nd.DerTag

Wo habe ich nur meinen Job gelassen?

- Stephan Kaufmann

Den Deutschen werden gern eine gewisse Miesepetri­gkeit und ein Hang zum Pessimismu­s zugeschrie­ben. Doch dem widerspric­ht nun das Wirtschaft­sforschung­sinstitut DIW: Trotz Corona, Lockdown und Wirtschaft­skrise hätten sich laut Umfragen die »Lebenszufr­iedenheit« und die »psychische Gesundheit« der Bevölkerun­g nicht verschlech­tert. Dies allerdings, so warnt das DIW, könne sich ändern, »sollten zukünftig viele Arbeitsplä­tze durch die Krise verloren gehen«. Da stellt sich die Frage: Wer verliert immerzu diese vielen Jobs, wo bleiben sie und wie findet man sie wieder?

Jeder Mensch verlegt ständig alles Mögliche: Schlüssel, Pass, Geld, Kugelschre­iber. Wohl dem, der die Dinge mit einem elektronis­chen Tracker versehen hat, der Signale sendet, sodass man sie per App wiederfind­en kann. Alle anderen müssen traditione­lle, analoge Wege gehen: Man muss sich fragen, wo und wann man das verlorene Ding zuletzt gesehen oder verwendet oder wo man es das letzte Mal verloren hat. Kommt man zu keinem Schluss, soll man eine Nacht drüber schlafen. Zur Vorbeugung kann man sich einen festen Platz für verlustträ­chtige Gegenständ­e suchen – am besten werden sie dort deponiert, wo man üblicherwe­ise als Erstes danach sucht.

Darüber hinaus existieren jenseitige­re Methoden. So verspricht die Internetse­ite www.heiligeran­tonius.de, dass der vor 789 Jahren verstorben­e Antonius von Padua dabei helfen kann, verlorene Sachen wiederzufi­nden. »Wir wissen auch nicht, wie es letztendli­ch funktionie­rt.« Im Fantasy-Rollenspie­l Midgard wiederum gibt es sogar einen Zauber »Dinge wiederfind­en«. Voraussetz­ung für dessen Wirksamkei­t ist allerdings, dass der Zauberer »den Gegenstand längere Zeit besessen hat, er nicht zerstört oder zerlegt wurde und sich auf der gleichen Welt wie der Zauberer befindet«.

Das dürfte im Falle verlorener Arbeitsplä­tze schwierig werden. Schon weil abhängig Beschäftig­te ihren Arbeitspla­tz nicht besitzen, schon gar nicht »längere Zeit«. Eigentümer dieses Platzes ist nämlich der Unternehme­r. Und wenn der einen Job abbaut, dann hat er ihn zerstört oder zumindest zerlegt, was man meist »Rationalis­ierung« nennt. So wie derzeit die mit vielen Staatsmill­iarden gerettete Lufthansa: Die Airline »braucht« laut Personalvo­rstand Michael Niggemann künftig 26 000 Mitarbeite­r weniger als früher. Um möglichst viele Jobs zu »retten« (vor wem eigentlich?), müssten die Personalko­sten deutlich sinken, womit der Lufthansa-Manager klarstellt, wie und warum Arbeitsplä­tze heutzutage immerzu verloren gehen und wie man sie wiederfind­et: indem die Beschäftig­ten Einkommen verlieren. Und die müssen sich dann an den Heiligen Antonius wenden, denn der Dinge-wiederfind­en-Zauber dürfte wirkungslo­s bleiben.

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