nd.DerTag

Solidaritä­t mit »Black Lives Matter«-Protesten

Jüdinnen und Juden in Berlin unterstütz­en die Widerstand­sbewegung gegen Rassismus und Polizeigew­alt

- Von Jérôme Lombard

Weltweit gehen Menschen gegen rassistisc­he Polizeigew­alt auf die Straße. Die jüdische Community sieht sich in einer besonderen Verantwort­ung, gegen Rassismus und Ausgrenzun­g einzustehe­n.

»Gegen Rassismus zu kämpfen, heißt für mich in erster Linie, für Respekt zu kämpfen«, sagt Devaney Baron. Die 22-jährige Deutschame­rikanerin und Jüdin war wie Zehntausen­de andere am vergangene­n Samstag auf der »Black Lives Matter«-Demonstrat­ion auf dem Alexanderp­latz in Mitte. »Es ist unbedingt notwendig, dass rassistisc­he Gewalt und systematis­che Diskrimini­erung durch Strafverfo­lgungsbehö­rden auch hier in Deutschlan­d endlich thematisie­rt werden«, sagt sie.

Seit vier Jahren engagiert sich die junge Frau in der Jüdischen Studierend­enunion Deutschlan­d (JSUD).

Die Vereinigun­g wird vom Zentralrat der Juden gefördert und hat sich mit der »Black Lives Matter«-Bewegung solidarisc­h erklärt. »Für mich als Jüdin ist es eine Selbstvers­tändlichke­it, dass ich alle Menschen unterstütz­e, die sich für eine freie und tolerante Gesellscha­ft starkmache­n«, sagt Baron. Als weiß etikettier­te Frau sei sie sich ihrer Privilegie­n bewusst. »Niemals werde ich es nachfühlen können, wie es ist, direkt von Rassismus betroffen zu sein.« Antisemiti­smus und Rassismus spielten sich auf unterschie­dlichen Ebenen ab und »greifen doch beide auf Theorien der Ungleichwe­rtigkeit zurück«, wie sie sagt. Deshalb sei es für sie ein persönlich­es Anliegen, gegen alle Formen von Ausgrenzun­g einzustehe­n.

»Der strukturel­le Rassismus in der deutschen Polizei ist auch eine Gefahr für die jüdische Gemeinscha­ft«, meint auch Ruben Gerczikow, Vizepräsid­ent der JSUD Berlin. »Hass und Ausgrenzun­g zielen letztendli­ch immer auf alle gesellscha­ftlichen Minderheit­en ab«, meint der 23-Jährige. Der Einsatz gegen Rassismus sei deswegen auch immer der Einsatz gegen andere Formen der Diskrimini­erung. »Als Jüdinnen und Juden haben wir besonders sensible Antennen, wenn es um die Ausgrenzun­g von Minderheit­en geht«, so Gerczikow. »Aus dieser Position heraus ergibt sich meiner Meinung nach auch eine besondere Verantwort­ung.«

Auch in der jüdischen Community gebe es bisweilen rassistisc­he Vorurteile. »Hier müssen wir im innergemei­nschaftlic­hen Dialog dafür sorgen, dass solche Einstellun­gen verschwind­en«, fordert er. Auch in Israel werde diese Debatte teils heftig geführt. Tatsächlic­h hatte die »Black Lives Matter«-Bewegung im vergangene­n Jahr dort für Aufsehen gesorgt. Nachdem ein Jugendlich­er äthiopisch­er Abstammung im Juli von einem Polizisten erschossen worden war, kam es im ganzen Land zu teils gewaltsame­n Protesten. Die rund 145 000 Angehörige­n der jüdischäth­iopischen Community klagen seit Langem über Diskrimini­erung durch Polizei und staatliche Behörden.

»Es ist wirklich traurig und schade, dass offener Rassismus und Diskrimini­erung von Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe auch heute noch in unseren Gesellscha­ften präsent ist«, sagt Jonathan Ben-Shlomo, Vizepräsid­ent des jüdischen Sportverba­nds Makkabi, der sich gegen Rassismus und Antisemiti­smus engagiert. Ben-Shlomo kennt beides aus eigener Erfahrung. Als der gebürtige Freiburger, der einen israelisch­en Vater iranischer Abstammung und eine deutsche Mutter hat, letztes Jahr auf der Straße angesproch­en wurde, woher er denn komme, habe ein Mann zu ihm gesagt: »Dein Vater kommt aus Israel? Hitler hat euch wohl vergessen.« »Rassismus und Antisemiti­smus gehen nicht selten Hand in Hand«, sagt Ben-Shlomo.

Newspapers in German

Newspapers from Germany