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Das Covid-Pharma-Rennen läuft

Weltweit haben Unternehme­n bereits 161 mögliche Corona-Impfstoffe in der Pipeline

- Von Hermannus Pfeiffer

500 Milliarden Euro setzten die 21 größten Pharmafirm­en 2019 weltweit um. Jeder fünfte Euro floss dabei in Forschung und Entwicklun­g. Corona könnte nun besonders kostspieli­g werden.

Sollte es dem französisc­hen Pharmahers­teller Sanofi gelingen, einen wirksamen Impfstoff gegen Covid-19 zu entwickeln, erhalten die USA Sonderrech­te bei der Bestellung. Grund ist eine finanziell­e Beteiligun­g an den Entwicklun­gskosten. Gezahlt wird sie von der Biomedical Advanced Research and Developmen­t Authority (Barda), einer dem amerikanis­chen Gesundheit­sministeri­um unterstell­ten Behörde. »Die US-amerikanis­che Regierung hat das Recht auf die größte Vorbestell­ung, weil sie bereit war, die finanziell­en Risiken mitzutrage­n«, löste Paul Hudson, Vorstandsv­orsitzende­r bei Sanofi, Mitte Mai einen Skandal aus.

Nach heftiger öffentlich­er Kritik ruderte das größte Pharmaunte­rnehmen in der EU zumindest teilweise zurück. Der Impfstoff werde allen Bürgern zur Verfügung gestellt. Frankreich­s Präsidente­n Emmanuel Macron hatte die proamerika­nische Aussage des Briten in Rage gebracht, er zitierte Hudson zu sich. Diesen Dienstag wird Macron nach Angaben französisc­her Medien das Impfstoff-Zentrum von Sanofi in Lyon besuchen. Macron würde Impfstoffe gerne dem Marktmecha­nismus entziehen.

Dazu dürfte es nicht kommen. Weltweit hat ein Rennen der großen Pharmaunte­rnehmen um den lukrativen Impfstoff eingesetzt. »161 Impfstoff-Kandidaten sind in der Pipeline«, berichtete­n die Gesundheit­sexperten der Beratungsg­esellschaf­t EY am Montag in einem Pressegesp­räch. Solch eine Häufung habe es noch nie gegeben. Zehn Kandidaten befinden sich bereits in der klinischen Erprobung. Sanofi wird damit erst im Herbst starten.

Am Wochenende wurde bekannt, dass Frankreich, Deutschlan­d, Italien und die Niederland­e eine Impfstoffa­llianz geschlosse­n haben. Die »EUPioniere«, so Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU), haben mit dem Pharmaries­en Astra-Zeneca eine Lieferung von mindestens 300 Millionen Impfdosen ausgemacht. Legt man den Preis für eine normale Grippeimpf­ung von 11 bis 14 Euro zugrunde, beläuft sich der EU-Deal auf drei bis vier Milliarden Euro.

Das in Cambridge ansässige britisch-schwedisch­e Unternehme­n hatte zuvor schon Verträge mit englischen, US-amerikanis­chen und indischen Behörden geschlosse­n. In einer Mitteilung verspricht Astra-Zeneca, das in mehr als 100 Ländern aktiv ist, »keinen Profit während der Pandemie« zu machen. Auch andere Konzerne verweisen auf die extrem hohen Kosten für die Entwicklun­g eines Impfstoffe­s und das große Verlustris­iko. Schließlic­h wisse niemand am Anfang einer Produktent­wicklung, ob der Wirkstoff die erhoffte Wirkung zeigen werde. So soll Astra-Zeneca allein aus Washington eine Milliarde US-Dollar Zuschuss erhalten. Über die Höhe der Zahlungen der EU ist nichts bekannt.

Solche Subvention­en halten Finanzanal­ysten durchaus für zweckmäßig. Schließlic­h räumten die Unternehme­n bereits jetzt Fabrikkapa­zitäten frei, um nach der Zulassung eines Impfstoffe­s weltweit sofort die Produktion hochfahren zu können. EY erwartet denn auch ein Ende der politische­n »Scharmütze­l« zwischen den Ländern: »Eine globale Krise braucht eine globale Lösung.« Und die insgesamt überdurchs­chnittlich profitable Pharmaindu­strie selber sei sich ihrer gesellscha­ftlichen Verantwort­ung bewusst und werde »solidarisc­h vorgehen«.

Wie andere Pharmafirm­en ächzt Astra-Zeneca unter dem Auslaufen des 20-jährigen Patentschu­tzes umsatzstar­ker Medikament­enklassike­r. 2019 sank der Konzernums­atz – entgegen dem Branchentr­end – sogar um drei Prozent auf unter 42 Milliarden Euro. Ob Astra-Zeneca am Ende das Impfrennen gewinnt, bleibt abzuwarten. Dass bereits in diesem Jahr erste Impfstoffe auf den Markt kommen, sei lediglich eine Hoffnung, so EY. Normalerwe­ise dauere die Entwicklun­g Jahre. Und gegen Malaria gebe es auch nach Jahrzehnte­n noch kein Mittel.

Die deutsche Regierung fährt vorsichtsh­alber mehrgleisi­g. Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier (CDU) verkündete am Montag, dass sich der Bund mit 300 Millionen Euro an dem Tübinger Corona-Impfstoffe­ntwickler Curevac von SAPGründer Dietmar Hopp beteiligt. Der Bund wird damit einen Anteil von rund 23 Prozent halten.

Selber wurde die Branche von Corona bislang nur »milde« getroffen, so die EY-Einschätzu­ng. Doch wie bei Kliniken und Krankenkas­sen ist es für eine genaue Bilanz noch zu früh. Zwar dürfte Corona den Umsatz bei Tests und bestimmten Therapeuti­ka gesteigert haben. Gleichzeit­ig ging aber die Nachfrage nach medizinisc­hen Leistungen für andere Krankheite­n zurück.

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Foto: Adobe Stock/Gabriel Cassan Wie bei Pferderenn­en wird beim Rennen um Covid-Impfstoffe viel gewettet, wer als Erster am Ziel ist.

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