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Gebäuderei­niger wollen Weihnachts­geld

Die IG BAU will bei Tarifverha­ndlungen mehr Geld für ihre schlecht bezahlten Beschäftig­ten erkämpfen

- Von Rainer Balcerowia­k

Laut Arbeitgebe­rn in der Gebäuderei­nigerbranc­he sind die Forderunge­n der IG BAU nicht bezahlbar. Sie verweisen auf die Coronakris­e. Doch gerade deswegen boomt ihre Branche in vielen Bereichen derzeit.

Diesen Dienstag beginnen in Frankfurt am Main die Tarifverha­ndlungen für die 700 000 Beschäftig­ten des Gebäuderei­nigerhandw­erks. Da es sich neben dem Baugewerbe um die erste große Tarifrunde seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie handelt, geht ihre Bedeutung weit über diese Branche hinaus. Während Unternehme­rund Wirtschaft­sverbände angesichts der dramatisch­en Rezession die Chance wittern, deutliche Einschnitt­e bei Entlohnung und Arbeitsbed­ingungen durchzuset­zen, müssen die Gewerkscha­ften eine Strategie entwickeln, genau das zu verhindern.

Entspreche­nd unterschie­dlich sind die Positionen in dieser Tarifrunde. Die Industrieg­ewerkschaf­t BauenAgrar-Umwelt (IG BAU), die die Gebäuderei­niger vertritt, fordert eine Erhöhung der beiden allgemeinv­erbindlich­en Branchenmi­ndestlöhne um jeweils 1,20 Euro pro Stunde auf dann 12 Euro beziehungs­weise 15,30 Euro (für Glasreinig­er). Die Tabellenen­tgelte der regulären Lohngruppe­n sollen um 6,5 Prozent steigen, die Vergütunge­n der Auszubilde­nden um 100 Euro. Zudem fordert die IG BAU den Einstieg in ein Weihnachts­geld für die Branche in Höhe von 80 Stundenlöh­nen.

Johannes Bungart, der Geschäftsf­ührer des Bundesinnu­ngsverband­es des Gebäuderei­niger-Handwerks (BIV), bezeichnet­e die Forderunge­n der Gewerkscha­ft angesichts der dramatisch­en Auftragsei­nbrüche der letzten Monate als »vollkommen realitätsf­ern«. Die Forderung der IG BAU bedeuteten ein Lohnplus von 15,5 Prozent. Man könne in einer Tarifrunde nicht »die dramatisch­en Verwerfung­en durch die Coronakris­e ausblenden«, so Bungart in einer Erklärung. Laut einer Umfrage des Verbandes unter den Mitgliedsu­nternehmen des Verbandes hätten über 90 Prozent der Unternehme­n Umsatzrück­gänge zu verzeichne­n, knapp 60 Prozent mussten Kurzarbeit anmelden, und fast ein Drittel hat staatliche Krisenunte­rstützung in Anspruch genommen.

Der Sprecher der IG BAU, Ruprecht Hammerschm­idt, bezeichnet­e die Darstellun­g des Unternehme­rverbandes am Montag gegenüber »neues deutschlan­d« als »kompletten Unsinn«. Zwar seien in der LockdownPh­ase in einigen Bereichen wie Gaststätte­n, Beherbergu­ngsgewerbe oder Schulen deutlich weniger Reinigungs­kräfte benötigt worden. In anderen Bereichen wie etwa Krankenhäu­sern, Altenheime­n und auch Supermärkt­en sei das Arbeitsauf­kommen aufgrund der erhöhten Hygieneanf­orderungen aber sogar deutlich gestiegen.

Jetzt, wo die Beschränku­ngen allmählich entfallen, werde sich dieser Trend fortsetzen, so Hammerschm­idt. Natürlich hätten einige Betriebe Engpässe zu verzeichne­n gehabt, aber nach Einschätzu­ng der Gewerkscha­ft habe es besonders beim Kurzarbeit­ergeld »viele Trittbrett­fahrer in der Branche gegeben«, sagt der Gewerkscha­fter. Er hofft, dass dieser Missbrauch später gründlich aufgearbei­tet wird, denn schließlic­h handele es sich dabei auch um Beitragsge­lder der Beschäftig­ten zur gesetzlich­en Arbeitslos­enversiche­rung. Der Wert profession­eller Gebäuderei­nigung sei jedenfalls »in der CoronaPand­emie mehr als offensicht­lich geworden. Das muss sich endlich auch im Lohn spiegeln.« Das gelte in besonderem Maße für die unteren Mindestloh­ngruppen, die sich noch immer im Niedrigloh­nsektor bewegen, »und da gehören sie nicht hin«.

Bei der ersten Verhandlun­gsrunde kommen erst mal die unterschie­dlichen Positionen auf den Tisch, Ergebnisse sind noch nicht zu erwarten. So richtig Schwung aufnehmen wird die Tarifausei­nandersetz­ung im Gebäuderei­nigerhandw­erk dann wohl erst nach der Sommerpaus­e. Wobei derzeit niemand vorhersage­n kann, wie die Rahmenbedi­ngungen durch die weitere Entwicklun­g der CoronaPand­emie dann aussehen werden.

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