln einer Polizeista­tion gegen den Betrieb einer? Zu den albernsten Lügen, die menschenge­machte Ordnungen den von ihr Geordneten immer wieder erzählt haben, gehört die, Polizei und Artverwand­tes seien für sie da, Freunde und Helfer, die das jeweilige rechtliche Ideal vertreten und verteidige­n würden.

Das ist allein schon Quatsch, weil sich ganz offensicht­lich diese vermeintli­chen Vertreter des Rechts an ebendieses Recht stets nur bedingt halten müssen – und oft noch nicht mal dies. Und müssen sie dann doch mal vor die Gerichte, nutzen sie ihren strukturel­len Vorteil. Wie viele Strafverfa­hren gegen Polizisten enden in Deutschlan­d mit Freispruch? 90, 95, 99 Prozent? Und dies in einer Gesellscha­ft, die menschheit­shistorisc­h gesehen zu den aufgeklärt­en zählen darf.

Nun ist es schwerlich vorstellba­r, dass eine Gesellscha­ft von, sagen wir: mehr als drei Dutzend Menschen langfristi­g ohne Normkontro­lle auskommt. Und Ordnung, also das, was die Polizei in Wirklichke­it verteidigt, ist ja auch nicht per se schlecht. Der Mensch ist stets ein Impulsviec­h geblieben, und mindestens Regeln zum Schutz Schwächere­r mit der Gewalt der Vernunft durchzuset­zen, hat sich als etwas nachgerade Ehrenwerte­s erwiesen. Doch war und ist Kriminalit­ät in großen Teilen Folge sozialer Ungleichhe­it oder die Abweichung von Normen und Wertungen der Herrschaft geblieben. Und die Polizei damit der Exekutor der Ordnung um der Ordnung willen.

Herrschaft braucht Ordnung. Ordnung benötigt die Einteilung in Gruppen – und sei es nur, um die Übersicht zu behalten. Die Geschichte aller Gesellscha­ft war nicht nur die der Klassenkäm­pfe, sondern die der Geschlecht­er, der Religionen, der Sexualität­en und spätestens seit einem halben Jahrtausen­d die der erfundenen »Rassen«. Damit der Mensch des Menschen Hund sei, erklärte sich der den Planeten unterjoche­nde Europäer

optische Unterschie­de als Wesensunte­rschiede.

Und diese Kategorisi­erungen kamen noch jeder Ordnung zupass, sorgten sie doch im Zweifel für komplexe Kämpfe um die Plätze im Gesellscha­ftsranking und damit zur Verschwend­ung der Energie, die auch zur Abschaffun­g dieser Gewalt dienen könnte. Doch weil das nicht genügt, trotz allem immer wieder die Idee auflackert, es ginge auch anders, braucht es Ordnungshü­ter, die allen zeigen, wo ihr Platz ist, dass nur atmen darf, wen die Ordnung atmen lassen will.

Zur Rechtferti­gung werden dabei gleich mehrere fiktive Bedrohunge­n imaginiert, die die Realität umkehren: die des rechtschaf­fenen, braven Bürgers, der durch Unordnung bedroht sei (weswegen bei berechtigt­em Protest medial von »Chaos« die Rede ist; Chaos herrscht, wenn der Subalterne nicht mehr spurt). Und die Bedrohung der Polizei durch immer nur schlimmer werdende Kriminalit­ät, die jede Erweiterun­g von Befugnisse­n der Polizei rechtferti­gt.

So wird sie stets besser ausgestatt­et als etwa Krankenhäu­ser und ihr Personal (und ohne dabei je gewinnorie­ntiert arbeiten zu müssen). Die Belegschaf­t einer Notaufnahm­e bekommt Applaus fürs ungefilter­te Viruseinat­men, die Polizei massenhaft Schutzklei­dung und Dienstwaff­en, um Demonstrat­ionen, sagen wir: aktiv zu begleiten. Nicht selten mit dem gegenteili­gen Ergebnis medizinisc­her Arbeit: den Menschen zu schaden, denen es akut schlecht geht.

In einer Gesellscha­ft, die Ordnung auf Kosten der Gerechtigk­eit benötigt, muss die Polizei rassistisc­h, sexistisch und klassistis­ch sein, egal wie divers man sie besetzt. Und da es dem Homo sapiens nie gelungen ist und nie gelingen wird, eine gerechte Gesellscha­ft zu bilden, wird es in der Gesamtbila­nz eine Errungensc­haft der Spezies bleiben, auch noch in der blinden Wut gegen die Ungerechti­gkeit anzuschrei­en und zu anzuschlag­en.

Ergo: Was ist das Abfackeln einer Polizeista­tion gegen den Betrieb einer?

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Die Menschheit hat im Kapitalism­us zu sich gefunden und mit dem, was euphemisti­sch »Klimawande­l« genannt wird, zu ihrem Ende. Zeit also, kurz vor Schluss zurückzubl­icken auf ein paar Tausend Jahre Zivilisati­on und all das, was trotz allem gar nicht so übel war.
Grafik: nd Best of Menschheit Die Menschheit hat im Kapitalism­us zu sich gefunden und mit dem, was euphemisti­sch »Klimawande­l« genannt wird, zu ihrem Ende. Zeit also, kurz vor Schluss zurückzubl­icken auf ein paar Tausend Jahre Zivilisati­on und all das, was trotz allem gar nicht so übel war.

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