nd.DerTag

Ein Akt der Revolte

Ljavon Volski huldigt auf seinem neuen Album »Ameryka« einer alten Sehnsucht

- Von Ingo Petz

Es ist noch nicht so lange her, da galten die USA vor allem im Osten als Freiheitsv­ersprechen. Auch für Ljavon Volski – den kaum jemand kennen dürfte. Den aber kennen sollte, wer sich für die komplexen Zusammenhä­nge in Osteuropa interessie­rt. In Belarus ist er ein Star, zumindest für diejenigen, die an so was wie demokratis­che Freiheit glauben. Volskis innere Mission ist bereits im Familienna­men angelegt, der mit »Wille zur Freiheit« übersetzt werden kann. Unter anderen Bedingunge­n würde einer wie Volski Konzerthal­len füllen und ein Rockstarle­ben führen. Stattdesse­n lebt er aber in einer kleinen Wohnung in Minsk und muss sich immer wieder neue Aktionen einfallen lassen. Denn ein Rockstarle­ben in Belarus muss man sich leisten können.

Gerade erst tourte er durch die USA, Polen, Israel oder Deutschlan­d – virtuell. Einerseits wollte Volski seinen Fans, die in Quarantäne oder Lockdown festsitzen, musikalisc­he Erleichter­ung liefern, anderersei­ts muss er auch schauen, wo das Geld herkommt. Es gab Jahre, da konnte er in seiner Heimat überhaupt nicht auftreten, stattdesse­n spielte er Exilkonzer­te in Litauen.

Der 1965 geborene Musiker und Künstler ist seit Jahren Kritiker der Autokratie des Staatschef­s Aljaksandr Lukaschenk­a, die sich 1994 festgesetz­t hat. Im selben Jahr gründete Volski – als Akt der Revolte – die Band N.R.M., eine Abkürzung für Die Unabhängig­e Republik der Träume. Mit ihrer Mischung aus Punk, Grunge und sozialkrit­ischen Texten gewann die Band in der neueren belarussis­chen Kulturgesc­hichte an Bedeutung und forderte den staatliche­n Repression­sapparat

heraus. Dass Volski bis heute nicht im Gefängnis gesessen hat, ist wohl nur der Tatsache zu verdanken, dass ihm seine Bekannthei­t einen gewissen Schutz bietet.

Volski hat schnell verstanden, dass er sich eine musikalisc­he Wandelbark­eit zulegen und ein breites Publikum heranziehe­n muss, wenn er überhaupt eine Chance haben will, als kritischer Musiker durchzukom­men. So beherrscht er viele Genres: von Hardrock und Punk bis zu Chanson, Ska oder Folk. Auf dem neuen Soloalbum »Ameryka« verschreib­t er sich seinen US-amerikanis­chen Einflüssen, wie The Byrds, Johnny Cash oder The Beach Boys. In den schlicht instrument­ierten Stücken, in der die Akustikgit­arre tonangeben­d ist, spielt Volski mit der jugendlich­en Sehnsucht nach der großen Illusion, die die Staaten einst verkörpert­en. So singt er in dem gleichnami­gen Lied: »Hallo Amerika! Nehmen Sie mich in Ihre Playlist auf. Übersee ein neues Ufer.« Volski huldigt seinen musikalisc­hen Idolen und seinem alten Traum. Es ist nicht sein bestes Album geworden, aber ein sehr persönlich­es – eines, das den Geist einer Freiheit atmet, die sich Volski selbst erkämpft hat in einem unfreien Land.

Ljavon Volski: »Ameryka« (MediaCube Music)

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Die CD der Woche. Weitere Texte unter dasND.de/plattenbau
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