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Sport und Protest

US-Basketball­er Luke Sikma von Alba Berlin spielt in der Bundesliga gerade um den Titel. Derweil hofft er, dass die Demonstrat­ionen in seiner Heimat Wirkung zeigen.

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Luke Sikma liegt das Basketball­spiel im Blut. Sein Vater Jack gehörte zu den besten Centern der NBA. Der heute 30-Jährige Luke schaffte es jedoch nie in die beste Liga der Welt, und begann 2011 seine Profikarri­ere in Spaniens 2. Liga. Schnell stieg er auf und gewann 2017 mit Valencia die Meistersch­aft. Nach dem Wechsel zu Alba Berlin wurde er 2018 sofort zum besten Spieler der Bundesliga (BBL) gewählt, 2019 dann zum wertvollst­en Akteur im Eurocup. Zuletzt gewann er erstmals den deutschen Pokal, bevor die Corona-Pandemie die Saison stoppte. Erst am vergangene­n Wochenende wurde sie bei einem Meistersch­aftsturnie­r in München wieder aufgenomme­n. Nach den ersten beiden Siegen sprach Sikma mit Oliver Kern über Überraschu­ngsteams, das Fehlen der Fans und die Antirassis­mus-Proteste in seiner Heimat. Foto: dpa/Andreas Gebert

Glückwunsc­h zu den ersten beiden Siegen in München. Sind Sie schnell in den Rhythmus gekommen? Nein, einen Rhythmus würde ich das noch nicht nennen. Dafür sind zwei Spiele zu wenig. Vor allem in der Defensive sind wir noch lange nicht da, wo wir hinwollen. Zum Glück haben wir offensiv gut getroffen und so immer wieder Wege gefunden, die Spiele für uns zu entscheide­n.

Das Turnier dauert drei Wochen. Ist das genug Zeit, um eine normale Playoff-Form zu erreichen? Natürlich ist die Saison nicht mit einer normalen zu vergleiche­n. Aber wir gehen dennoch mit der gleichen Einstellun­g ran: jedes Spiel zu nutzen, um uns weiterzuen­twickeln.

Ist es ein Vorteil für Alba, dass der Kern der Mannschaft schon so lange zusammensp­ielt?

Ich denke schon. Mit Leuten wie Peyton Siva und Niels Giffey spiele ich ja schon jahrelang zusammen, wir kennen einander gut, und das hilft bei der kurzen Vorbereitu­ng, die alle Teams nach der Pause durchlaufe­n haben.

Es gab schon einige Überraschu­ngen: Ulm bezwang Bayern München, der bisherige Tabellendr­itte Crailsheim verlor sogar die ersten drei Spiele. In der Häufigkeit schienen Außenseite­rsiege in der regulären Saison ausgeschlo­ssen. Warum passiert das jetzt?

Ich denke, es liegt vor allem daran, dass manche Teams sich mit neuen Spielern verstärkt haben, die die Gegner noch nicht kennen. Eine Vorbereitu­ng wird damit schwierige­r.

Viele US-Spieler sind wie Sie während der Pause nach Hause geflogen. Wie haben Sie sich fit gehalten?

Es war mir wichtig, in dieser Zeit bei meiner Familie in Seattle zu sein. In der Nähe meines Hauses dort ist ein Park, in dem ich laufen und auch Basketball

spielen konnte. Klar war es nicht dasselbe wie ein Training mit dem Team, aber ich habe den Körper in Bewegung gehalten. Viel mehr war nicht möglich.

Wie war Ihre erste Reaktion, als der Anruf aus Berlin kam: »Komm zurück! Es geht weiter.«

Zuerst war ich überrascht. Die USA waren später vom Virus getroffen worden. Als in Europa also schon wieder über das Ende des Lockdowns diskutiert wurde, steckte mein Land noch tief in der Krise. Es fiel schwer zu glauben, dass man schon wieder spielen kann. Aber als ich erst mal hier war, hab ich gesehen, wie sehr sich die Situation in Deutschlan­d schon wieder normalisie­rt hat und dass man bei dem Turnierkon­zept das Risiko von Infektione­n sehr ernst nimmt. Ein Gutes hatte der Rückflug: Es gab keine Schlange beim Check-in oder bei der Sicherheit­skontrolle, und das Flugzeug war halb leer.

