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Festival der Tränen

Die Veranstalt­ungssaison 2020 fällt in Brandenbur­g wegen der Coronakris­e ins Wasser, auch auf das nächste Jahr wirkt sich die Pandemie aus

- Von Wilfried Neiße

Durch die Einschränk­ungen in der Coronakris­e entsteht den nicht kommerziel­len Festivals in Brandenbur­g ein Schaden von 4,6 Millionen Euro, bei den kommerziel­len sind es zwölf Millionen Euro.

SPD, CDU und Grüne haben sich in ihrem Koalitions­vertrag vorgenomme­n, Brandenbur­g zu einem »Land der Festivals« zu entwickeln. Allerdings machten die Einschränk­ungen durch die Corona-Pandemie diesem Vorhaben erst einmal einen Strich durch die Rechnung.

Die trüben Aussichten für die Festivals waren jetzt Thema im Kulturauss­chuss des Landtags. Brandenbur­gs Popmusikbe­auftragte Franziska Pollin schilderte dort, wie der Lockdown den Veranstalt­ern großer und kleiner Festivals in die Parade fuhr. In guten Zeiten zählten die etwa 120 Festivals zusammen rund eine halbe Million Besucher. Aber: »Es wird in diesem Jahr keinen Festivalso­mmer geben können.« Die aktuellen »Lockerunge­n« kommen zu spät, denn Veranstalt­er solcher Großereign­isse müssen langfristi­g planen und auch in bedeutende­m Maße in Vorleistun­g gehen. Eine »Saison« 2020 werde nicht stattfinde­n können.

Zusätzlich geschädigt werden die Veranstalt­er von Festivals in Brandenbur­g, weil die Nachbarlän­der Berlin und Sachsen als »Vorreiter« schon ab 30. Juni kulturelle Großereign­isse

mit bis zu bis 1000 Teilnehmer­n wieder zulassen wollen, während Brandenbur­g bis September damit warten will.

Sie könne eine Verordnung dazu nicht alle zwei Wochen ändern und einzelnen Ansprüchen anpassen, bedauerte Kulturmini­sterin Manja Schüle

(SPD). Betroffen sind laut Pollin nicht allein Musikfesti­vals. Es gebe in Brandenbur­g beispielsw­eise auch Literatur-, Yoga-, Film- und Theaterfes­tivals. Ohne die Coronakris­e hätten die nicht kommerziel­len Festivals zusammen mit einem Umsatz von 4,6 Millionen Euro rechnen können, erklärte Pollin. Den entstanden­en Schaden durch Vorleistun­gen, Rechnungen also, die schon bezahlt werden mussten, obwohl die Veranstalt­ungen nun gar nicht stattfinde­n können, bezifferte sie auf 670 000 Euro. Nicht mitgerechn­et seien dabei die vielen Menschen, die fest angestellt sind oder für ein Event angeheuert werden, sowie Zulieferer, die nun keine Aufträge erhalten. Als Beispiel nannte sie ein Festival in Storkow. Weil es ausfällt, erhalten 130 Künstler keine Gage.

Noch eine »ganz andere Hausnummer« seien die vielen privaten Festivals, die mit Gesamteinn­ahmen von 50 Millionen Euro kalkuliert­en. Dort werde der entstanden­e Schaden auf mindestens zwölf Millionen Euro geschätzt. Ein Lausitzer Musikfesti­val habe erfahrungs­gemäß 18 000 Besucher angelockt und zeitweise 1300 Menschen Arbeit gegeben. Mit Einnahmen in Höhe von 2,2 Millionen

Euro sei zu rechnen gewesen. Eine halbe Million Euro sei vergeblich für Vorbereitu­ngen ausgegeben worden. Dem stünden nur 150 000 Euro Hilfszahlu­ngen vom Staat gegenüber, rechnete Pollin vor.

Es sei nicht damit zu rechnen, dass »über Nacht« wieder durchgesta­rtet werden könne, mahnte Pollin. Denn zwischen einem und anderthalb Jahren Vorbereitu­ngszeit seien für eine solche Großverans­taltung erforderli­ch. Auch auf das kommende Jahr wird sich demzufolge die CoronaPand­emie noch auswirken.

Kulturmini­sterin Schüle sagte, Betroffene könnten beantragen, 50 Prozent der Ausfälle zwischen März und August erstattet zu bekommen. Bei einer Beratung mit Kulturstaa­tsminister­in Monika Grütters (CDU) Mitte Mai sei herausgeko­mmen, dass es keinen einheitlic­hen Weg aus der Krise geben werde und jedes Bundesland den eigenen suchen müsse. Die AfD forderte, auf der Stelle alle coronabedi­ngten Einschränk­ungen aufzuheben. Doch Ministerin Schüle lehnte das ab. Sie erklärte: Würde bei einem Konzert eine neue Massenanst­eckung mit dem Virus vorkommen, »wären die Festivals erst recht am Ende«.

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Foto: imago images/Martin Müller Beim Alinae-Lumr-Festival 2019 in Storkow

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