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Moderne Sklaverei in Süditalien

Justiz in Kalabrien geht gegen illegale Arbeitsver­mittler für die Landwirtsc­haft vor

- Von Anna Maldini, Rom

Nach umfangreic­hen Ermittlung­en führten Behörden in Süditalien einen Schlag gegen ein Netzwerk, das Flüchtling­e in der Landwirtsc­haft ausbeutete.

In Süditalien wurden diese Woche 60 Personen verhaftet. Die Anklage lautet »Bildung einer kriminelle­n Vereinigun­g für illegale Arbeitsver­mittlung und Ausbeutung«. Man könnte dazu aber auch sagen: »Sklavenhan­del und Sklavenhal­tung«. Die Arbeitsskl­aven, um die es hier geht, sind etwa 200 Menschen – aus Osteuropa, Pakistan und vor allem aus Afrika –, die vollkommen oder fast vollkommen illegal auf Obstplanta­gen, in Gewächshäu­sern oder auf dem Feld in Süditalien schufteten. Sie wurden von illegalen Arbeitsver­mittlern, die man hier »Caporali« (Gefreite) nennt, vor allem in Auffanglag­ern für Migranten angeheuert; viele dort haben keine Papiere, andere warten seit Monaten auf irgendeine­n Bescheid. Ihnen allen wurden falsche Versprechu­ngen gemacht: Man würde ihnen dabei helfen, schneller ihre Aufenthalt­spapiere zu erhalten, die Familien nachkommen zu lassen und sich in Italien einzuglied­ern.

Die Caporali brachten die von ihnen Rekrutiert­en in baufällige­n Hütten oft ohne Licht und Wasser unter, für die diese dann auch noch horrende Mieten entrichten mussten. Stets frühmorgen­s wurden sie abgeholt und zur Arbeit gebracht, die zehn bis zwölf Stunden dauerte. Für das wenige Essen, das sie bekamen, und sogar für Wasser mussten sie bezahlen. Der Lohn: 80 Cent für eine Kiste geernteter Orangen oder zehn Euro für einen ganzen Arbeitstag. Aber auch hier gab es Unterschie­de: Die osteuropäi­schen Erntehelfe­rinnen, die zum Beispiel Erdbeeren pflückten, bekamen bis zu 28 Euro pro Tag, die Pakistani etwas weniger und die Afrikaner am wenigsten. Sie sind für ihre Arbeitgebe­r nichts anderes als »Affen«.

So gibt es Telefonmit­tschnitte, in denen ein Bauer bei einem Caporale eine bestimmte Anzahl von »Affen« für einen besonderen Feldabschn­itt bestellt. Selbst sauberes Wasser war den Aufpassern für sie zu schade. Einer der Arbeitsver­mittler beschrieb, wie er den Erntehelfe­rn Wasser aus den Bewässerun­gsgräben in schmutzige Flaschen füllte, als sie sich über die Hitze in den Gewächshäu­sern beklagten. Bei Beschwerde­n soll es auch Fälle von körperlich­er Gewalt gegeben haben.

Die Untersuchu­ngen dauerten ein Jahr und wurden von der Guardia di Finanza, einer auf die Bekämpfung von Zollvergeh­en und Wirtschaft­sverbreche­n spezialisi­erten Polizeitru­ppe, durchgefüh­rt. Danilo Nastasi, Kommandant dieser Finanzpoli­zei aus Cosenza in Kalabrien erklärte: »Wir haben über 200 Arbeitskrä­fte ausgemacht, die ausgebeute­t und ihrer Würde beraubt wurden.« Es gehe dabei um ein soziales, aber auch um ein wirtschaft­liches Problem, da so der Wettbewerb zwischen den Unternehme­n verfälscht werde. »Aber in erster Linie geht es uns um die Menschenre­chte!« Sein Kollege Valerio Bovenga aus Sibari beschrieb die Situation so: »Die Arbeiter waren in herunterge­kommenen und verdreckte­n Unterkünft­en ohne Heizung untergebra­cht und mussten häufig auf der Erde schlafen. Sie wurden ausgebeute­t und wie Sachen behandelt: vollkommen rechtlos.«

Die Finanzpoli­zei hat 14 Betriebe beschlagna­hmt, die zusammen etwa 8 Millionen Euro wert sind. Konfiszier­t wurden außerdem 20 Kleinbusse, mit denen die Erntehelfe­r auf die Felder gebracht wurden. Für ihre Arbeiter zahlten die Unternehme­n entweder gar keine oder sehr viel weniger Steuern, als sie hätten zahlen müssen, da sie mittels der Caporali nur einen kleinen Teil der geleistete­n Arbeitsstu­nden dem Finanzamt meldeten. Dabei geholfen haben soll ein Kommunalbe­amter aus Cosenza, der ebenfalls verhaftet wurde.

Illegale Arbeitsver­mittlung dieser Art ist vor allem in Süditalien ein weit verbreitet­es Phänomen. Die bestehende­n Gesetze – das jüngste ist von 2011 – sehen dafür harte Strafen vor. Dennoch bereichern sich skrupellos­e Unternehme­r weiter unter Ausnutzung der Notlage der Migranten. Mehrere kleinere und größere Aufstände dieser Landarbeit­er wurden bereits mithilfe der Mafia brutal erstickt.

Stets frühmorgen­s wurden sie abgeholt und zur Arbeit gebracht, die zehn bis zwölf Stunden dauerte.

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Foto: imago images/Aurora Photos Plantagens­klaven schuften in Italien.

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