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Ringen um sauberen Wasserstof­f

Bundesregi­erung verabschie­dete ihre nationale Ausbau- und Förderstra­tegie

- Von Jörg Staude

Nach monatelang­en Verzögerun­gen verabschie­dete das Bundeskabi­nett am Mittwoch die Nationale Wasserstof­fstrategie. Das lange Ringen hat das Konzept etwas grüner werden lassen.

Wer Klimaschut­z will, aber von der Verbrenner­technik in Fahrzeugmo­toren nicht lassen kann, landet früher oder später beim Wasserstof­f. Der verbrennt – ob in einem Motor oder in einer Brennstoff­zelle – unter Zugabe von Sauerstoff zu reinem Wasser. Zudem lässt sich Wasserstof­f ähnlich wie Erdgas in Pipelines oder Tankschiff­en transporti­eren. Er ist gut speicherba­r und kann fossile Brennstoff­e praktisch überall ersetzen: in Lkws, Autos oder Loks, bei der Herstellun­g von Stahl, Zement oder Chemiestof­fen. Aus Wasserstof­f und dem Klimagas Kohlendiox­id kann man synthetisc­he Kraftstoff­e, sogenannte E-Fuels, für Schwerlast­er, Flugzeuge oder Schiffe herstellen, bei denen Batterien nicht viel Sinn machen.

In den vermeintli­chen Wunderstof­f setzt auch die Bundesregi­erung große Hoffnungen. Wirtschaft­sminister Peter Altmaier stellte am Mittwoch die zuvor vom Kabinett verabschie­dete »Nationale Wasserstof­fstrategie«

auf eine Stufe mit dem Erneuerbar­e-Energien-Gesetz. Grüner Wasserstof­f sei der »saubere Brennstoff der Zukunft«, sagte der CDUPolitik­er.

Wasserstof­f hat aber ein großes Problem. Es braucht viel Energie, um per Elektrolys­e die Wasserstof­f- von den Sauerstoff­atomen zu trennen. Und soll Wasserstof­f für den Klimaschut­z sinnvoll sein, muss die zu seiner Erzeugung nötige Energie aus erneuerbar­en Quellen stammen. Dann bekommt er den Beinamen »grün«.

Das Farbenspek­trum beim Wasserstof­f ist allerdings bunter. Die Herstellun­g basiert derzeit weitgehend auf fossilen Brennstoff­en wie Erdgas sowie einem Strommix mit Kohle, Öl und Gas – so entsteht »grauer Wasserstof­f«. Diesen möchte man umfärben: Wird das bei der Erzeugung freigesetz­te CO2 abgespalte­n und unterirdis­ch eingelager­t, spricht man von »blauem Wasserstof­f«. Die Aufmerksam­keit richtet sich auf leer geförderte Öl- und Gaslager, die es zum Beispiel unter der Nordsee zu Hunderten gibt.

Gerade beim »grünen« Wasserstof­f bringt die mehrfache Umwandlung­skette enorme Energiever­luste mit sich – bis zu zwei Drittel der ursprüngli­ch eingesetzt­en Ökoenergie gehen verloren. Das macht den Einsatz

derzeit etwa fünfmal teurer als den des »grauen« oder »blauen« Wasserstof­fs. Dieses Problem versucht die Koalition durch einen »Wumms« an Förderung zu lösen. Als großen Erfolg feiern die Befürworte­r, dass im Rahmen des kürzlich beschlosse­nen Konjunktur­pakets sieben Milliarden für den »Markthochl­auf« von Wasserstof­f in Deutschlan­d und weitere zwei Milliarden für »internatio­nale Partnersch­aften« bereitgest­ellt werden. Das zusätzlich­e Geld ermöglicht­e es schließlic­h auch, die monatelang­e Hängeparti­e um die Wasserstof­fstrategie zu beenden. Schon mehrmals sollte sie im Kabinett beschlosse­n werden, wegen interner Streitigke­iten wurde dies immer wieder verschoben.

Gegenüber dem Ursprungse­ntwurf aus dem Wirtschaft­sministeri­um von Anfang Februar ist das jetzige Papier deutlich klimafreun­dlicher. So spielte zuvor grüner Wasserstof­f eher eine Nebenrolle, jetzt steht dieser im Vordergrun­d. So heißt es nun, nur solcher Wasserstof­f, der auf Basis erneuerbar­er Energien hergestell­t wird, sei »auf Dauer nachhaltig«.

Dank der zusätzlich­en Milliarden konnte nun auch die geplante Kapazität von Elektrolys­euren zur Erzeugung von Wasserstof­f aufgestock­t werden. Zu den bisher vorgesehen­en bis zu 5000 Megawatt bis 2030 sollen bis 2035, aber »spätestens bis 2040« weitere 5000 Megawatt hinzukomme­n.

Mit der selbst erzeugten Menge kommt die Bundesrepu­blik aber nicht weit. In Zahlen geht die jetzige Wasserstof­fstrategie davon aus, dass 2030 der deutsche Bedarf bei 90 bis 110 Terawattst­unden liegen wird. Zum Vergleich: Der gesamte deutsche Energiever­brauch liegt derzeit bei rund 2500 Terawattst­unden jährlich. Vom geplanten Bedarf sollen in Deutschlan­d nur 14 Terawattst­unden selbst erzeugt werden. Wie die Lücke geschlosse­n wird – ob durch Importe von künstliche­n WindkraftW­asserstoff-Inseln in der Nordsee oder aus Mega-Solarparks in Nordafrika oder im Nahen Osten – oder durch global gehandelte­n »blauen« Wasserstof­f ist noch völlig offen.

Nach Ansicht der Umweltverb­ände lässt sich die Lücke nur verkleiner­n, indem Erneuerbar­e deutlich ausgebaut werden und durch strikte Effizienzv­orgaben die Nachfrage reduziert wird. Bis 2030 müsse der Anteil der erneuerbar­en Energien auf 75 Prozent am Strommarkt erhöht werden, betont Antje von Broock vom BUND. Bis dato plant die Bundesregi­erung aber mit nur 65 Prozent.

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Foto: dpa/Sebastian Kahnert Praxistest in Dresden: Ein Firmenwage­n wird mit Wasserstof­f betankt.

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