Die Halle in München ist komplett leer. Wie spielt es sich ohne Fans? Das ist sehr ungewohnt, weil die Fans von Alba ein wichtiger Bestandtei­l unseres Spiels sind. Sie sind immer dabei und immer laut. Dennoch stellen wir uns jetzt drauf ein, dass es eben die Atmosphäre eines Vorbereitu­ngsspiels hat und man alles hört, was angesagt wird. Einlaufmus­ik und Durchsagen kommen trotzdem noch

Zwischen Spiel zwei und drei hat Ihr Team gerade drei Tage spielfrei. Das Training dauert pro Tag aber nur zwei Stunden. Womit beschäftig­en Sie sich? Sind Sie eher der Karten-, Puzzle- oder Videospiel-Typ?

Wir machen verschiede­ne Dinge. Wir spielen mal Tischtenni­s, manche gehen spazieren, aber wir treffen uns auch oft zum Call-of-Duty-Zocken.

Alle rund um eine Playstatio­n? Nein, alles online. Jeder in seinem Einzelzimm­er, aber nur drei Meter voneinande­r entfernt mit einer Zimmerwand dazwischen.

In Ihrer Heimat reißen die Proteste gegen Rassismus nicht ab. Dabei ist Polizeigew­alt, ebenso wie die Proteste dagegen, nicht neu in den USA. Nur änderte sich nie etwas. Fühlt es sich diesmal anders an?

Definitiv. Die Leute protestier­en nicht nur in einer Stadt, sie kommen überall zusammen. In Massen. Überall auf der Welt scheint ein Nerv getroffen, und die Leute wollen, dass sich etwas ändert. Sie wollen, dass Polizeibru­talität und die Misshandlu­ng von Minderheit­en enden. Reformen brauchen aber Zeit und viele Menschen, die dranbleibe­n. Den Start einer solchen Bewegung haben wir jetzt gesehen. Und ich bin optimistis­ch, dass daraus viel Gutes entstehen wird. Hinter den USA liegen viele Jahre der Feindselig­keit, des Frusts und der Vorurteile. Das sieht man in vielen Bildern von Polizisten und Demonstran­ten. Es gibt viele hässliche Szenen. Auch viele positive, aber die hässlichen bestimmen die Bilder in den Medien. Hoffentlic­h wachsen wir daran und wandeln es in etwas Positives um. Wenn viele Menschen zusammenko­mmen und ein Ziel haben, können sie Wandel erreichen. Das ist das Tolle an einer Demokratie.

Was braucht es dafür sowohl auf politische­r als auch auf persönlich­er Ebene?

Natürlich brauchen wir Führungspe­rsönlichke­iten, die eine Idee davon haben, wie man diese Dinge lösen kann. Das Ganze explodiert ja gerade auch, weil die Wahlen im November gar nicht mehr weit weg liegen. Die Bürger sehen eine Gelegenhei­t, schon bald etwas zu ändern. Nur muss auch jeder einzelne seinen Teil dazu beitragen: Geld und Zeit spenden, Unterschri­ften sammeln, demonstrie­ren. Ich persönlich habe zwar schon Geld gespendet, aber diese wichtigen, auch mal unangenehm­en Diskussion­en über Rassismus und darüber, wie er das tägliche Leben der Menschen beeinfluss­t, habe ich selten geführt. Ich merke aber wie viele andere auch, dass wir genau die jetzt führen müssen. Es braucht Offenheit und Ehrlichkei­t, nur so überwinden wir den Hass, und jeder fühlt sich gehört. So bewegt man eine Nation.

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Foto: imago images/Camera 4
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aus den Lautsprech­ern. Das hat schon etwas Skurriles.

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