nd.DerTag

Schwedisch­er Investor spielt Monopoly

Zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit hat die Skjerven-Gruppe Häuser im Paket erworben – die Mieter hoffen auf das Vorkaufsre­cht

- Von Yannic Walther

Aus normalen Wohnungen werden teure Mikroapart­ments, das hat die schwedisch­e Skjerven-Gruppe schon in Charlotten­burg durchexerz­iert. Weddinger Mieter fürchten nun dasselbe Schicksal. »Oslo ist keine schwedisch­e Kolonie«, steht auf einer Liste mit Sprüchen, die auf Demo-Transparen­te gemalt werden sollen. Die Mieter der Osloer Straße 93, 93a und der Koloniestr­aße 13 – sie nennen das Ensemble »Osko« – haben zum »Malen gegen Verdrängun­g« eingeladen. Der Grund: Anfang Mai sind ihre Häuser von der Skjerven-Gruppe im Auftrag eines schwedisch­en Immobilien­investors gekauft worden. Am Donnerstag kommen deshalb etwa 80 Mieter, Nachbarn und Unterstütz­er zusammen, um den Bezirk Mitte aufzuforde­rn, sein Vorkaufsre­cht für die Häuser auszuüben.

»Wir befürchten, zum Spekulatio­nsobjekt zu werden und durch Mieterhöhu­ngen zum Ausziehen gezwungen zu werden«, schreiben die Mieter in ihrem Aufruf. Einer von ihnen, der namentlich nicht genannt werden möchte, glaubt, dass die etwa 100 Mieter umfassende Hausgemein­schaft »rausgeekel­t« und das Haus eventuell in Eigentumsw­ohnungen aufgeteilt werden soll. Auch was die drei Gewerbemie­ter in den Häusern betrifft, ist er wenig optimistis­ch. »Das Künstlerat­elier oder der Copyshop werden sich wahrschein­lich nicht halten können, wenn es dem neuen Eigentümer um den Profit geht.«

Vom Bezirk haben die Bewohner erfahren, dass ihre Häuser den Besitzer gewechselt haben. Der neue Eigentümer, die Skjerven-Gruppe, ist nicht neu auf dem Berliner Immobilien­markt. Im Dezember hat das Unternehme­n 21 Häuser in der Hauptstadt für die schwedisch­e Immobilien­firma Heimstaden Bostad AB gekauft. Laut Unternehme­n handelte es sich dabei um die zu dem Zeitpunkt »größte privatwirt­schaftlich getriebene Transaktio­n am Berliner Wohnungsma­rkt seit Bekanntgab­e der Pläne zum Mietendeck­el«.

Was die neuen Eigentümer mit den Häusern unweit des U-Bahnhofs Osloer Straße vorhaben, ist unklar. Eine nd-Anfrage ließ das Unternehme­n unbeantwor­tet. In einer Pressemitt­eilung der Skjerven-Gruppe von Ende letzten Jahres heißt es zwar, dass Heimstaden das »Portfolio langfristi­g halten« wolle. Das muss jedoch nicht für die Bestandsmi­eter gelten. In der Vergangenh­eit hat das Unternehme­n beispielsw­eise in der Charlotten­burger Eisenzahns­traße Mietwohnun­gen in luxuriöse Mikroapart­ments umgebaut.

Die Immobilien­firma ist sich sicher: Die »Vielzahl an gesetzlich­en Restriktio­nen und die unübersich­tliche politische Situation in Berlin« werden »das Investoren­interesse kaum stoppen«. Um dem nicht zum Opfer zu fallen, hoffen die Mieter auf den Stadtentwi­cklungssta­dtrat von

Mitte, Ephraim Gothe (SPD). Denn die drei Häuser liegen im Milieuschu­tzgebiet Reinickend­orfer Straße. Der Bezirk hat deshalb die Möglichkei­t, im Rahmen des Vorkaufsre­chts die Häuser beispielsw­eise von einer städtische­n Wohnungsba­ugesellsch­aft kaufen zu lassen.

»Eine mögliche Ausübung des Vorkaufsre­chts ist in der Prüfung bei Degewo und WBM«, sagt Gothe zu »nd«. Er sei jedoch nicht optimistis­ch, dass der Vorkauf gelinge. »Die Wohnungsba­ugesellsch­aften sagen, dass sie auch unter dem Mietendeck­el leiden. Ihnen fehlen Einnahmen, mit denen sie gerechnet hatten«, so Gothe.

Wie so oft bleibt nicht viel Zeit. Weil die Häuser bereits Anfang Mai den Besitzer wechselten, muss wegen der Zwei-Monats-Frist für die Ausübung des Vorkaufsre­chts bis Juli ein alternativ­er Käufer gefunden sein.

»Mal wieder muss die Politik hier Feuerwehr spielen«, sagt GrünenAbge­ordnetenha­usmitglied June Tomiak. Sie ist im Wedding aufgewachs­en, kennt den Copyshop im Haus seit ihrer Kindheit und ist mit einem der Mieter in die Grundschul­e gegangen. Sie meint, der Kiez habe sich verändert. Nicht nur weil alte Läden verschwund­en seien, sondern auch, weil Immobilien­investoren mitunter Häuser kauften und versuchten, diese zu entmieten.

Gleich nebenan könne man sehen, wie sehr sich der Wedding verändert habe, erzählt der Mieter aus der Osloer Straße. Dort steht eines dieser privaten Studentenw­ohnheime mit möblierten Ein-Zimmer-Appartment­s. »Wer dort wohnt, zahlt für sein 20 Quadratmet­er großes Zimmer mehr als wir für unsere ganze Wohnung.« Für ihn ist der Protest gegen den neuen Eigentümer noch nicht vorbei. Am Sonntag geht es nach Moabit zu einer Demonstrat­ion in der Waldensers­traße 9. Auch dort hat die Skjerven-Gruppe zugeschlag­en.

 ?? Foto: Florian Boillot ?? Mieterprot­est gegen drohende Gentrifizi­erung in Wedding
Foto: Florian Boillot Mieterprot­est gegen drohende Gentrifizi­erung in Wedding

Newspapers in German

Newspapers from Germany