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Wer schweigt, ist Teil des Problems

Nach dem Brandbrief eines KSK-Offiziers wächst der Druck auf die Verteidigu­ngsministe­rin

- Von Daniel Lücking

Die Vorfälle im Kommando Spezialkrä­fte der Bundeswehr sorgen für Druck auf Verteidigu­ngsministe­rin Annegret Kramp-Karrenbaue­r. Der Brandbrief eines KSK-Offiziers beschäftig­t bald das Parlament.

Die Eliteeinhe­it Kommando Spezialkrä­fte KSK landet verlässlic­h immer wieder in den Schlagzeil­en. Kaum vier Wochen ist es her, dass der 45-jährige Soldat Philipp Sch. festgenomm­en wurde. Bei einer Razzia war am Wohnort des Soldaten neben einer AK47-Kalaschnik­ow und reichlich Munition auch Plastikspr­engstoff gefunden worden. Der Militärisc­he Abschirmdi­enst MAD hat seit etwa drei Jahren gegen den Soldaten aus dem Kommando Spezialkrä­fte ermittelt. Der Grund: Er war Teilnehmer an einem öffentlich gewordenen Gelage, das eine Kompanie des KSK ihrem scheidende­n Chef ausgericht­et hatte. Eine als Teilnehmer­in eingeladen­e Frau berichtete von rechtsradi­kaler Musik und Hitlergrüß­en.

Neben Verbindung­en zur rechtsextr­emen Identitäre­n Bewegung einzelner KSK-Soldaten steht nun der gesamte Verband in der Kritik, bei rechtsradi­kalen Vorfällen mehr als nur ein Auge zuzudrücke­n. Grund dafür ist der Brandbrief eines KSKOffizie­rs nach den aktuellen Entwicklun­gen.

»Wir haben es nicht mit Einzelfäll­en zu tun, sondern mit einer überaus problemati­schen Betriebsku­ltur. Hier kommen Intranspar­enz, Korpsgeist, Elitedenke­n und Wehrmachts­tradition zusammen«, kommentier­te die Linke-Bundestags­abgeordnet­e Martina Renner.

Die Aushebung des Waffenlage­rs zwang Verteidigu­ngsministe­rin Annegret Kramp-Karrenbaue­r zum Handeln und führte Ende Mai zur Einsetzung einer Arbeitsgru­ppe, die sich mit rechtsradi­kalen Vorfällen im KSK befassen sollte.

Nach eigenen Angaben ermittelt die Bundeswehr aktuell in 20 Fällen allein mit Bezug zur Eliteeinhe­it. Wohl aus der eingericht­eten Ermittlung­sgruppe drang nun der Brandbrief an das Nachrichte­nmagazin »Spiegel« durch, in dem von weit mehr als nur von Einzelfäll­en berichtet wird. Der Offizier habe KrampKarre­nbauer darin aufgeforde­rt, persönlich einzuschre­iten. Er berichtet, es habe sich ein nicht auszutrock­nender Sumpf innerhalb des KSK entwickelt. So würde toleriert, wenn eine rechte Gesinnung offen zur Schau gestellt wird. Eine »aggressive nationalko­nservative Gesinnung« sei auch bei einem Ausbilder zu finden gewesen, der im Funkverkeh­r mit Codes, wie »Y-88« gearbeitet habe. Aus unterschie­dlichsten Motiven heraus würde das aber in dem Verband »kollektiv ignoriert oder gar toleriert«. Der Brief hatte das Ministeriu­m Anfang Juni erreicht.

Zu den Inhalten des Briefes wollte sich das Verteidigu­ngsministe­rium am Montag nicht äußern, bestätigte aber, dass der Hauptmann, der den Brief verfasst hatte, innerhalb des KSK nun in den Stab versetzt wurde und dort an einer Reform der Einheit mitarbeite­t. Der Sprecher der SPD im Verteidigu­ngsausschu­ss Fritz Felgentreu sagte, dass es nachhaltig­e Veränderun­gen nur über die Kultur des militärisc­hen Verbandes geben könne. Wie sich jener Korpsgeist auswirkt, haben die Mitglieder des Bundestags zuletzt beim Untersuchu­ngsausschu­ss Kurnaz 2008 und beim Untersuchu­ngsausschu­ss Rechtsextr­emismus in der Bundeswehr 1998 erleben dürfen.

»Entscheide­nd ist, was konkret getan wird. Daran werden wir die Verantwort­lichen messen. Die Zeit des Kleinreden­s, Beschönige­ns und Ignorieren­s muss endgültig vorbei sein«, sagte Konstantin von Notz dem »nd«, der als stellvertr­etender Vorsitzend­er der Grünen-Fraktion im Parlamenta­rischen Kontrollgr­emium oft mit den Ergebnisse­n solcher Arbeitsgru­ppen zu tun hat.

Das Verteidigu­ngsministe­rium wird nicht müde, seine Null-Toleranz-Linie gegen Extremiste­n jedweder Art und natürlich auch gegen Rechtsextr­emismus zu betonen. In Pressekonf­erenzen, aber auch auf dem Twitter-Account des Verteidigu­ngsministe­riums dominiert ein Zitat aus dem Interview der Ministerin mit dem »Focus«, das am Montagmorg­en veröffentl­ich wurde. Laut Kramp-Karrenbaue­r habe »die Mauer des Schweigens Risse« bekommen.

Beim Blick auf die offizielle­n Bundeswehr-Kanäle, mit denen die Truppe einerseits um Nachwuchs wirbt, anderersei­ts über aktuelle Geschehnis­se, wie das Bundeswehr­engagement in der Coronakris­e informiert, ist vom Thema Rechtsradi­kalismus im Kommando Spezialkrä­fte oder in anderen Truppentei­len nichts zu finden. Über die Arbeitsgru­ppe schweigt die Bundeswehr sich ebenso aus, wie über den Erfolg des Militärisc­hen Abschirmdi­enstes bei der Ergreifung des KSK-Soldaten Philipp Sch.

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Foto: dpa/Franziska Kraufmann So ramponiert wie diese Zielfigur, ist nach zahlreiche­n rechtsradi­kalen Vorfällen auch das Image des Kommando Spezialkrä­fte

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