nd.DerTag

Blutspur ins Nazihaus

Sprengstof­fanschlag auf Haus einer Antifaschi­stin in Einbeck bei Göttingen. Ein Täter verletzte sich selbst

- Von Simon Volpers

Die Zielperson und ihre Nachbarn hatten Glück: Bei einer von Neonazis herbeigefü­hrten Explosion in Niedersach­sen am Mittwochmo­rgen kam nur einer der Täter zu Schaden.

Antifaschi­sten im südnieders­ächsischen Einbeck müssen sich seit geraumer Zeit mit einer Gruppe Neonazis herumschla­gen. Am Mittwoch haben die fortwähren­den Bedrohunge­n einen vorläufige­n Höhepunkt gefunden. In den Morgenstun­den explodiert­en Sprengsätz­e im Eingangsbe­reich eines Hauses, in dem eine aktive Antifaschi­stin wohnt. Sie war schon zuvor mehrfach Ziel von Attacken aus der rechten Szene. Wie die weiteren Bewohner des Hauses blieb sie glückliche­rweise unverletzt.

In der 30 000-Einwohner-Stadt nahe Göttingen tummeln sich rechte Jugendlich­e und junge Erwachsene gemeinsam mit Neonazis aus der Region. Bis Ende Januar dieses Jahres agierten sie als »Kameradsch­aft Einbeck«. Im Februar traten sie in identische­r Personenko­nstellatio­n als neuer Kreisverba­nd der Kleinparte­i »Die Rechte« auf. Sie betreiben mehrere Facebook-Seiten zu Propaganda­zwecken, organisier­en Minikundge­bungen und treten stets gemeinsam in der Öffentlich­keit auf.

Für einen überregion­alen Eklat sorgten Mitglieder der Gruppe im November letzten Jahres, als sie bei einer Führung in der nahe gelegenen Gedenkstät­te des ehemaligen Konzentrat­ionslagers Moringen das historisch­e Geschehen relativier­ten und anschließe­nd mit T-Shirts mit antisemiti­schen Motiven posierten.

Am 12. Mai wurde laut Auskunft der Antifagrup­pe »161 Einbeck« eine rechte Kundgebung vor dem Wohnhaus einer Aktivistin des Seenotrett­ungs-Solidaritä­tsnetzwerk­s »Seebrücke« abgehalten. Rund drei Wochen zuvor hatten Einbecker Neonazis einer weiteren Person gedroht, sie nachts »besuchen« zu kommen, wie das »Antifaschi­stische Bildungsze­ntrum und Archiv Göttingen« berichtete.

Diesen Plan hat die Gruppe nun offenbar in die Tat umgesetzt. Rasmus

Kahlen, Anwalt der vom Anschlag betroffene­n Frau, sagte am Donnerstag gegenüber »nd«, es sei ein Sprengsatz in den Briefkaste­nschlitz der Eingangstü­r gesteckt worden. Die Wucht der Detonation habe Trümmer und Glasscherb­en im dahinterli­egenden

Hausflur weit verteilt und hätte verheerend­e Verletzung­en verursache­n können, wäre ein Mensch in der Nähe gewesen. Dafür wiederum lieferte ein zweiter Sprengsatz, der an der Hauswand angebracht wurde, den Beweis. Denn einer der Täter verletzte sich offenbar bei dessen Zündung schwer. »Die ganze Tür war mit Blutsprenk­eln bedeckt«, sagte Kahlen. »Die Polizei konnte anschließe­nd der Blutspur folgen und landete zwei Straßen weiter vor einem von Neonazis bewohnten Haus. Diese hatten die Hand des mutmaßlich­en Täters notdürftig abgebunden und waren anscheinen­d gerade auf dem Weg ins Krankenhau­s.«

Das Landesinne­nministeri­um gab am Donnerstag bekannt, die Wohnung zweier Tatverdäch­tiger sei durchsucht worden. Man habe Waffen und andere Beweismitt­el sichergest­ellt. Der verletzte 26-Jährige sei vorläufig festgenomm­en worden. Gegen ihn und einen weiteren Mann werde wegen des Verdachts der Herbeiführ­ung einer Sprengstof­fexplosion ermittelt, teilte die Staatsanwa­ltschaft Göttingen mit. Niedersach­sens Innenminis­ter Boris Pistorius (SPD) verurteilt­e den Anschlag. Man dulde »keinen Extremismu­s, egal wo er herkommt«, sagte er am Donnerstag in Hannover.

Das »Offene Antifaschi­stische Treffen Einbeck« hat für den Freitag zu einer Solidaritä­tskundgebu­ng für von Rechten bedrohte und angegriffe­ne Menschen aufgerufen.

»Die Polizei konnte der Blutspur folgen und landete zwei Straßen weiter vor einem von Neonazis bewohnten Haus.«

Rasmus Kahlen, Anwalt

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