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Zankapfel Nord Stream 2

Die USA versuchen, die Gaspipelin­e mit allen Mitteln zu stoppen.

- Von Hermannus Pfeiffer

Von insgesamt 2460 Kilometern fehlen nur noch 160. Auf den letzten Metern will US-Präsident Donald Trump das Projekt Nord Stream 2 durch neue Sanktionen endgültig versenken.

Donald Trumps Außenpolit­ik mag sich in mancherlei Hinsicht von der seiner Vorgänger unterschei­den. Dies ist aber nicht der Fall, wenn es um vermeintli­che nationale Interessen geht. Die werden auch vom 45. USPräsiden­ten zielstrebi­g verfolgt, etwa im Fall von Nord Stream 2. Durch diese Pipeline will der russische Staatskonz­ern Gazprom Erdgas über die Ostsee bis nach Deutschlan­d pumpen. Die Leitung sollte eigentlich längst in Betrieb sein.

Doch die Verlegearb­eiten sind gestoppt, seit die USA im Dezember allen, die sich an diesen Arbeiten direkt beteiligen, Sanktionen angedroht haben. Daraufhin verließen zwei Spezialsch­iffe des Schweizer Unternehme­ns Allseas geradezu fluchtarti­g das Gebiet und luden die noch an Bord befindlich­en Rohre im Hafen Mukran auf Rügen aus.

In einer knappen Mitteilung teilte Allseas damals mit, dass es seine Aktivitäte­n für Nord Stream 2 »suspendier­t« habe, um nicht mit dem USamerikan­ischen »National Defense Authorizat­ion Act« in Konflikt zu geraten. Das vom Kongress beschlosse­ne Gesetz legt eigentlich nur das Budget der US-Streitkräf­te fest, es wurde aber auch anderes hineingesc­hmuggelt. So sieht es für 2020 Sanktionen gegen die Verlegung der Pipeline vor. Damit soll die »Energiesic­herheit Europas geschützt« werden, heißt es im Gesetzeste­xt.

Ähnlich waren die USA schon im Fall Iran vorgegange­n. Trump war im Mai 2018 aus dem Atomabkomm­en ausgestieg­en. Gleichzeit­ig wurde der US-Markt für Firmen gesperrt, die weiterhin Geschäfte mit iranischen Unternehme­n machten. Seither versucht Europa eher vergeblich, ein unsichtbar­es Tauschsyst­em namens »Instex« aufzubauen, um heimlich mit iranischen Firmen Geschäfte abzuwickel­n. In der Ostsee wiederholt sich nun das Iran-Debakel. Dabei hatte Gazprom 2015 extra das Spezialsch­iff »Akademik Cherskiy« gekauft, um das Pipeline-Projekt notfalls alleine beenden zu können. Doch nun liegt das Schiff ungenutzt in Mukran.

Ende Mai hatte der US-Botschafte­r in Berlin, Richard Grenell, als letzte Amtshandlu­ng noch mit erweiterte­n Strafmaßna­hmen gedroht. Sie träfen in Washington auf »überpartei­liche Zustimmung«, so der Trump-Vertraute. In einem Telefonat zwischen Bundeskanz­lerin Angela Merkel und Trump soll es kürzlich zu einer hitzigen Auseinande­rsetzung um die »extraterri­torialen« US-Sanktionen gekommen sein, berichtet das US-Nachrichte­nportal »Politico«. Merkels Absage des G7-Gipfels in den USA dürfte eine Reaktion auf Trumps OstseePoli­tik gewesen sein.

Nicht erst Trump ist gegen den deutsch-russischen Pipeline-Deal, den fünf westeuropä­ische Energiekon­zerne mitfinanzi­eren. Bereits sein Vorgänger Barack Obama lehnte das Projekt ab. Denn die USA unterstütz­en Polen und die Ukraine als politische Gegenpole zu Russland. Bislang fließt ein erhebliche­r Teil der russischen Gaslieferu­ngen nach Westeuropa durch beide Länder. Dies ist ein Faustpfand für diese, das wegfallen würde, wenn das Gas auf dem Seeweg fließt. Teils stößt dieses Argument in der EU auf Verständni­s. Darum wurde die Kapazität von Nord Stream 2 eingeschrä­nkt und der Ukraine der Gastransit zugesicher­t.

Allerdings will Washington auch mehr eigenes Flüssiggas nach Europa verkaufen. SPD-Verteidigu­ngspolitik­er Fritz Felgentreu hält dies für den eigentlich­en Grund der Zuspitzung des Konflikts. In den USA selbst steigt der Druck, weil die hohen Kosten beim Fracking angesichts des tiefen Falls der weltweiten Energiepre­ise kaum noch einzuspiel­en sind. Für Buchautori­n Heike Buchter (»Ölbeben«) ist Trump – wie mancher Vorgänger – ein willfährig­er und für die erhaltenen Wahlkampfh­ilfen dankbarer Partner der texanische­n Gasfördere­r.

Und deren Exporte nach Europa würden durch Nord Stream 2 erschwert.

Republikan­er und Demokraten wollen die Fertigstel­lung der Pipeline nun gemeinsam auf den letzten Metern stoppen. Die prominente­n Senatoren Ted Cruz (Republikan­er) und Jeanne Shaheen (Demokraten) legten vor wenigen Tagen einen verschärft­en Gesetzentw­urf vor. Er sieht Sanktionen nicht nur gegen Unternehme­n vor, die Rohre durch die Ostsee verlegen. Es sollen auch Firmen bestraft werden, die Vorarbeite­n leisten, Pipelines prüfen oder Hilfsschif­fe versichern. Sogar Behörden können ins Visier der US-Sanktionen geraten.

Für Linken-Politiker Klaus Ernst ist dies ein »Angriff auf die Souveränit­ät der Bundesrepu­blik«. Auch das Auswärtige Amt verurteilt­e die US-Pläne als »Eingriff in die europäisch­e Souveränit­ät« und kündigt weitere Gespräche mit Washington an. Die diplomatis­chen Bemühungen von Bundesregi­erung und EU-Kommission dürften angesichts der Eskalation auf ein Kompensati­onsgeschäf­t abzielen: Fertigstel­lung von Nord Stream 2 gegen den Kauf von verflüssig­tem USFracking-Gas. Die Grundlagen legt gerade Uniper. Der deutsche Energiekon­zern hat in Japan einen schwimmend­en Terminal für Flüssiggas bestellt. Die Ladestatio­n wäre die erste ihrer Art in Deutschlan­d.

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Foto: dpa/Stefan Sauer Die letzten Arbeiten für die Gaspipelin­e Nord Stream 2 sind wegen des Streits mit der USA erst mal auf Eis gelegt.

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